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Kraftdreikampf
Trotz Rheuma: Wie es Simone Baumann aus Margetshöchheim zur Weltmeisterschaft im Kraftdreikampf geschafft hat
Für ihr Ziel, die Teilnahme an einer WM, reist die 40-Jährige bis in die Hauptstadt der Mongolei. Wie die Erkrankung ihr Leben und der Sport ihre Erkrankung beeinflusst.
Vizeweltmeisterin: Simone Baumann hat an der Kraftdreikampf-WM in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar teilgenommen. In der Disziplin Bankdrücken gewann die 40-Jährige die Silbermedaille.
Foto: Julian Schramm, Dedicated Sports | Vizeweltmeisterin: Simone Baumann hat an der Kraftdreikampf-WM in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar teilgenommen. In der Disziplin Bankdrücken gewann die 40-Jährige die Silbermedaille.
Jürgen Sterzbach
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:33 Uhr

Auf einem Laufband nur vor sich hin zu traben, ist nichts für sie. "Schrecklich", findet Simone Baumann. Die 40-Jährige aus Margetshöchheim im Landkreis Würzburg braucht Action. Sie komme aus einer sportlichen Familie, ging früher zum Turnen, Reiten und auch mal zum Taekwondo, machte später – nach Banklehre ("Das war nichts für mich") und Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin ("Danach war ich viel im Ausland unterwegs") – auch einen Tauchlehrerschein: "Eine Woche ohne Bewegung geht bei mir nicht." Nur Ausdauer bolzen, das ging noch nie.

Simone Baumann hat in diesem Oktober an den Masters-Weltmeisterschaften im Kraftdreikampf in der mongolischen Millionenstadt Ulaanbaatar, der mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von minus 1,3 Grad kältesten Hauptstadt der Welt, teilgenommen. "Masters" sind in mehreren Sportarten ältere Athletinnen und Athleten. Im Kraftdreikampf beginnen sie ab 40 Jahre.

Mit einer Silbermedaille für Platz zwei im Bankdrücken und Platz sieben im Dreikampf aus Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben haben sich Aufwand, Kosten und Training sportlich für sie ausgezahlt.

Simone Baumann aus Margetshöchheim bei der Kraftdreikampf-WM in Ulaanbaatar in der Mongolei, bei der sie Platz zwei im Bankdrücken und Platz sieben im Gesamtwettbewerb erreichte.
Foto: Simone Baumann | Simone Baumann aus Margetshöchheim bei der Kraftdreikampf-WM in Ulaanbaatar in der Mongolei, bei der sie Platz zwei im Bankdrücken und Platz sieben im Gesamtwettbewerb erreichte.

Zum Kraftsport gekommen war Simone Baumann erst relativ spät. "Aus Neugier", sagt sie, und weil sie an den Maschinen das Rauf- und Runterdrücken der Gewichte nicht zufriedengestellt habe, sei sie im Frühjahr 2018 im Fitnessstudio mal durch den Freihantel-Bereich gestromert. Als sie dort eine in etwa gleichaltrige Frau eine mit 100 Kilogramm beladene Hantel heben sah, dachte sie sich: "Kann ich auch. Bewegt hat sich bei mir aber erst mal nichts." Ihr Ehrgeiz war entfacht.

Rheuma-Diagnose als Jugendliche: Täglich Kortison und akute Schübe

Im September desselben Jahres bestritt sie in Randersacker ihren ersten Wettkampf im Kreuzheben, wurde Zweite. Es folgten die bayerischen Meisterschaften, im folgenden Jahr trat sie erstmals bei den deutschen Meisterschaften an. In diesem April schließlich stellte Baumann auf nationaler Ebene den deutschen Rekord im Bankdrücken in ihrer Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm auf, wodurch sie für den Nationalkader und über diesen für die WM nominiert wurde.

