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Fußball: Zweite Bundesliga
Michael Schiele: "Ich möchte ehrlich sein, auch wenn es wehtut"
Der Trainer der Würzburger Kickers spricht im Interview über die Herausforderung Zweite Bundesliga, nötige Veränderungen und darüber, welche Werte ihm wichtig sind.
Kickers-Trainer Michael Schiele bei der Arbeit auf dem Trainingsplatz in Waidring
Foto: Frank Kranewitter | Kickers-Trainer Michael Schiele bei der Arbeit auf dem Trainingsplatz in Waidring
Frank Kranewitter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:49 Uhr

Eine Woche Trainingslager in Waidring in Tirol liegen hinter Fußball-Zweitliga-Aufsteiger Würzburger Kickers. Es sind besondere Tage, das haben die Rothosen auch zu spüren bekommen, als das geplante Testspiel gegen den FC Schalke 04 wegen eines Corona-Falls im Lager des Erstligisten kurzfristig abgesagt wurde. Beim Interview mit zwei Bierbank-Reihen Abstand auf der Terrasse des SK Waidring wirkt Michael Schiele auffallend gelöst und entspannt. Und das, obwohl bis zum Saisonstart am 19. September gegen Erzgebirge Aue noch viel zu tun ist.

Frage: Gut drei Wochen vor dem Zweitliga-Start. Spüren Sie Nervosität oder Vorfreude? 

Michael Schiele: Nervös bin ich nicht. Das wird kurz vor dem Start vielleicht noch kommen. Wir freuen uns natürlich, dass wir in der Zweiten Bundesliga sind. Ich möchte, dass die Jungs das noch mehr verinnerlichen. Die, die vom Aufstieg noch dabei sind, aber auch die, die wir dazu geholt haben, die vielleicht bei anderen Vereinen nicht oder nur wenig gespielt haben, müssen noch etwas mehr von dieser Euphorie aufsaugen. Vorfreude herrscht bei mir auf jeden Fall. Nervosität wäre zum jetzigen Zeitpunkt ein falscher Ratgeber. Aber wir wissen, dass wir weiter hart an uns arbeiten müssen, bis es losgeht.

Was bedeutet es für Sie ganz persönlich, Zweitliga-Trainer zu sein? Haben Sie ein Ziel erreicht oder empfinden Sie die kommende Aufgabe als große Herausforderung?

Schiele: Natürlich hast du als Trainer immer das Ziel, nach oben zu kommen. Es mit einer eigenen Mannschaft geschafft zu haben, hat für mich noch einen höheren Stellenwert, als wenn du nach einer guten Drittliga-Runde zwar nicht aufgestiegen bist, dann aber von einem Zweitligisten verpflichtet wirst. Wir sind unter 20 Mannschaften Zweiter geworden, hinter einem Ersten, der nicht aufsteigen durfte. Der Lohn ist es jetzt, unter den 36 Erst- und Zweitliga-Trainern dabei zu sein. Nun muss man sich dort etablieren. Man muss sich sicher noch schneller anpassen, wenn etwas nicht läuft, wie man es sich denkt. Wissbegierig bleiben und trotzdem nicht zu viele Erfahrungen zu sammeln, sondern gleich in der neuen Liga anzukommen – das ist eine Herausforderung. 

Folgen Sie dabei einem Karriereplan?

Schiele: Ich habe einmal gesagt, dass ich in meiner Zeit als Kickers-Trainer einmal bis zum letzten Spieltag vorne mitspielen will. Das haben wir geschafft. Und neue Ziele? Die habe ich mir noch nicht gesetzt! (lacht)

Treffen Sie Ihre Entscheidungen eigentlich eher aus dem Kopf oder aus dem Bauch heraus?

Schiele: Zu Beginn viele mit dem Kopf. Wenn ich mir am Samstag kurz vor Anpfiff aber immer noch nicht sicher bin, dann höre ich auf meinen Bauch.

Wird es zu Saisonbeginn viele Bauchentscheidungen geben? Wie eng ist der Kampf um die Stammplätze derzeit?

Schiele: Wir sind mit 26 Feldspielern hier im Trainingslager, davon sind vier U-19-Akteure. Der eine oder andere Spieler weiß auch, dass es für ihn ganz schwer werden wird. Am Ende sind dann nicht mehr so viele übrig für die ersten 14 oder 15 Plätze im Kader. Es ist noch kein Platz fest vergeben. Aber ich sehe sechs, sieben Akteure schon weit vorne.

