Erst wenige Monate ist es her, dass der Bayerische Fußball-Verband (BFV) einen Entschluss gefasst hat, dessen Konsequenzen schon jetzt spürbar sind, zur kommenden Saison aber noch viel drastischer werden könnten. Es geht um die Anzahl der Spieler, die innerhalb eines Vereins für zwei verschiedene Mannschaften auflaufen dürfen.
Die alte Regelung erlaubte es einer ersten Mannschaft, bis zu drei Startelfspieler sowie bis zu drei Akteure, die nach der Halbzeit eingewechselt wurden, für die 2. Mannschaft abzustellen. In Pandemie-Zeiten waren es sogar fünf Einwechselspieler. Seit dem Sommer gestaltet sich das ein wenig anders: Nach der Änderung des Paragrafen 34 der Spielordnung darf nur noch ein Startelfspieler abgestellt werden, zusätzlich dazu fünf, die nach der Pause ins Spiel kommen.
TSV Sulzfeld während der Urlaubszeit hart von neuer Regelung getroffen
"Es war vor allem im August in der Urlaubszeit wirklich grenzwertig", moniert Benjamin Krumpholz, Abteilungsleiter Fußball beim TSV Sulzfeld im Landkreis Kitzingen, in dessen Verein es sogar drei aktive Mannschaften gibt. "Da trifft uns die Regel natürlich doppelt hart." Er rechnet vor: "Wir sind ein eigenständiger Verein und keine Spielgemeinschaft. Das heißt, wir brauchen – wenn man pro Mannschaft von einem 14-Mann-Kader ausgeht – jedes Wochenende um die 40 Spieler."
In der Vergangenheit sei es völlig klar gewesen, dass die drei Ersatzspieler der zweiten Mannschaft vorher in der dritten Mannschaft spielen. Das geht nun so nicht mehr. Einer der drei Kicker darf aushelfen, die anderen beiden wären bei einem Startelf-Einsatz in der Dritten für 14 Tage dort und in der Zweiten gesperrt. Heißt: Vom 14-Mann-Kader der zweiten Mannschaft blieben nur zwölf spielberechtigte Akteure übrig. Identisch verhält es sich, wenn Spieler aus der ersten Mannschaft an die Zweite "ausgeliehen" werden.
BFV spricht von Protesten vieler kleinerer Vereine
Vor ähnlichen Problemen steht auch die SG Salz/Mühlbach aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld, die mit jeweils einer Mannschaft in der Kreisklasse, der A-Klasse und der B-Klasse am Spielbetrieb teilnimmt. "Ich kann nicht immer so aufstellen, wie ich das vielleicht gerne machen würde", sagt Oliver Stumpf, Spielertrainer der ersten Mannschaft. "Es gibt Jungs, die im Training richtig Gas gegeben haben und die ich als Belohnung gerne mal in die Startelf stellen würde. Das geht aber nicht, da sie sonst gleich bei den nächsten beiden Spielen der zweiten Mannschaft nicht mehr spielen dürfen. Also muss ich sie vertrösten und darf sie erst in der zweiten Halbzeit einwechseln."
Den Entschluss zur Regeländerung habe der BFV mit Hinsicht auf eine mögliche Wettbewerbsverzerrung gefasst, sagt Verbands-Spielleiter Josef Janker: "Ja, es gab Beschwerden – wie immer spielt die eigene Betroffenheit eine große Rolle bei der Bewertung. Wir als Verband aber müssen alle Interessen auf den größtmöglichen Nenner bringen."
Noch heute höre er auf die Frage nach Gerechtigkeit in Gesprächen mit Vereinsvertretern oft ein Nein. Es könne nicht sein, "dass fast eine komplette Mannschaft von der ersten Mannschaft in der Zweiten spielen kann", heiße es dann. "Es sind vor allem die kleineren Vereine, die hauptsächlich noch alleine und in den unteren Klassen spielen, die Protest angemeldet haben, weil es aus ihrer Sicht eine Benachteiligung ist", führt Janker aus.
