Dieser Bildschirm-Hintergrund passt perfekt. "Wir sind die Kickers" steht dort, als Jonas Liebl seinen Computer hochfährt. Jonas, das ist der inklusive Mitarbeiter der Würzburger Kickers. Und der 27-Jährige ist nicht nur das, er ist auch Mitglied der aktiven Fanszene. Welcher Arbeitsplatz würde also besser passen als der mittendrin in seinem Verein?
Es ist Donnerstagmorgen, kurz nach neun, als Jonas zum Termin ins Büro kommt. Blaue Sportjacke, Jeans, Sneaker. Er ist da schon einige Zeit im Haus. "Mein Arbeitstag beginnt um acht, aber ich bin meistens schon um halb acht da", sagt er. Als einer der Ersten. Jeden Morgen kommt er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aus Rieden bei Würzburg. Dort ist er aufgewachsen, dort wohnt er noch immer. Drucker prüfen, einen Blick in die Spülmaschine werfen. "Und dann gibt es erstmal Kaffee."
Jonas leidet unter einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz. Eine angeborene Erkrankung, die zur Folge hat, dass Jonas' Schilddrüse nicht die notwendigen Signale bekommt, um wichtige Hormone, etwa im Fall einer anstehenden Erkältung, zu produzieren. Also muss er Medikamente nehmen, um das auszugleichen. "Ohne die würde es mir schlecht gehen", sagt Jonas. Dreimal täglich muss er die Medikamente nehmen.
Ansonsten beeinflusst ihn seine Erkrankung im Alltag kaum. Ab und zu, wenn er merkt, dass sein Körper zu kämpfen hat, steigere er die Dosis, sagt er. "Sonst gehe ich wie jeder andere zum Arzt, wenn ich krank bin." Zu Spezialisten müsse er alle sechs Monate.
Jonas kümmert sich um die Geburtstagswünsche für Fans
Schon als Baby sei die Erkrankung bei ihm diagnostiziert worden, erzählt der 27-Jährige. Doch bis die finale Diagnose gestanden habe, habe es lange gedauert. "Es gibt drei Ordner voll mit Arztberichten", sagt er. "Bei den Symptomen hätte es alles sein können." Unter anderem sei eine Gelbsucht dabei gewesen. Die Insuffizienz hat bei Jonas auch zu einer Lernbehinderung geführt.
Nach dem Kaffee beginnt Jonas' Arbeitstag dann so richtig. Er kümmert sich zunächst um die Geburtstags-Mails für Mitglieder. Jonas schickt dann eine Nachricht mit einem Glückwunsch vom Verein heraus. Dann zeigt er einen Ordner auf seinem Computer. Darin finden sich etliche von ihm erstellte Vorlagen für Aufkleber, unter anderem die zum 115. Vereinsjubiläum.
Mit den Würzburger Kickers verbindet der 27-Jährige Familie und Bodenständigkeit
Denn das macht Jonas am liebsten: Sticker für Fans designen. Sie kleben dann etwa an Ampeln oder Laternen in ganz Würzburg verteilt – oder auch mal Hunderte Kilometer entfernt dort, wo Auswärtsspiele stattfinden.
Er selbst ist seit der Saison 2014/15 Anhänger der Kickers. Seit 2016/17 ist Jonas sogar Mitglied der aktiven Fanszene. Die Kickers spielen eine große Rolle in seinem Leben, sagt Jonas. "Familie und Bodenständigkeit", antwortet er ohne nachzudenken auf die Frage, was ihm der Verein bedeutet.
Kickers-Pressesprecher Matthis Frankenstein hatte ihm einst spaßeshalber einen Wimpel von 1860 München auf den Schreibtisch gelegt, erzählt Jonas. "Da dachte ich, jetzt geht's los", sagt er. Schnell wird deutlich: Für andere Vereine hat der 27-Jährige nichts übrig. Doch kleine Neckereien gehören im Büro dazu, die Atmosphäre ist freundschaftlich und humorvoll.
