
Früher saß Laurin Heinrich zusammen mit seinem Vater Harald selbst auf der Steintribüne am Norisring. Auch an diesem Wochenende ist die Kürnacher Familie wieder bei den Rennen auf dem traditionsreichen Stadtkurs in Nürnberg dabei. Der Unterschied zu früher: Laurin Heinrich schaut nicht mehr nur zu, er sitzt für das KÜS Team Bernhard seit dieser Saison im Cockpit eines Porsche 911 GT3 R.
Wie es dazu kam, ist eine Geschichte von Zufällen. Von etwas Glück. Und natürlich von Talent. Vor allem aber geht es darum, ein Ziel trotz aller Rückschläge nicht aus den Augen zu verlieren.
Wie viele an Motorsport interessierte Kinder und Jugendliche drehte auch Laurin anfangs seine Runden im Kart. Die Formel 4 sollte der nächste Schritt seiner Karriere sein, doch das Vater-Sohn-Team war schlicht zu klein und unerfahren, um gegen Mick Schumacher oder Enzo Fittipaldi, der eine Sohn und der andere Enkel eines früheren Formel-1-Weltmeisters, mitzuhalten. Laurin Heinrich fuhr hinterher und vor den letzten beiden Rennen stieg das Team aus. Denn das Budget war aufgebraucht.
Nach einem holprigen Start folgt für Laurin Heinrich ein steiler Aufstieg
"Der Veranstalter wollte uns gar nicht reinlassen, als wir mit Anhänger und Pavillon vorgefahren sind", erinnert sich Laurin Heinrich. Von dieser Erfahrung als 15-Jähriger zehrt er bis heute, wenn er am Norisring im klimatisierten Trailer sitzt und über seinen holprigen Start spricht: "Das war eine harte Schule. Für mich war das damals ein Ende. Ich wusste ja nicht, dass es weitergehen würde. Umso mehr weiß ich das alles hier sehr zu schätzen." Was er damals lernte: nie aufgeben, nie verzagen, nie den Fokus verlieren.

Anstatt weiterhin von einer Motorsport-Karriere zu träumen ("Das war so weit entfernt, ich wollte mich nicht selbst enttäuschen."), machte er erst mal sein Abitur am Riemenschneider-Gymnasium in Würzburg. SimRacing-Wettbewerbe seien für ihn in dieser Zeit "ein Ersatz" gewesen: eine virtuelle Simulation des Rennsports unter nahezu realistischen Bedingungen. "Es wird nie den echten Motorsport ersetzen können, aber es ist eine sehr, sehr gute Ergänzung und kann dabei helfen, irgendwann in ein echtes Rennauto einsteigen zu können."
Als die Heinrichs "mit viel Glück" einen Unterstützer fanden, der ihnen einen Porsche zur Verfügung stellte, konnte Laurin am Porsche Sports Cup, einer Amateurrennserie, teilnehmen, was dem Nachwuchsfahrer den Weg in die Markenpokale des Sportwagenherstellers ebnete. Im vergangenen Jahr wählte ihn Porsche für sein Ausbildungsprogramm als "Porsche Junior" aus. In diesem Jahr beförderte ihn das Unternehmen zum Vertragsfahrer und platzierte ihn gleich in der DTM. "Das war für mich ein großer Schritt", sagt Laurin Heinrich. Andere sagen: Sie erkennen dort sein Talent.
Hitzeschlachten und ein tumultreiches erstes Rennen auf dem Norisring
Ob es für ihn nach diesem Jahr in der DTM oder einer anderen Rennserie weitergeht, daran möchte er aktuell nicht denken: "Ich konzentriere mich lieber auf das, was ich beeinflussen kann." Die Rennen beispielsweise. Seinen ersten DTM-Lauf auf dem Norisring dürfte der 21-Jährige – nicht nur der eigenen Premiere wegen – daher nicht so schnell vergessen: "Das war ein tumultreiches Rennen."

Flirrende Hitze, flimmernder Asphalt. Die beiden Läufe auf dem Norisring waren bei mehr als 30 Grad Luft- und bis zu 40 Grad Bodentemperatur eine Hitzeschlacht für Mensch und Material. Auf dem engen Stadtkurs rund um die Steintribüne mit seiner langen Geraden, auf dem die Boliden Geschwindigkeiten über 250 Stundenkilometer aufnehmen, war, der Charakteristik dieser offiziell nun 2,162 Kilometer langen Strecke entsprechend, viel geboten. "Die Strecke mit vier Kurven ist nicht die schwierigste, aber der Teufel steckt im Detail", findet Heinrich, der sich selbst als "detailversessen" beschreibt.
Reifenschaden in der ersten Runde wirft Heinrich auf den letzten Platz zurück
Nachdem er im Training die Plätze acht und fünf belegt hatte, startete er von Platz zwölf ("Ich wusste, dass von dort aus viel passieren kann.") ins erste Rennen, aber hatte Pech mit einer Kollision: Ein Konkurrent erwischte den Kürnacher in der ersten Kurve am linken Hinterrad, was seinen Reifen platzen ließ. Weil er den platten Reifen an der Box wechseln lassen musste, fuhr er als Letzter hinterher.

