Es steht nicht gut um die Bayern-SPD. So ernst ist die Lage, dass selbst der greise Partei-Altvordere Hans-Jochen Vogel seinen Genossen auf einem Parteitag zumindest per Videobotschaft Mut machen will. "Ich habe auch Wahlen in Bayern verloren", sagt der 92-Jährige dort: "Aber mit dreißig Prozent."
Bayerns Sozialdemokraten sind herbe Rückschläge und bittere Niederlagen gewohnt. Doch so hart, wie bei der Landtagswahl im letzten Oktober, kam es für die Partei noch nie: Abgestürzt auf 9,7 Prozent. Nur noch fünftstärkste Partei im Landtag. Im linken Lager meilenweit abgehängt von den umtriebigen Grünen.
Lag der SPD-Absturz an den blauen Moral-Plakaten?
Wie die SPD rauskommen könnte aus dem Tal der Tränen, ist das große Thema des Parteitags. Zuvor schon hatte es dazu viele interne Debatten gegeben: Lag es am Wahlkampf? An den Moral-Plakaten in dunkelblauer Farbe? Nur eine Schulnote Vier gaben SPD-Wahlkämpfer der eigenen Kampagne in einer internen Online-Umfrage.
Oder lag es an der Spitzenkandidatin Natascha Kohnen? Gleich im Oktober hatte es Rücktrittsforderungen gegeben. Noch letzte Woche beklagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post öffentlich inhaltliche Defizite bei Kohnen. Sie klebe nicht an ihrem Stuhl, hatte Kohnen ihren Kritikern stets entgegengehalten. Sie stehle sich aber auch nicht aus der Verantwortung.
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79,3 Prozent für die Parteichefin
Dem internen Gemecker zum Trotz fand sich niemand, der auf dem Parteitag gegen Kohnen antreten wollte. Auch in der mehrstündigen Aussprache gab es bestenfalls verdeckte Kritik an der Parteichefin - Kritiker wie Florian Post blieben dort völlig stumm. Am Ende wurde Kohnen mit respektablen 79,3 Prozent im Amt bestätigt. Mit "politischer Vernunft" erklärte etwa der Kohnen-Kritiker Florian von Brunn das Ergebnis. Nicht wenige Delegierte stimmten wohl in der Tat eher gegen fortgesetzte Selbstbeschäftigung, als für die Vorsitzende Natascha Kohnen.
Die 51-Jährige macht sich über die Schwierigkeit ihrer Aufgabe keine Illusionen. Die Partei dürfe sich aber auch selbst nichts vormachen: "Hätten rote Wahlplakate die Wahlentscheidung verändert?", fragte Kohnen in ihrer Rede - und gibt die Antwort selbst: Nicht der Wahlkampf, nicht die Themen, nicht die Kandidatin seien der Hauptgrund für den Absturz: "Die Menschen haben uns nicht mehr vertraut, dass wir ihre Probleme lösen." Mehr Mut, mehr Klarheit und "mehr Radikalität" brauche die SPD, um aus dieser Vertrauenskrise zu kommen, glaubt sie: "Wir müssen lernen, dass wir es nicht allen Menschen recht machen können."
Ein spürbarer Linksruck ist es, was Kohnen ihrer Partei verordnen will: "Der Markt ist keine Naturgewalt", sagt sie. Und:"Unsere Erzählung muss die eines starken Sozialstaates werden." Großkonzerne besteuern, Erbschaftssteuer rauf. Bildung, Pflege, ÖPNV oder Wohnen "aus der privaten Rendite nehmen", fordert sie. Nur ein starker Staat bekämpfe die Abstiegsangst im Mittelstand, stehe "gegen den obszönen Finanzkapitalismus" einer unsolidarischen Elite.
Auch die Grünen greift Kohnen frontal an: Die Öko-Partei, die in den Städten der SPD den Rang als stärkste politische Kraft abzunehmen droht, sei eine "Schicki-Lacki"-Partei, die Umweltpolitik nur für die Reichen mache: "Die Grünen juckt die soziale Frage Nullkommanull", schimpft sie. Kohnen greift aber auch die SPD-Genossen in Berlin an: "Ich bin mit der SPD im Bund immer noch nicht zufrieden", sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende. Ob Steuern, Wohnen oder Hartz-IV: Zu viele Kompromisse, zu wenig Fokus auf die "kleinen Leute", bemängelt sie.
- Kommentar: Die SPD im Tal der Tränen
Ob aber eine mit sich selbst ringende Neun-Prozent-Partei aus Bayern den großen Tanker SPD im Bund wirklich zum Umsteuern bringen kann? "Es wird eine verdammt harte Zeit, aber wir können das", macht Kohnen den Bayern-Genossen Mut: "Also ran an die Geschichte."
aber dass die Grünen die soziale Frage komplett vernachlässigen, weise ich hiermit auf das Schärfste zurück.
Allerdings muss klar sein, dass die Erhaltung der Lebensgrundlagen nicht mit "weiter so!" zu wuppen sein wird und alle(!) an einem Strang werden ziehen müssen. Ja, wir werden umdenken müssen, ja, es wird mehr kosten, bei allem den "Umweltverbrauch" mit bezahlen zu müssen. Aber auch die Grünen haben Modelle vorgestellt, wie menschenwürdige Solidarität mit denen aussehen kann, die dieser Hilfe bedürfen.
Selbst fragen muss sich hingegen jede*r: muss ich jeden Tag (allein) mit dem Auto zur Arbeit fahren (oder zu Freizeitzwecken hunderte km weit)? Muss ich kiloweise Billigfleisch essen? Muss meine Heizung auf 5 stehen, damit ich in Shorty und T-Shirt in der Wohnung herumlaufen kann? Brauche ich immer die neueste Unterhaltungselektronik? Muss ich mit dem Flieger in den Urlaub? usw.
Wetten, dass man da ordentlich "sparen" könnte?
Dort ist doch alles besetzt - und zwar mit besseren Leuten (Grüne) und glaubhafter (Linke).
Es ist doch geradezu eine Bankrotterklärung, dass die Personen, die den Niedergang zu verantworten haben, mit den alten Sprüchen weitermachen dürfen. Scheints will aber auch kein(e) Neue(r) aus Furcht vor Blamage an die Front. Trauriger Verein....
Und: Wo is eigentlich der Herr Halbleib abgeblieben? is des der einzige, der für die "krachende Niederlage" (O-Ton Henry Stern) bluten darf?