Beim Entwerfen der Sticker sitzt bei Jonas jeder Handgriff. Gekonnt sucht er sich ein Bild heraus, das als Hauptmotiv dienen soll. Er schneidet es zurecht, das Programm markiert den richtigen Bereich. Heute ist es die Haupttribüne des Stadions am Dallenberg. Dann färbt Jonas die Tribüne schwarz-weiß, legt einen rot-weiß gestreiften Hintergrund sowie einen Schriftzug an. "Kickers Stadion am Dallenberg" steht dann da.
Nun muss Jonas nur noch entscheiden, welchen Effekt er über die Schrift legen will. Dreidimensional und konvex, konkav oder doch lieber gradlinig? Innerhalb weniger Minuten ist der Aufkleber fertig. Und falls die Optik dem Verein nicht gefallen sollte, darf Jonas das Design an seine Freunde in der aktiven Fanszene weitergeben. Selbiges gilt für Jonas' Werke, wenn er Schals entwirft. Auch Vorlagen für T-Shirts kreiert er, eines gibt es sogar im Fanshop der Kickers zu kaufen.
Die Würzburger Kickers sind froh über die Zusammenarbeit mit Jonas
Seit Sommer 2020 arbeitet der 27-Jährige in der Geschäftsstelle der Würzburger Kickers. Erst als Praktikant, inzwischen fest. Er hatte sich sogar beworben, bevor die Stelle überhaupt ausgeschrieben war. Jeden Tag ist Jonas da, immer bis 14.30 Uhr. "Wenn nicht zu viele Urlaubstage angelaufen sind", sagt er und lacht. Jonas ist offen und humorvoll. Es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten.
"Für unsere Geschäftsstelle ist Jonas eine absolute Bereicherung. Man merkt ihm einfach an, dass er ein richtiger Kickers-Fan ist, und dass ihm die Arbeit in 'seinem' Verein am Herzen liegt", sagt Pressesprecher Frankenstein. Der Verein habe nicht lange überlegen müssen, als sich die Möglichkeit des inklusiven Arbeitsplatzes geboten habe.
"Inklusion ist für uns fast schon so etwas wie eine Herzensangelegenheit, und wir möchten mit unserer Reichweite möglichst viele Leute zu diesem wichtigen Thema erreichen. Denn: Inklusion geht uns alle an", sagt Frankenstein. Erst vor Kurzem haben die Würzburger Kickers den Inklusionspreis des Bezirks Unterfranken erhalten.
Über die Mainfränkischen Werkstätten zu den Würzburger Kickers gekommen
Bevor er am Dallenberg angefangen hat, hat Jonas fünf Jahre als Betreuungsassistent in einem Kindergarten gearbeitet. Nach seinem Schulabschluss am Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg, das er zwölf Jahre lang besucht hat, schloss sich Jonas den Mainfränkischen Werkstätten an. Im September 2014 begann er dort, über die Werkstätten ist er auch bei den Kickers untergekommen.
Jonas' Arbeitstag endet am Nachmittag, immer mit demselben Ritual. Im Gang gebe es ein Fach für Briefumschläge, erzählt der 27-Jährige. "Bevor ich gehe, frage ich bei allen nach, ob jeder seine Post abgelegt hat. Dann nehme ich sie mit und werfe sie in der Innenstadt ein", berichtet er.
Steigen die Würzburger Kickers auf? Jonas ist zuversichtlich
Das erste Spiel, das Jonas am Dallenberg gesehen hat, war ein erfolgreiches. Mit 4:1 gewannen die Kickers damals am 24. Oktober 2014 gegen die SpVgg Bayreuth. Torschützen: Marco Haller (Doppelpack), Adam Jabiri und Liridon Vocaj. Seitdem hat Jonas mit den Kickers viel erlebt. Seine Liebe zum Verein drückt ein großes Tattoo mit Vereinswappen am rechten Oberarm aus. Sein Lieblingsspieler heute: Peter Kurzweg.
Ob es dieses Jahr was wird mit dem Aufstieg? Da will sich Jonas nicht festlegen. "Ich gebe ungern Prognosen ab", sagt er. Optimistisch ist er dennoch. Letztlich ist es dann aber auch egal. Denn Jonas kommt sowieso zum Anfeuern.
Jonas, lieben Dank für Dein Herz und deinen Einsatz in der Familie.
Lieben Dank auch für die Geburtstagsglückwünsche