
Wer dachte, die desaströse Leistung der Würzburger Kickers beim 0:3 (0:0) gegen den FC Augsburg II hätte sofort Konsequenzen, hat sich getäuscht. Auch in der kommenden Woche wird Martin Lanig das Training beim Fußball-Regionalligisten leiten, obwohl am Samstag auf den Rängen die "Trainer raus"-Rufe nicht zu überhören waren. Die Zweifel daran, ob der aktuelle Cheftrainer der richtige Mann ist, um in der kommenden Saison ein neues Kickers-Team zusammenzustellen, sind aber gewachsen – auch bei den Entscheidungsträgern am Dallenberg. Das Auftreten am Samstag hatte auch dem Vorstandsvorsitzenden André Herber gehörig die Geburtstagsstimmung verdorben. In den kommenden beiden Wochen werden, so ist zu hören, wegweisende Entscheidungen anstehen.
Letztlich war die Niederlage, die in ihrer Wucht an das 0:4 gegen Bayreuth und das Aus von Ex-Trainer Markus Zschiesche erinnerte, aber nur der Höhepunkt einer Entwicklung, die sich seit der Winterpause so abgezeichnet hatte. Die Kickers haben derzeit so einige Probleme:

1. Die Form
Man kann mit Fug und Recht die Kaderzusammenstellung im vergangenen Sommer kritisieren. Dass aber das Team derzeit weit unter seinen eigenen Möglichkeiten spielt, ist nicht wegzudiskutieren. Und das, obwohl die Kickers im Winter die Möglichkeit hatten, alle Uhren auf null zu stellen.
Knapp sieben Wochen Vorbereitung, inklusive eines Trainingslagers auf Mallorca waren eigentlich Zeit genug, Defizite aufzuarbeiten. Trotzdem kommen die Würzburger Berufsfußballer seither nicht in die Gänge. Die Bilanz nach fünf Partien ist mit jeweils einem Sieg und einer Niederlage, sowie drei Unentschieden ausgeglichen und zeigt, wo sich das Kickers-Team derzeit leistungsmäßig einsortieren muss. Im trüben Mittelfeld der wohl schwächsten der fünf deutschen Regionalligen.
Gemessen am Aufwand, der noch immer in Würzburg getrieben wird, ein mageres Ergebnis. Zum Vergleich: in der Hinrunde holten die Kickers, noch vor Lanigs Verpflichtung, gegen den FC Bayern München II, Aschaffenburg, Bayreuth, Vilzing und Augsburg II neun Punkte und damit drei mehr als gegen die gleichen Gegner seit der Winterpause.
Viele Spieler kommen derzeit längst nicht an ihr optimales Leistungsvermögen heran. Die Spiele plätschern oft dahin, dem Team fehlt offensichtlich in den entscheidenden Situationen die "Zielstrebigkeit", wie auch Lanig am Samstag unverblümt feststellte. Wirklich selbstbewusst wirkte das Auftreten in den vergangenen Wochen nie. Auch bei Winter-Neuzugang Lado Akhalaia nicht. Der Stürmer wurde als Hoffnungsträger präsentiert. Doch der Moldawier hat bislang noch kein Pflichtspieltor erzielt und wirkt inzwischen von Spiel zu Spiel immer unglücklicher.

2. Die Taktik
Im Winter hatte sich Lanig entschlossen, sein Team fortan im 4-4-2-System mit einem in Rautenform geordneten Mittelfeld aufs Feld zu schicken. Der Vorteil: im Zentrum des Spielfelds agieren viele ballsichere Akteure. Nachteil: das Flügelspiel wird vernachlässigt. Derzeit scheint den Kickers ein Plan B zu fehlen, um gegnerische Abwehrreihen zu knacken. Fakt ist: Die fußballerisch ansehnlichsten Partien zeigten die Kickers in dieser Saison unter dem Interims-Trainer-Duo mit Sportdirektor Sebastian Neumann und Ronny Ermel, als sie mit zwei klaren Flügelangreifern und einem Mittelstürmer agierten. Sieben Punkte aus drei Spielen lautete damals die Bilanz.
Ein weiteres Manko: die Standardsituationen. In der Meistersaison unter Ex-Trainer Marco Wildersinn waren die eine der großen Stärken der Kickers. Heuer sind in jeder Partie offensiv wie defensiv Mankos in dieser Disziplin zu erkennen. Bei einem Profiteam, das naturgemäß mehr Trainingszeit hat als die meisten Kontrahenten, schwer zu erklären.

3. Die Atmosphäre
Die Stimmung auf den Rängen ist spätestens seit Samstag im Eimer. Bereits nach dem zweiten Gegentreffer verließen viele Zuschauerinnen und Zuschauer das Stadion. Doch intern liegt im zwischenmenschlichen Bereich noch viel mehr im Argen, wie auf der Pressekonferenz deutlich wurde. Da berichtete Trainer Lanig davon, dass sich Stürmer Benjamin Girth erneut einen Muskelfaserriss zugezogen habe. Sportdirektor Sebastian Neumann hatte zuvor nie etwas davon gehört. Zwischen Neumann und Lanig herrscht, so berichten Insider, seit Wochen Funkstille. Ein Vertrauensverhältnis gibt es nicht, ein Austausch findet nicht statt.
4. Die Zukunftsplanung
Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, wer bei den Planungen der kommenden Saison den Takt vorgibt. Wer Spieler aussucht, ein Team zusammenstellt, das die Fans wieder von besseren Zeiten träumen lässt. Der ursprünglich angedachte Plan, Lanig weitgehend freie Hand zu geben, scheint nach den letzten Leistungen keine Alternative mehr zu sein. Aber wie geht es nun weiter? Die Kickers werden schnell handeln müssen. Angesichts der erstarkten Konkurrenz vor der Haustür muss der Klub rasch seine Rolle als neue Nummer zwei der Region hinter dem möglichen Drittligisten FC Schweinfurt 05 finden, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.