Wieviele Neuzugänge müssen bis zum Saisonstart noch dazukommen?

Schiele: Was heißt schon müssen? Wichtig ist, dass wir für den zentralen Bereich noch einen Mann bekommen. Da sind alle mit Hochdruck dran und analysieren Spieler, die wir empfohlen bekommen. Natürlich hatten wir auch unsere eigene Liste an Spielern, die wir abgearbeitet haben. Für manche sind wir aber noch nicht der heißeste Anwärter und manche haben wir selbst wieder zur Seite geschoben. Aber der zentrale Mittelfeldspieler, der geht uns schon noch ab. Wir hoffen, dass wir ihn so schnell wie möglich finden.

Teamarbeit: Michael Schiele mit seinem für die Gegneranalyse zuständigen Assistenten Philipp Eckart (links) und seinem neuen Co-Trainer Matthias Lust.
Foto: Frank Kranewitter | Teamarbeit: Michael Schiele mit seinem für die Gegneranalyse zuständigen Assistenten Philipp Eckart (links) und seinem neuen Co-Trainer Matthias Lust.
Wie stellen Sie fest, ob ein Spieler zum Team passt? Worauf achten Sie?

Schiele: Zuerst einmal muss der Spieler natürlich unserem Anforderungsprofil für die jeweilige Position entsprechen. Dass einer alle Attribute erfüllt, kommt eigentlich nie vor. Aber er sollte unseren Vorstellungen natürlich möglichst nahekommen. Und dann muss ein Spieler natürlich auch bei uns reinpassen, gerne auch mit ein paar Ecken und Kanten. Aber er sollte generell schon so ticken wie wir.

Und wie läuft dann so ein Gespräch ab? Was wollen Sie alles von den Spielern wissen? Welche Interessen sie haben, welche Netflix-Serien sie schauen?

Schiele: Klar will man auch ein paar private Dinge wissen. Man weiß ja schon viel, kann vieles im Internet lesen. Aber es gibt auch Dinge, die man da nicht rausfindet. Da ist dann auch einmal die eine oder andere unangenehme Frage dabei. Dann achte ich darauf, wie die Kandidaten darauf reagieren. Und natürlich geht es auch um sportliche Dinge.

Brauchen Sie in der Zweiten Bundesliga andere Spielertypen als in der Dritten Liga?

Schiele: Die Qualität ist höher. Mit Sebastian Schuppan und Fabio Kaufmann sind zwei Leitfiguren aus der vergangenen Spielzeit nicht mehr da. Da brauchen wir schon bestimmte Typen. Wir haben aber auch im aktuellen Kader schon Spieler, die das Team führen können. Wichtig ist, die Qualität im Kader in gewissem Maße zu erhöhen. Wir werden immer alles dafür tun, das Maximum herauszuholen – das ist in jedem Beruf so. Und dorthin zu kommen, ist unsere große Aufgabe.

Braucht die junge Mannschaft jetzt ein paar sogenannte abgezockte Profis? 

Schiele: Wenn die auch noch den Biss und das Feuer in den Augen haben, dann ja.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Flyeralarm-Fußball-Chef Felix Magath derzeit?

Schiele: Es ist ein guter Austausch mit ihm. Die Kommunikation ist super. Wir sprechen auch oft unter vier Augen. Es macht Spaß.

Hat Sie der große Erfolg, der Zweitliga-Aufstieg, verändert?

Schiele: Ich selbst habe bisher nicht den Eindruck. Das müssen aber andere bewerten.

Und wie verändert der Erfolg ihr Umfeld? Gehen Leute anders auf Sie zu?

Schiele: Es ist schon toll, wer sich so alles meldet. Mit Frank Wormuth (Anm. der Redaktion: früherer Leiter der FußballlehRer-Ausbildung in Deutschland) habe ich telefoniert. Peter Zeidler (Anm. der Redaktion: Schieles früherer Coach beim VfR Aalen, derzeit beim FC St. Gallen tätig) hat mich angerufen. Wenn man hört, wie die mitgefiebert haben, sich mit einem freuen, das beeindruckt einen dann schon. Wenn man merkt, wie das ganze private Umfeld einen unterstützt hat, dann freut man sich. Wenn ich die Nachrichten lese, die ich bekommen habe, dann ist das ein tolles Gefühl. Keiner hat damit gerechnet, dass wir dann auch hochgehen können. Das war schon eine geile Sache. Bei so etwas bin ich emotional.