Oliver Stumpf kann diese Argumentation nicht verstehen. "Mit der alten 3+3-Regelung konnte ich mich sehr gut anfreunden." Zudem habe es bereits eine Zusatzregelung gegeben, die es verhinderte, dass zweite Mannschaften in Relegationsspielen ihr Team zu sehr verstärken konnten. "Ich war vor einigen Wochen bei einem Trainerlehrgang in Oberhaching. Dort haben wir vier Stunden über die neue Regel gesprochen, und es gab niemanden, der sie befürwortete. Egal, ob die Trainer aus Franken, Schwaben oder Oberbayern kamen."
Das Problem vieler Klubs, so erklärt es derweil Krumpholz, entstehe gar nicht mal am Spieltag selbst, sondern erst am Folgespieltag. "Die eigentliche Krux ist, dass die Spieler 14 Tage geblockt sind." Zwar höre es sich vielleicht blöd an, für den Klub sei es aber extrem wichtig: "Wir haben einen im Verein, der sich sehr gut mit Excel auskennt. Der hat eine Excel-Tabelle angelegt, um zu schauen, welcher Spieler in welcher Mannschaft spielen darf. Da ging es irgendwann nicht mehr darum, wer vielleicht besser ist als ein anderer."
Der FC Haßfurt begann mit neun Spielern, stockte erst nach der Pause auf
Auch ohne Excel hatte Kreisligist FC Haßfurt dieses Problem erkannt und entsprechend reagieren müssen. Im Heimspiel gegen den TSV Knetzgau/Oberschwappach (0:2) mussten die Gastgeber verletzungsbedingt zeitweise mit nur neun Spielern agieren, weil die Bank ausschließlich mit Kickern des SG-Partners TSV Wonfurt besetzt war. Und die durften, um nicht für ihren Stammverein gesperrt zu werden, erst nach der Pause eingesetzt werden.
Markus Muth, Trainer des Rhöner A-Klassisten SG Unsleben/Wollbach II, zeigt sich nach knapp der Hälfte der Saison genervt. "Statt mich um wichtigere Dinge kümmern und nach Leistung aufstellen zu können, muss ich vor jedem Wochenende schauen, welche Spieler überhaupt spielberechtigt sind. Bleibt diese Regel dauerhaft bestehen, werde ich als Trainer wohl aufhören."
Regeländerung sorgt für Frust bei der SG Unsleben/Wollbach II
Verärgert zeigt er sich vor allem darüber, dass die Spieler nach einem Einsatz in der ersten Mannschaft gleich 14 Tage gesperrt sind und gibt ein Beispiel. "Vor einigen Wochen gab es mehrere Corona-Fälle innerhalb der ersten Mannschaft. Also mussten einige Spieler der Zweiten oben aushelfen. Zwei Wochen später waren die erkrankten Spieler wieder fit, zudem gab es Urlaubsrückkehrer."
Es hätten nun eigentlich wieder genügend Spieler für beide Teams zur Verfügung gestanden, doch die Spieler der zweiten Mannschaft seien oben festgespielt gewesen. "Die Urlaubsrückkehrer und die Genesenen hätten dann eigentlich in der zweiten Mannschaft spielen müssen", folgert Muth. Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, dass die zweite Mannschaft deutlich stärker besetzt gewesen wäre als sonst. "Das ist aber ja auch nicht Sinn der Sache. Schließlich sollen in der ersten Mannschaft auch die besten Spieler auflaufen."
Daher wurden in diesem Zeitraum mehrere Spiele der SG Unsleben/Wollbach II verlegt. Muth zeigt sich dankbar, "dass die SG Burgwallbach/Leutershausen und der FC Ober-/Mittelstreu einer Verlegung sofort zugestimmt haben". Ansonsten hätten diese Partien am Grünen Tisch entschieden werden müssen, was obendrein eine Geldstrafe zur Folge gehabt hätte.
