Man kann Trainer Ralf Santelli glauben, wenn er die Rotation in der Aufstellung vor dem 2:1-Sieg gegen Hannover 96 mit der Belastungssteuerung in der Englischen Woche begründet. Man kann für sich selbst denken, dass nun, wo der Abstieg der Würzburger Kickers aus der Zweiten Fußball-Bundesliga nahezu festzustehen scheint, das künftige Drittliga-Personal eben noch etwas Spielzeit in der Schlussphase dieser Runde sammeln darf. Sei es, wie es will: Für den fünften Saisonsieg der Rothosen sorgten am Donnerstagabend in der HDI-Arena vor allem die unbeschwert aufspielenden Reservisten der Kickers.
Auf dem Zettel mit den Mannschaftsaufstellungen suchte man auf Würzburger Seite vergeblich nach den Namen Nzuzi Toko oder Stefan Maierhofer. Martin Hasek saß über 90 Minuten auf der Bank, genauso wie Douglas oder Christian Strohdiek. Maierhofer, am vergangenen Wochenende noch als Videoanalyst akkreditiert nach Sandhausen gereist, soll da sogar noch in der Halbzeitpause in der Kabine erschienen sein, um seinen Mannschaftskollegen Mut zuzusprechen. In Hannover brauchte es das offenbar nicht. "Es war laut, und wir haben uns gegenseitig gepusht", beschrieb Tobias Kraulich Santellis Halbzeitansprache - auch ohne den Österreicher. Der bespielte stattdessen seinen Instagram-Kanal mit einem Foto seines Abendessens und sendete am Freitagmorgen sonnige Grüße aus Würzburg an seine virtuelle Gefolgschaft.
Auch Kraulich steht sinnbildlich für die Kickers unter ihrem inzwischen vierten Chefcoach. Zwei Partien in Folge hat der 22-Jährige nun durchgespielt, zuvor gab es - abgesehen von den Spielen in Darmstadt und Aue - meist nur Kurzeinsätze für den Innenverteidiger. "Das war ein sehr gutes Spiel von uns", sagte er. Damit hatte er auch in Bezug auf seine eigene Leistung Recht, abgesehen vom verlorenen Zweikampf gegen Hannovers Hendrik Weydandt vor dem 1:0 durch Genki Haraguchi (47.) lieferte der Abwehrmann eine souveräne Partie ab. "Ich glaube, dass wir unsere Fans vor dem Fernseher mit dem Spiel auch ein bisschen beglücken konnten, nach dem sehr schlechten Auftritt gegen Sandhausen."
Ronstadts "Zauberball" zum 1:1
Noch präsenter als der Ex-Nürnberger, der mit Lars Dietz einen weiteren in Hannover gut spielenden und unter dem ehemaligen Trainer Bernhard Trares aussortierten Reservisten neben sich hatte, war Frank Ronstadt. Der 23-Jährige ersetzt seit inzwischen drei Begegnungen den bis zu diesem Spiel verletzten Arne Feick und machte schon vor seinem Tor zum 1:1 ein gutes Spiel. Dass der Ausgleich, der gleichzeitig Ronstadts Premierentor in Liga zwei war, auch noch einer allererster Güte war - der Rechtsfuß zirkelte einen Freistoß um die Mauer herum ins rechte obere Toreck, was Santelli dazu veranlasste, den Begriff "Zauberball" zu wählen - zeigt, dass sich in den Köpfen der Rothosen etwas getan hat.
"Wir hatten heute sehr gute Freistoßgelegenheiten. Dann habe ich gesagt, dass ich mir den nächsten auf jeden Fall mal nehme", sagte Ronstadt. "Dass er dann so reingeht, das freut mich umso mehr." Der Verteidiger klang vor dem Mikrofon im Nachgang der Partie einfach wie einer, der Bock hat, zu kicken. Und weil der Ball hinter 96-Keeper Michael Esser im Netz landete, hielt Ronstadt auch sicherlich das scherzhafte Feixen seines Vorredners Kraulich aus: "Franky haut manchmal so Dinger raus. Jeder fünfte, sechste Ball kommt halt so. Ich glaube, Sie können sich vorstellen, wo die anderen Schüsse hingehen."