
Im kommenden Jahr feiert die Rhönradabteilung der TG Würzburg, die damit die älteste der Welt ist, ihr 95-jähriges Bestehen. Bereits im Vorgriff auf die dann anstehenden Feierlichkeiten richtet die TGW an diesem Samstag, 24. September, die 30. süddeutschen Meisterschaften in der Feggrube aus, bei der herausragende Turnerinnen und Turner bis hin zu amtierenden Weltmeistern um die Qualifikation zu den deutschen Meisterschaften in Bielefeld wetteifern.
Prägendes Gesicht der Abteilung
Dass die Geschichte des Rhönradsportes untrennbar mit Würzburg verbunden ist, liege daran, dass dessen Erfinder, Otto Feick, der das Sportgerät von Schönau an der Brend aus im Jahr 1925 als Patent anmeldete, in der Domstadt bereits früh auf begeisterte Anhänger gestoßen sei, berichtet Brigitte Faber. Sie, selbst dreifache deutsche Meisterin, ist seit 1961 im Verein und noch heute als Trainerin ein prägendes Gesicht der Abteilung.
"Feick hat damals etliche Turnerinnen und Turner aus Würzburg in seiner sogenannten Musterriege um sich geschart, mit denen er durch die ganze Welt gereist ist, um seine Erfindung zu präsentieren", weiß sie nicht aufgrund alter Fotos der Rhönradpioniere vor der New Yorker Skyline oder einer Stierkampfarena im spanischen Valencia zu berichten, sondern auch aus Erzählungen ihres Vaters Otto Faber. Dieser belebte nach dem Zweiten Weltkrieg die bereits 1928 unter Felix Gärtner gegründete Rhönradabteilung der TGW auf dem ehemaligen Gelände an der Schießhausstraße neu und formte auch die erste Leistungsriege des Vereins. "Damals war die Konkurrenz groß. Es gab alleine in Würzburg sieben bis acht Vereine mit einer eigenen Rhönradabteilung."

So verwundert es nicht, dass die unterfränkische Hochburg bereits vor dem Krieg im Jahr 1936 Austragungsort der Ersten Deutschen Rhönradspiele mit alleine über 50 Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus Würzburg selbst war.
"Damals", berichtet die pensionierte Lehrerin, für die als Vierjährige ein spezielles Rad angeschafft wurde, "war Rhönrad noch kein Hallensport. Die Räder waren noch nicht beschichtet, und trainiert wurde auf dem alten Rollschuhplatz an der Löwenbrücke auf aneinander genagelten Bodendielen."
In die Halle ging es für sie, deren Schwester Anneliese sogar sechsmal die deutsche Meisterschaft gewann, erst im Jahr 1973. "Und dann noch mal während der Corona-Zeit, als wir nicht in der Halle trainieren durften. Da haben wir ein paar Trainingseinheiten auf dem Hartplatz in der Feggrube absolviert. Da konnten die heutigen Turnerinnen ein bisschen das Gefühl entwickeln, wie es damals war", erinnert sie sich schmunzelnd.
Der Trend geht zur Akrobatik
Claudia Renz, heute stellvertretende Abteilungsleiterin und ehemals mehrfache deutsche Meisterin und sogar erste Weltmeisterin im Geradeturnen zur Musik, hat das selbst nicht mehr miterlebt. Sie begann 1981 mit dem Sport und ist ihm bis heute intensiv verbunden. "Das Niveau ist seitdem sehr gestiegen. Es geht immer mehr in Richtung Kunstturnen mit zum Beispiel Handständen in oder auf dem Rad und akrobatischen Reckelementen, was den Sport sehr trainingsintensiv macht", so Renz, die zu ihrer aktiven Zeit bis zu viermal die Woche trainierte, was heutzutage zwingend notwendig sei, um nationales oder gar internationales Spitzenniveau zu erreichen.
Gerade international tue sich aktuell sehr viel, was heuer auch bei der Weltmeisterschaft in Dänemark zu beobachten gewesen sei, wo Athleten und Athletinnen zum Beispiel aus Japan oder Ecuador antraten. "In Belgien wird der Rhönradsport mit hauptamtlichen Trainern staatlich gefördert und auch aus Österreich und der Schweiz werden zum Beispiel deutsche Trainer abgeworben", blickt Faber mit Sorge auf die Entwicklung in Deutschland.

Und Renz pflichtet ihr bei: "Das Rhönrad hat insgesamt und auch innerhalb des Deutschen Turnerbundes eine schlechte Lobby. Da fließt die gesamte Förderung in die olympischen Sportarten." Dass das Rhönrad es nie zu olympischen Weihen gebracht hat, liegt sicherlich auch daran, dass es von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken vereinnahmt und daher nach dem Krieg den Ruf des "Nazisports" hatte.
Dennoch gelingt es den Verantwortlichen um die Trainer Rainer Brauner und Faber sowie die Abteilungsleitung Brigitte Brauner und Renz, allesamt Träger der Bronzene Athene der Stadt Würzburg für besondere Leistungen im Sport, immer wieder herausragende Talente zu formen. Mit Carina Weisenberger und Linda Sichel gehen zwei von ihnen bei den süddeutschen Meisterschaften an den Start.
Vier Vertreterinnen der TG Würzburg am Start
Beide sind auch bereits in der Nachwuchsförderung aktiv, denn an Talenten mangelt es der TGW nicht, wie in der Pause zwischen dem Einzel (11 bis 14.40 Uhr) und der Siegerehrung (15 Uhr) zu sehen sein wird, wenn sich der Nachwuchs bei einem eigens einstudierten Schauturnen zeigen wird. Im Anschluss finden dann von 17.15 Uhr bis 20.40 Uhr die süddeutschen Mannschaftsmeisterschaften statt, bei denen die TGW mit Weisenberger, Sichel, Carolin Scheitl und Julie Kocot ebenfalls an den Start geht.
Für das Jubiläum im kommenden Jahr laufen hinter den Kulissen Überlegungen, sich entweder für die Ausrichtung eines nationalen Wettkampfes zu bewerben, oder eine Sportgala wie zum Beispiel im Jahr 2004 zu inszenieren. In jedem Fall wird die Rhönrad-Abteilung der TGW auch in ihrem 95. Jahr für großen Sport in Würzburg sorgen.