Man hat bei den Jubelbildern gesehen, wie sehr Ihnen die Mannschaft ans Herz gewachsen war. Wie schwer war es nach dem Aufstieg, dem ein oder anderen Spieler zu sagen, dass er keine Zukunft bei den Kickers hat. 

Schiele: Solche Dinge sind sehr schwer. Da muss man viele Dinge abwägen. Es wäre nicht meine Art, wenn mich das kalt lassen würde.

Gibt es bestimmte Werte, die Ihnen in der Mannschaft wichtig sind, die Sie den Spielern vermitteln wollen?

Schiele: Natürlich. Das haben wir auch schon im Mannschaftskreis angesprochen. Es ist etwas anderes, über ein Team und Teamgeist zu reden oder das Ganze auch zu leben. Wenn Du nicht die größte individuelle Qualität hast, dann muss es über Teamgeist gehen. Auch bei uns. Ich halte jetzt nichts von Teambuilding-Veranstaltungen wie zum Beispiel Floß bauen. Die Jungs müssen ganz selbstverständlich zusammenwachsen. Darum braucht es auch ein Trainingslager. Da gibt es dann auch mal einen lockeren Abend, gemeinsame Freizeitaktivitäten. Das ist ein Prozess, der angekurbelt werden muss. Letztendlich ist es so: Wenn schnell Erfolge kommen, dann geht das noch ein bisschen schneller.

Auf den rm genommen: Stürmer Luca Pfeiffer trägt Michael Schiele nach dem Aufstieg über den Platz.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Auf den rm genommen: Stürmer Luca Pfeiffer trägt Michael Schiele nach dem Aufstieg über den Platz.
Welche Werte sind es denn genau, die Ihnen besonders wichtig sind?

Schiele: Meine Werte sind Loyalität und Ehrlichkeit. Ich möchte auch ehrlich sein, wenn es wehtut, wenn es mit dem einen oder anderen Spieler nicht weitergeht oder es für ihn in der kommenden Saison schwer wird. Jeder bei uns sollte nach dem Maßstab leben: Ich möchte so behandelt werden, wie auch ich andere behandle. Dazu kommt, dass jeder Akteur unseren Weg mit unserer Spielweise auf dem Platz mitgeht. Das bedeutet Intensität, aggressive Zweikampfführung. Dafür muss man dann auch mal im Trainingslager hart arbeiten. Das erwarte ich.

Sie sind jetzt seit Oktober 2017 Kickers-Cheftrainer. Was ist das Wichtigste, was Sie in dieser Zeit gelernt haben?

Schiele: Ich habe eine Entwicklung genommen, was die Ansprache, das Auftreten und auch die Führung angeht. Ich bin schon noch der Gleiche, aber in bestimmten Situationen auch härter geworden. Aber es gibt noch andere Dinge, die ich gelernt habe: In meiner ersten Saison haben wir von Viererkette auf Fünferkette umgestellt. Plötzlich lief alles wie am Schnürchen. Dann haben wir für die zweite Saison eine Mannschaft für eine Dreier- oder Fünferkette zusammengestellt. Und plötzlich klappte es überhaupt nicht mehr. Also haben wir wieder auf Viererkette umgestellt. Dabei hatte ich die Spieler doch für eine ganz andere Position geholt. Wenn dann aber nicht ein Rädchen ins andere greift, muss man auch Veränderungen zulassen, aus dem eigenen Denkmuster herauskommen. Nicht alles durchzudrücken, weil man meint, es sei gut. Das ist auch etwas, was ich mitgenommen habe aus dieser Zeit. Vielleicht müssen wir uns ja jetzt auch wieder verändern. Es werden sicher auch wieder Rückschläge kommen.

Inwiefern werden Sie ihren Spielstil der Zweiten Liga anpassen?