Bis zu sechsmal in der Woche trainiert Simone Baumann und hat sich dafür auch zu Hause ein kleines "Gym" aufgebaut. Sie ist aber nicht nur ehrgeizig und sportbesessen: Schon in der Jugend wurde bei ihr eine rheumatoide Arthritis, umgangssprachlich Rheuma, diagnostiziert. Dabei entzünden sich in der Regel mehrere Gelenke dauerhaft.

"Dann weiß ich: Diese Krankheit beherrscht dich nicht komplett."
Simone Baumann

Ursache dessen ist eine Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem die Innenhaut an Gelenken angreift. Warum, ist unbekannt. Sport kann Beweglichkeit und Kraft der beeinträchtigten Gelenke fördern. "Ich habe schnell gemerkt, dass mir das guttut", sagt Baumann.

Und zwar nicht nur körperlich, sondern auch mental. Sie müsse täglich entzündungshemmendes Kortison einnehmen: "Ohne das könnte ich kaum laufen. Es ist frustrierend, wenn man will, aber nicht kann. Vieles ist schwer planbar." Akute Schübe beeinträchtigten sie noch mehr. "Ins Training zu gehen, baut mich auf und beweist mir, dass es doch irgendwie geht. Dann weiß ich: Diese Krankheit beherrscht dich nicht komplett." Auch ihr Arzt habe das verstanden und unterstütze sie.

Ein starker Wille und Entschlossenheit treiben Simone Baumann an

"Ich will meine Grenzen testen", nennt sie als Motivation, Kraftdreikampf sogar leistungsorientiert zu betreiben. Ihr starker Wille und ihre Entschlossenheit, gesetzte Ziele zu erreichen, treiben sie an. Die Weltmeisterschaften in der Mongolei waren zugleich ihr erster internationaler Wettkampf.

Die Reise nach Ulaanbaatar musste sie, obwohl sie offiziell vom Verband nominiert war, komplett selbst organisieren – und zahlen. Denn Zuschüsse gibt es für Athletinnen und Athleten in der Masters-Klasse nicht. Wer zusätzlich von einem Trainer oder Betreuer begleitet werden möchte, muss auch dafür selbst aufkommen.

Dem fehlenden Team war es wohl geschuldet, dass Baumann am Ende Siebte und nicht sogar Fünfte wurde. "Hätte ich beim letzten Versuch fünf Kilogramm weniger auflegen lassen, wäre ich zwei Plätze höher gelandet", weiß sie. Obwohl sie ihrer Wettkampf-Taktik ("Druck rausnehmen, rumalbern, sich ablenken, Lolli lutschen") folgte, kam sie an ihre Bestleistungen (in Klammern) nicht heran. Bei der WM erreichte sie 80 Kilogramm im Bankdrücken (85 kg), 125 Kilogramm im Kreuzheben (140 kg), 115 Kilogramm in der Kniebeuge (117,5 kg) und ein Total von 320 Kilogramm (335,5 kg).

Simone Baumann bei den bayerischen Meisterschaften im Kraftdreikampf im oberfränkischen Weismain, wo sie ihre Bestleistung im Bankdrücken mit 83 Kilogramm aufstellte.
Foto: Julian Schramm, Dedicated Sports | Simone Baumann bei den bayerischen Meisterschaften im Kraftdreikampf im oberfränkischen Weismain, wo sie ihre Bestleistung im Bankdrücken mit 83 Kilogramm aufstellte.

Als neues Ziel peilt sie nicht die kommende WM im Oktober 2024 in Südafrika, sondern die übernächste EM im Februar 2025 im südfranzösischen Albi an. "Die EM im nächsten Jahr in Málaga kommt zu bald, bis dorthin könnte ich mich kaum verbessern. So habe ich eineinhalb Jahre Zeit." Auch von den Kosten und der Reisedauer sei eine Teilnahme an kontinentalen Wettkämpfen "überschaubar", sagt sie.

Als Simone Baumann vor wenigen Tagen in Margetshöchheim ihre ehemalige Hausärztin traf, die ihre Krankengeschichte und ihre sportlichen Ambitionen kannte, fragte diese sie: "Und, schon Weltmeisterin geworden?" – "Nö, Vize."

 
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