Dirk Pschiebl gehört zu den Fußballern, deren aktive Karriere aufgrund von Kreuzbandrissen deutlich kürzer waren als erhofft. Er war gerade 26 Jahre alt, als er seinen zweiten Kreuzbandriss erlitt. "Das war gleichzeitig das Ende meiner Fußballer-Laufbahn", sagt der heute 45-Jährige. Und schiebt hinterher: "Also auf dem Feld zumindest."
Als 2005 seine Karriere als aktiver Spieler vorbei war, begann seine zweite Karriere als Trainer und Scout, die ihn bis in die Bundesliga geführt hat. "Mir war es wichtig, dabeizubleiben. Daher habe ich damals, schon vor der Verletzung, meinen Trainerschein gemacht", sagt er. Heute besitzt Pschiebl die A-Lizenz und trainiert den Kreisligisten FV Helmstadt.
In den großen Bundesliga-Zirkus hat er es aber nicht als Trainer, sondern als Scout geschafft. "Im Fußball geht eine Tür zu, dafür öffnet sich eine andere", sagt er. Damals sei er Jugendtrainer bei der U17 der Würzburger Kickers gewesen. "Ich glaube, da habe ich gar nicht so schlechte Arbeit gemacht." Er arbeitete etwa mit Maximilian Breunig zusammen, der inzwischen beim 1. FC Heidenheim in der Beletage des deutschen Fußballs spielt.
Seine Arbeit als Trainer bei den Würzburger Kickers half Dirk Pschiebl als Scout
Nachdem die Kickers nicht mit ihm weitermachen wollten, hat Pschiebl relativ schnell einen Anruf vom 1. FSV Mainz 05 bekommen. Der Klub aus Rheinhessen habe gefragt, "ob ich mir vorstellen könnte, im bayerischen Raum als Scout zu arbeiten", erzählt Pschiebl. Er fuhr nach Mainz, an den bekannten Bruchweg, und relativ schnell sei klar gewesen, "dass wir einen gemeinsamen Nenner haben und ich das machen möchte".
Pschiebl war plötzlich mittendrin in der Bundesliga. "Das hat echt Bock gemacht", sagt er. Seine vorherige Tätigkeit bei den Würzburger Kickers habe ihm bei seiner neuen Aufgabe sehr geholfen. Er kannte die regionalen Spieler der entsprechenden Jahrgänge, hatte viele bereits in gegnerischen Mannschaften erlebt. Also wusste er, auf welchen Plätzen es interessant werden könnte.
Von 2018 bis 2022 sichtete Pschiebl "insbesondere Spieler auf der Ebene 1. FC Nürnberg, Greuther Fürth, Viktoria Aschaffenburg, Würzburger Kickers und FC 05 Schweinfurt". Dazu kamen diverse regionale Auswahlmannschaften. "Das bekommst du sowieso mit. Dort tauchen die Topspieler auf", erzählt er. "Du fährst also nicht raus und sichtest irgendetwas, sondern du schaust dir die Topspiele auf diesem Niveau an."
Dazu zählten die U-17-Bundesliga und die U-15-Regionalliga. Der 1. FC Nürnberg gegen Greuther Fürth oder gegen Bayern München. Spiele auf hohem Niveau eben. "Den Topspieler sieht da jeder, dazu musst du kein super Scout sein", sagt Pschiebl. Es gehe darum, den Rohdiamanten zu entdecken.
Frankfurts Can Uzun hat Dirk Pschiebl beeindruckt
"Als Scout brauchst du Fantasie", erklärt der Würzburger. Nämlich dann, wenn es darauf ankommt, einen Spieler aus der zweiten Reihe zu sehen und zu antizipieren, was aus dem mal werden könnte. Vielleicht sogar auf einer Position, die er so noch gar nicht gespielt hat. Könnte ein offensiver Mittelfeldspieler zum Beispiel auch ein offensivstarker Außenverteidiger werden, wenn er sich weiterentwickelt? "Du musst vom aktuellen Geschehen weggehen und dir überlegen, was in der Folge passiert", sagt Pschiebl.
Schon bunte Fußballschuhe könnten helfen, den Charakter eines Spielers besser einzuschätzen, erklärt er. Zum Beispiel, ob jemand eher introvertiert oder extrovertiert ist. Dazu kommen körperliche oder technische Stärken. Hat der Spieler einen überragenden Abschluss? Ist das einer, der immer den letzten Pass genial spielt?
"Einer der besten, die ich damals gesehen habe, war Can Uzun", sagt Pschiebl. Der heute 18-Jährige hat in der vergangenen Saison beim 1. FC Nürnberg auf sich aufmerksam gemacht. Er war dem Bundesligisten Eintracht Frankfurt, für den er künftig aufläuft, einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag wert und bringt dem Club eine Rekord-Ablösesumme ein. "Der war unfassbar", sagt Pschiebl.
Damals habe er bemerkt, dass Uzuns Vater einen großen Einfluss auf den Sohn gehabt habe. "Solche Sachen betrachtest du auch als Scout", erzählt der 45-Jährige. Teilweise müsse man vorsichtig sein, wenn ein Elternteil zu sehr vorpresche. Im Fall von Uzun scheint sich der Vater irgendwann zurückgehalten zu haben. Sonst würde sein Sohn heute nicht da sein, wo er ist, sagt Pschiebl.
Für ihn heißt es ab Ende Juli wieder: Kreisliga statt Bundesliga. Nach einer Runde in der Bezirksliga, in die der FV Helmstadt in Dirk Pschiebls erstem Jahr dort als Meister aufgestiegen war, startet die Mannschaft in dieser Saison wieder in der Kreisliga: "Solange du Freude daran hast, was du machst, ist es egal, auf welcher Ebene das stattfindet", sagt der Trainer. "Trotzdem ist es immer das Ziel, das Bestmögliche rauszuholen."