Schiele: Wir wollen uns nicht zu sehr verändern. Aber sicherlich werden wir uns nicht auf ein System festlegen, weil wir damit irgendwann erfolgreich waren, sondern wollen flexibel sein. Was sich auf keinen Fall ändern soll, ist unsere intensive Spielweise. Dass wir immer wieder den Gegner auch schon weit in seiner Hälfte attackieren und dennoch Wert auf eine gute Abwehr legen, hat uns auch zuletzt ausgezeichnet.

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Haben Sie ein Vorbild? Einen Trainer, dem Sie am Anfang Ihrer Trainerlaufbahn nachgeeifert haben?

Schiele: Ich will keine Kopie sein. Ich bin wie ich bin und will da niemandem nacheifern. Es ist ja bekannt, dass ich Co-Trainer unter Ralph Hasenhüttl und Stefan Ruthenbeck war. Da zieht man sich natürlich Dinge raus, die man gut findet. Aber ein Vorbild habe ich nicht.

Ralph Hasenhüttl ist ja inzwischen in der englischen Premier-League tätig. Haben Sie noch Kontakt?

Schiele: Ja. Ich wollte ihn schon lange mal wieder anrufen. Wir haben einige Male mit dem Handy hin und her geschrieben. Er hat auch zum Aufstieg gratuliert und davor viel Glück gewünscht.

Zum Abschluss: Was erwarten Sie persönlich von der nächsten Saison?

Schiele: Tolle Spiele, eine große Herausforderung und dann, wenn es hoffentlich wieder möglich ist, zumindest im Jahr 2021, tolle Stimmung in den Stadien. Neue Gegner und neue Stadien kennenzulernen. Darauf freuen wir uns alle riesig.

Zur Person

Michael Schiele kam im Juli 2017 als Co-Trainer von Stephan Schmidt zum damaligen Zweitliga-Absteiger Würzburger Kickers. Nachdem die Rothosen in den Tabellenkeller der Dritten Liga abrutschten, wurde Schmidt bereits im Oktober 2017 entlassen. Schiele wurde zunächst Interimscoach und schließlich kurioserweise unmittelbar nach einer 0:5-Heimniederlage gegen Wehen Wiesbaden zum Cheftrainer befördert. Mit Schiele ging es für die Kickers wieder aufwärts. Nach zwei fünften Plätzen in den Abschlusstabellen und dem Toto-Pokal-Sieg 2019 folgte in diesem Sommer als Krönung seiner bisherigen Arbeit der Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Als Spieler hatte Schiele in dieser Spielklasse zwei Einsätze: im Trikot des FC Schweinfurt 05 in der Saison 2001/02. Seine Trainerkarriere startete der 42-jährige Vater zweier Söhne als Assistent des heutigen Premiere-League-Trainers Ralph Hasenhüttl (FC Southampton). Als Co-Trainer sammelte er an der Seite von Stefan Ruthenbeck in Aaalen und bei der SpVgg Greuther Fürth Zweitligaerfahrung.
 frak
 
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  • 4650246
    Tolles Interview, toller Trainer, toller Mensch. Super klasse, ich freue mich schon sehr auf unsere Pflichtspiele in der neuen bzw. laufenden Saison.
    Es war eine verdammt kurzlebige Zeit, die drei Jahre mit Michael Schiele vergingen wie im Flug. Die Verantwortlichen haben im Nachhinein alles richtig gemacht und die Forderung der frühzeitigen Vertragsverlängerung war absoluter Quatsch. Hier hätte ich mir vom B-Block zuletzt andere Kernthemen gewünscht. Das zweite Thema war ja die Unzufriedenheit über zuschauerlose Spiele.
    Felix Magath tut dem Verein offensichtlich auch sehr gut und ein klein wenig Druck hat noch keinem, auch keinem Profi, geschadet. Wenn nach Sebastian Neumann irgendwann auch Sebastian Schuppan eine Tätigkeit im Verein wahrnimmt unterstreicht auch das den familiären vertrauensvollen Charakter des Vereins.
    Mal sehen, wer jetzt noch als Leistungsträger zu unserem Verein kommt, er oder sie müssen ja nicht zwingend Sebastian heißen.
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  • euroknacki
    Ansichten und Eigenschaften sind das, was ich jederzeit unterschreiben kann! Viel Glück und Erfolg für die Saison Michael Schiele in der 2. Bundesliga!!!
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