Verbands-Spielleiter Janker gibt zu, dass die Vereine nun mehr aufpassen und die Trainer deutlich mehr planen müssen, weil sie die Spieler "nicht mehr einfach so aufs Geratewohl" einsetzen können. "Aber es dürfen ja genauso fünf in der zweiten Halbzeit eingewechselt werden, ohne jegliche Beschränkungen. Es gibt immer ein Für und ein Wider und es gibt immer Themen, die anstößig sind, wie auch immer man es macht. Es gibt nicht die eine Lösung, die alle glücklich macht", sagt er.
Krumpholz stört sich nicht nur an der Regel selbst, sondern auch daran, wie sie kommuniziert wurde. "Durch die Regel ist unser Plan komplett über den Haufen geschmissen worden, weil die Regel erst im Mai oder Juni kam", sagt er. "Jeder Verein hat da seine Planungen schon fast abgeschlossen. Und was die Mannschaftsmeldung angeht, da bist du eigentlich schon im Winter dabei." Auch der TSV habe seine Mannschaften schon im Winter geplant. Mit der Prämisse, alle drei Mannschaften halten zu können. "Aber schon da war uns klar, dass wir echt rochieren müssen", sagt Krumpholz. Und das bereits ohne die Regeländerung.
Krumpholz stellt Außendarstellung des BFV in Frage
"Diese Regelung hat der Verbandstag am 25. Juni beschlossen. Und anschließend – das war Aufgabe der Spielleiter – wurde sie auch direkt an die Mannschaften weitergegeben", sagt Janker dazu. "Inwieweit das in welchem zeitlichen Korridor an die Vereine weitergeben worden ist, weiß ich nicht pauschal zu beantworten."
Außendarstellung und Regeländerung des BFV gehen für Krumpholz nicht zusammen. Es gehe um absoluten Amateursport, die Ligen ganz unten, sagt er. "In jeder Schlagzeile heißt es vom BFV, er tue etwas, dass die Vereine und die zweiten Mannschaften nicht aussterben. Und dazu passt so eine Regel einfach nicht." Selbst wenn er die Wahl hätte, in der Relegation "eine gewisse Wettbewerbsverzerrung zuzulassen" oder "mir die Vereine sterben": "Dann sollte die Entscheidung doch eindeutig gegen Letzteres ausfallen."
Oliver Stumpf blickt ebenfalls pessimistisch in die Zukunft. "Wir konnten in dieser Saison aufgrund der neuen Regel mit der dritten Mannschaft bereits einmal nicht zu einem Spiel antreten und mussten mehrmals Neun gegen Neun spielen. Eine andere Partie haben wir in der Schlussphase in Führung liegend hergeschenkt, weil wir einen nicht spielberechtigten Akteur dabei hatten." In der kommenden Saison werde man daher die dritte Mannschaft wohl abmelden müssen. Mit der Konsequenz, dass in ohnehin schwierigen Zeiten einige Spieler auf der Strecke bleiben würden.
Serie: Fußball im Wandel
Demographische Veränderungen, Klimawandel, Energiekrise, Corona, Digitalisierung oder neues Freizeitverhalten der Menschen: Die gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen in einer digitalisierten Welt betreffen auch den Fußball. Die Veränderungen beleuchtet diese Redaktion in der Serie „Fußball im Wandel“, die in loser Folge erscheint. Alle bislang veröffentlichten Beiträge finden Sie unter: www.mainpost.de/dossier/fussball-im-wandel/
Der einst ruhmreiche FC Haßfurt hat ganz andere Probleme die nicht erkannt wurden. Die 5+1 Regel ist nicht schuld an deren Genickbrich sondern u.a. die fehlende Jugendarbeit und das in einer Kreisstadt in der Potential vorhanden wäre. Das klappt in jedem 200 Einwohner Dorf besser. Die Altvorderen würden im Grab rotieren wenn sie wüssten wohin sich der FC manövriert hat. Die Jugend ist die Zukunft. Der FC Haßfurt hat keine mehr. Der Zug ist abgefahren.