Dass er noch etwas schüchtern abseits des Rasens wirkt, ist keine Überraschung. Es ist Dildar Atmacas erstes Trainingslager im Herrenbereich, der Vertrag mit den Würzburger Kickers sein erster als Profi. Der 18-Jährige war die erste Verpflichtung des Zweitligaabsteigers in diesem Sommer. Zuvor war der Deutsch-Kurde für die U19 von Arminia Bielefeld, seinem Heimatklub, am Ball - und trug dabei die Kapitänsbinde. Bei den Rothosen wird seine Rolle sicher eine ganz andere sein.
Atmaca, den alle nur "Kadi" nennen, ist einer für die Außenbahn. "Eigentlich linker Flügel. Aber ich bin flexibel. In den Testspielen habe ich auch auf der Zehn oder auf rechts gespielt", sagt er. "Da wo der Trainer mich aufstellt, da spiele ich." Wo Torsten Ziegner mit dem Youngster plant, ist tatsächlich eine knifflige Frage. In den bisherigen Testspielen und Trainingseinheiten zeichnete sich deutlich ein 3-5-2 ab. Eine Formation, in der es keinen Platz gibt für die klassisch offensiven Außenbahnspieler. Denkbar für Atmaca wäre auf dem Papier eine der Außenpositionen in der Fünferkette, aber die defensive Erfahrung fehlt ihm. So wird er vielleicht zentral hinter den Angreifern oder sogar als Stürmer zum Einsatz kommen.
Atmaca wirkt nicht so, als würde er sich darüber den Kopf zerbrechen. Bei den Einheiten in Ampflwang präsentiert sich der gebürtige Bielefelder engagiert, deutet sein Potenzial ein ums andere Mal an. Im Testspiel gegen den SV Sandhausen war er zusammen mit David Kopacz der einzige Akteur, der über die volle Spielzeit ran durfte. Der Chefcoach will das Talent testen, ihn an seine Grenzen bringen und schauen, ob er diesem Druck standhält. Das wird auch im Trainingslager deutlich: "Da musst du hinterher! So haben wir zwei Tore kassiert! Hast du keinen Bock oder kannst du nicht mehr?", so Ziegners Rüffel in Richtung Atmaca, der nicht energisch genug in die Rückwärtsbewegung gestartet war. Der wiederum weiß, die Ansage einzuordnen: "In so einer Situation darfst du nicht abschalten, aber das passiert. Dann bekomme ich eben vom Trainer was auf die Löffel. Das ist dann auch normal und hilft mir nur weiter."
Zurückhaltung hin oder her: Für einen, der erstmals Familie und Freunde hinter sich gelassen hat, um sich in einer fremden Stadt als Fußballprofi zu versuchen, wirkt "Kadi" ziemlich aufgeräumt. Stichwort Stadt: Würzburg hatte neben den "extrem guten Gesprächen" mit Sebastian Schuppan, der Sportvorstand hatte den Deal lange bevor Ziegners Engagement am Dallenberg eingetütet, gehörigen Anteil am Transfer. "Die Stadt fand ich gleich überragend, Würzburg ist enorm schön." Glücklicherweise habe er gleich eine Bleibe im Zentrum gefunden, eine kleine Wohnung direkt am Main. "Das ist einfach richtig schön."
Richtig schön sind auch die Bewegungen des Dribblers am Ball. Atmaca hat einen guten Antritt, hinzukommt eine ausgefeilte Technik. "Ich liebe es, den Ball am Fuß zu haben, ins Eins-gegen-eins zu gehen, mutig zu sein", sagt er über seine Spielweise. Solche Aktionen im Training zu zeigen, oder aber dann in der Dritten Liga, ist freilich ein gehöriger Unterschied. Doch Fußballer mit derlei Anlagen können - und der Konjunktiv ist im Falle Atmacas besonders zu betonen - zu Unterschiedsspielern werden.
Kaum Spiele in der vergangenen Saison
Ob er im neuen Rothosen-Konstrukt funktionieren wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Zwar ist der Eindruck ein guter. Zu Bedenken gilt es aber auch, dass der 1,74 Meter große Rechtsfuß in der abgelaufenen Saison kaum zum Einsatz gekommen war. Aufgrund der Pandemie fanden in der U19-Bundesliga West nur drei Partien statt, getroffen hat Atmaca da immerhin ein Mal. Fit wirkt er in Ampflwang trotzdem. Gut möglich, dass es für "Kadi" in der am 23. Juli startenden Drittligasaison einige Pflichtspiele mehr werden.