Jedoch konnte er es vermeiden, gleich anfangs überrundet zu werden: "Dank eines super Boxenstopps meines Teams bin ich weiterhin in der Führungsrunde geblieben." Mit zwei Safety-Car-Phasen kam Heinrich wieder ans Feld heran und holte von hinten auf, sodass er nach 60 Minuten und einer Runde als Zehnter die Zielflagge sah. Entsprechend zufrieden bewertete er sein erstes Rennen: "Ich habe mich in die Top Ten vorgekämpft und wertvolle Punkte mitgenommen."
Laurin Heinrich holt auf und fährt am Ende die schnellste Runde des Rennens
Auch Vater Harald, der mit 20 Gästen, darunter Kürnachs Bürgermeister René Wohlfart, an die Strecke gekommen war, durfte seinem Sohn später auf die Schulter klopfen. "Was er aus diesem Rennen noch gemacht hat, war mega-gut. Ich traue mich gar nicht zu sagen, was ihm alles hätte gelingen können, wenn das am Anfang nicht passiert wäre." Was möglich gewesen wäre, deutete Laurin Heinrich am Ende des Rennens selbst an, als er mit 49,492 Sekunden die schnellste Runde fuhr.
Daran knüpfte der DTM-Youngster am Sonntag im Qualifying für das zweite Rennen an. Er fuhr die zweitschnellste Zeit seiner Gruppe und startete als Vierter aus zweiter Reihe ins Rennen. Zwar verlor er gleich nach dem Start des wegen einer gefährlichen Protestaktion der "Letzten Generation" um 15 Minuten verzögerten Rennens einige Plätze ("Da war ich etwas zu vorsichtig") und beendete das Rennen als Siebter: "Ich habe die Funkverbindung zum Team verloren und musste bei der Strategie ein paar Kompromisse eingehen. Ich hatte mir mehr erhofft."
In vier Wochen, Anfang August, geht es für Laurin Heinrich in der DTM weiter in der Eifel auf dem Nürburgring. "Für jedes Wochenende, an dem ich mal zu Hause bin, bin ich dankbar. Ich bin schon sehr viel unterwegs, aber ich habe es mir so ausgesucht und genieße das auch."

DTM Norisring, Ergebnis, Rennen 1:
1. S. van der Linde (BMW, Schubert),
2. Rast (BMW, Schubert) +1,520 Sek.,
3. Olsen (Porsche, Manthey) +2,547,
4. Auer (Mercedes, Winward) +4,142,
5. Güven (Porsche, Bernhard) +5,042,
6. Bortolotti (Lamborghini, SSR) +7,657,
7. Engel (Mercedes, Landgraf) +8,347,
8. Feller (Audi, Abt Sportsline) +11,979,
9. Wittmann (BMW, Projekt 1) +12,849,
10. Heinrich (Porsche, Bernhard) + 13,251.
DTM Norisring, Ergebnis, Rennen 2:
1. Preining (Porsche, Manthey),
2. Rast (BMW, Schubert) +2,181 Sek.,
3. S. v. d. Linde (BMW, Schubert) +2,612,
4. Bortolotti (Lamborghini, SSR) +3,453,
5. K. v. d. Linde (Audi, Abt) +3,852,
6. Olsen (Porsche, Manthey) +5,063,
7. Heinrich (Porsche, Bernhard) +5,635,
8. Güven (Porsche, Bernhard) +8,046,
9. Engel (Mercedes, Landgraf) +10,389,
10. Stolz (Mercedes, HRT) +15,827.
DTM Wertung (nach 6 von 16 Rennen):
1. Preining (Porsche, Manthey) 88 Pkt.,
2. S. v. d. Linde (BMW, Schubert) 78,
3. Feller (Audi, Abt) 61,
4. Engel (Mercedes, Landgraf) 61,
5. Perera (Lamborghini, SSR) 60,
6. Bortolotti (Lamborghini, SSR) 60,
7. Rast (BMW, Schubert) 54,
8. Olsen (Porsche, Manthey) 52,
9. Heinemann (Porsche, Toksport) 42,
15. Heinrich (Porsche, Bernhard) 31.
Und wer ist denn „sie“?
Super Leistung von Laurin und Team am Wochenende - weiter so!
Die Rennen werden übrigens auf Pro7 übertragen, das Nächste ist am 05. August.