
Eines steht fest: Vom Schicksal geküsst sind die Würzburger Kickers in diesem Jahr 2024 bislang nicht. Am 2. Juni scheiterten sie im Elfmeterschießen der Aufstiegsspiele gegen Hannover 96 II denkbar knapp am Sprung in die 3. Liga. Am Freitagabend war es wieder ein einziger Fehlschuss im Elfmeterschießen, der eine DFB-Pokal-Sensation gegen Erstligist TSG Hoffenheim verhinderte. 5:7 (1:1, 2:2) hieß es am Ende nach Addition der Treffer aus regulärer Spielzeit, Verlängerung und Elfmeterschießen. Ein Spiel, das in seiner Dramatik an das bislang letzte Pokal-Aufeinandertreffen im Jahr 2019 erinnerte, als die Kickers ebenso erst im Elfmeterschießen verloren hatten.

Einzig Kickers-Dauerbrenner Dominik Meisel, der gegen Hoffenheim die Kapitänsbinde getragen hatte, scheiterte mit seinem Versuch bei der Entscheidung vom Punkt. So wurde Hoffenheims Torwartdebütant Luca Philipp, der beim ersten Treffer von Enes Küc (11.) noch mit einem kapitalen Fehler assistiert hatte, doch noch zu einem Helden des Abends. Aber das war ja nur die Hoffenheimer Sicht der Dinge. Dass Küc erst kurz vor Spielbeginn für Theo Harz ins Team gerückt war, weil der sich einen Magen-Darm-Infekt eingefangen hatte und sich plötzlich übergeben musste, gehört zu den Würzburger Erzählungen vom Freitagabend.
Wo also anfangen, beim Rückblick auf dieses Spiel, das Geschichten noch und nöcher bot. Vielleicht ganz am Ende, als die Emotionen von der großen Welle der 9511 abwandernden Zuschauerinnen und Zuschauer schon wieder aus dem Stadion gespült worden waren. Draußen lag die Finsternis über dem Dallenberg. Drinnen im schmucklosen Presseraum saß Trainer Markus Zschiesche und schwankte hin und her in seinen Gefühlen. "Wir lassen uns jetzt gerne auf die Schulter klopfen", sagte er: "Ich habe vor dem Elfmeterschießen den Jungs gesagt: Lasst mich in der PK nicht sagen müssen: Wir waren gut, aber wir sind raus! So ist es jetzt leider gekommen."

Keine Frage, "so ein richtiger Punch", wie ihn Zschiesche mit einer Anleihe aus der Boxersprache nannte, ein mit 418.906 Euro Preisgeld belohntes Weiterkommen, hätte den Kickers für die laufende Regionalliga-Saison vielleicht noch mehr Rückenwind gegeben. Aber auch so dürften nach dieser bärenstarken Leistung, dem vollauf verdienten 2:2 nach 120 Minuten gegen einen Europa-League-Teilnehmer, das Selbstvertrauen und die Zuversicht in der Mannschaft, aber auch im gesamten Umfeld, deutlich gewachsen sein. "Wenn wir das in der Art und Weise in jedem Spiel abrufen können, werden wir schwer zu schlagen sein", glaubt Zschiesche und hat damit wohl recht.

Gründe für den Optimismus lieferte sein Team am Freitag genug. Man darf ja nicht vergessen: Mit Linksverteidiger Peter Kurzweg sowie den Innenverteidigern Daniel Hägele, Noah Awassi und Elija Härtl fehlten genau jene Akteure, die eigentlich Säulen in der Kickers-Abwehr sein sollten. Und jetzt agierte der erst wenige Tage zuvor verpflichtete Ebrahim Farahnak schon so, als sei er bereits seit Wochen mit seinen Nebenleuten eingespielt. Einzig das arg unglückliche Gegentor zum 1:1 (19.) trübte ein kleines bisschen sein gutes Debüt.

Daneben zeigte Tim Kraus einmal mehr, dass er als gelernter Mittelfeldspieler mit seiner großen Spielintelligenz in der Abwehrzentrale womöglich seine neue Bestimmung gefunden hat. Die Hoffenheimer arbeiteten sich am Würzburger Bollwerk ab und fanden nur wenige Lücken.
Johann Hipper präsentiert sich als echte Nummer eins
Und dann war da noch Torhüter Johann Hipper, der durch die offizielle Beförderung zum Torwart Nummer eins offenbar zusätzliche Sicherheit gewonnen hat. Wie er durch intelligentes Mitspielen und furchtloses Herauslaufen viele Gäste-Chancen bereits im Ansatz verhinderte, machte mächtig Eindruck. Hipper wurde dann auch hochoffiziell zum "Man of the Match" gekürt. Trotzdem standen ihm am Ende die Tränen der Enttäuschung in den Augen. Zschiesche lobte hernach, wohl ganz bewusst, den neuen Torhüter Nummer zwei, Vincent Friedsam, der sich als echter Mannschaftsspieler präsentiere, und dem Kollegen in der Pause sofort Ratschläge gegeben habe. Im bayerischen Toto-Pokal-Wettbewerb am Dienstag gegen Regionalliga-Kontrahent Aschaffenburg wird Friedsam wieder Einsatzzeit bekommen, kündigte der Kickers-Coach an.

Wirklich besonders machte die Kickers-Leistung am Freitagabend aber, dass die Würzburger nicht etwa stur am eigenen Strafraum verteidigten und auf Konter hofften, sondern auch immer wieder Nadelstiche in der gegnerischen Hälfte setzten. Zschiesche hatte in seiner Startelf gegen den Erstligisten statt auf den zweitligaerfahrenen Sturm-Routinier Benjamin Girth auf den 20-jährigen Alem Japaur als Mittelstürmer gesetzt, weil dieser "in der Arbeit gegen den Ball besser ist". Und Japaur rechtfertigte das Vertrauen mit unbändigem Kampfgeist. Kaum ein Kopfballduell gab er verloren. Die Kickers piesackten Hoffenheim so richtig.
Zschiesche findet Atmosphäre "unglaublich schön"
Beide Würzburger Tore resultierten letztlich daraus, dass die Kickers den Erstligisten schon früh im Spielaufbau attackierten. Auch Moritz Hannemann kam vor seinem vom zwischenzeitlichen 2:1 gekrönten Sololauf (100.) so an den Ball. "Überrascht", erzählte der Torschütze, der in allen drei Kickers-Spielen dieser Saison am Dallenberg getroffen hat, sei er von der Leistung am Freitagabend nicht gewesen.
Dass Hannemanns Sololeistung am Ende von Hoffenheims Marius Bülter mit dessen zirkusreifem Lupfertrick vor dem 2:2 (107.) überboten worden war, zeigte letztlich dann doch die Klasse, die im Hoffenheimer Team trotz aller Probleme steckt. Am Ende war das Schicksal eben wieder nicht auf der Seite der Kickers. Dafür freilich nach Schlusspfiff viele Sympathien. "Unglaublich schön", fand Zschiesche die Atmosphäre im Stadion: "Wir wollten den Leuten zeigen: Wir können etwas." Das, so konnten sich er und seine Schützlinge trösten, war gelungen.