Eine Woche Trainingslager in Waidring in Tirol liegen hinter Fußball-Zweitliga-Aufsteiger Würzburger Kickers. Es sind besondere Tage, das haben die Rothosen auch zu spüren bekommen, als das geplante Testspiel gegen den FC Schalke 04 wegen eines Corona-Falls im Lager des Erstligisten kurzfristig abgesagt wurde. Beim Interview mit zwei Bierbank-Reihen Abstand auf der Terrasse des SK Waidring wirkt Michael Schiele auffallend gelöst und entspannt. Und das, obwohl bis zum Saisonstart am 19. September gegen Erzgebirge Aue noch viel zu tun ist.
Michael Schiele: Nervös bin ich nicht. Das wird kurz vor dem Start vielleicht noch kommen. Wir freuen uns natürlich, dass wir in der Zweiten Bundesliga sind. Ich möchte, dass die Jungs das noch mehr verinnerlichen. Die, die vom Aufstieg noch dabei sind, aber auch die, die wir dazu geholt haben, die vielleicht bei anderen Vereinen nicht oder nur wenig gespielt haben, müssen noch etwas mehr von dieser Euphorie aufsaugen. Vorfreude herrscht bei mir auf jeden Fall. Nervosität wäre zum jetzigen Zeitpunkt ein falscher Ratgeber. Aber wir wissen, dass wir weiter hart an uns arbeiten müssen, bis es losgeht.
Schiele: Natürlich hast du als Trainer immer das Ziel, nach oben zu kommen. Es mit einer eigenen Mannschaft geschafft zu haben, hat für mich noch einen höheren Stellenwert, als wenn du nach einer guten Drittliga-Runde zwar nicht aufgestiegen bist, dann aber von einem Zweitligisten verpflichtet wirst. Wir sind unter 20 Mannschaften Zweiter geworden, hinter einem Ersten, der nicht aufsteigen durfte. Der Lohn ist es jetzt, unter den 36 Erst- und Zweitliga-Trainern dabei zu sein. Nun muss man sich dort etablieren. Man muss sich sicher noch schneller anpassen, wenn etwas nicht läuft, wie man es sich denkt. Wissbegierig bleiben und trotzdem nicht zu viele Erfahrungen zu sammeln, sondern gleich in der neuen Liga anzukommen – das ist eine Herausforderung.
Schiele: Ich habe einmal gesagt, dass ich in meiner Zeit als Kickers-Trainer einmal bis zum letzten Spieltag vorne mitspielen will. Das haben wir geschafft. Und neue Ziele? Die habe ich mir noch nicht gesetzt! (lacht)
Schiele: Zu Beginn viele mit dem Kopf. Wenn ich mir am Samstag kurz vor Anpfiff aber immer noch nicht sicher bin, dann höre ich auf meinen Bauch.
Schiele: Wir sind mit 26 Feldspielern hier im Trainingslager, davon sind vier U-19-Akteure. Der eine oder andere Spieler weiß auch, dass es für ihn ganz schwer werden wird. Am Ende sind dann nicht mehr so viele übrig für die ersten 14 oder 15 Plätze im Kader. Es ist noch kein Platz fest vergeben. Aber ich sehe sechs, sieben Akteure schon weit vorne.
Schiele: Was heißt schon müssen? Wichtig ist, dass wir für den zentralen Bereich noch einen Mann bekommen. Da sind alle mit Hochdruck dran und analysieren Spieler, die wir empfohlen bekommen. Natürlich hatten wir auch unsere eigene Liste an Spielern, die wir abgearbeitet haben. Für manche sind wir aber noch nicht der heißeste Anwärter und manche haben wir selbst wieder zur Seite geschoben. Aber der zentrale Mittelfeldspieler, der geht uns schon noch ab. Wir hoffen, dass wir ihn so schnell wie möglich finden.
Schiele: Zuerst einmal muss der Spieler natürlich unserem Anforderungsprofil für die jeweilige Position entsprechen. Dass einer alle Attribute erfüllt, kommt eigentlich nie vor. Aber er sollte unseren Vorstellungen natürlich möglichst nahekommen. Und dann muss ein Spieler natürlich auch bei uns reinpassen, gerne auch mit ein paar Ecken und Kanten. Aber er sollte generell schon so ticken wie wir.
Schiele: Klar will man auch ein paar private Dinge wissen. Man weiß ja schon viel, kann vieles im Internet lesen. Aber es gibt auch Dinge, die man da nicht rausfindet. Da ist dann auch einmal die eine oder andere unangenehme Frage dabei. Dann achte ich darauf, wie die Kandidaten darauf reagieren. Und natürlich geht es auch um sportliche Dinge.
Schiele: Die Qualität ist höher. Mit Sebastian Schuppan und Fabio Kaufmann sind zwei Leitfiguren aus der vergangenen Spielzeit nicht mehr da. Da brauchen wir schon bestimmte Typen. Wir haben aber auch im aktuellen Kader schon Spieler, die das Team führen können. Wichtig ist, die Qualität im Kader in gewissem Maße zu erhöhen. Wir werden immer alles dafür tun, das Maximum herauszuholen – das ist in jedem Beruf so. Und dorthin zu kommen, ist unsere große Aufgabe.
Schiele: Wenn die auch noch den Biss und das Feuer in den Augen haben, dann ja.
Schiele: Es ist ein guter Austausch mit ihm. Die Kommunikation ist super. Wir sprechen auch oft unter vier Augen. Es macht Spaß.
Schiele: Ich selbst habe bisher nicht den Eindruck. Das müssen aber andere bewerten.
Schiele: Es ist schon toll, wer sich so alles meldet. Mit Frank Wormuth (Anm. der Redaktion: früherer Leiter der FußballlehRer-Ausbildung in Deutschland) habe ich telefoniert. Peter Zeidler (Anm. der Redaktion: Schieles früherer Coach beim VfR Aalen, derzeit beim FC St. Gallen tätig) hat mich angerufen. Wenn man hört, wie die mitgefiebert haben, sich mit einem freuen, das beeindruckt einen dann schon. Wenn man merkt, wie das ganze private Umfeld einen unterstützt hat, dann freut man sich. Wenn ich die Nachrichten lese, die ich bekommen habe, dann ist das ein tolles Gefühl. Keiner hat damit gerechnet, dass wir dann auch hochgehen können. Das war schon eine geile Sache. Bei so etwas bin ich emotional.
Schiele: Solche Dinge sind sehr schwer. Da muss man viele Dinge abwägen. Es wäre nicht meine Art, wenn mich das kalt lassen würde.
Schiele: Natürlich. Das haben wir auch schon im Mannschaftskreis angesprochen. Es ist etwas anderes, über ein Team und Teamgeist zu reden oder das Ganze auch zu leben. Wenn Du nicht die größte individuelle Qualität hast, dann muss es über Teamgeist gehen. Auch bei uns. Ich halte jetzt nichts von Teambuilding-Veranstaltungen wie zum Beispiel Floß bauen. Die Jungs müssen ganz selbstverständlich zusammenwachsen. Darum braucht es auch ein Trainingslager. Da gibt es dann auch mal einen lockeren Abend, gemeinsame Freizeitaktivitäten. Das ist ein Prozess, der angekurbelt werden muss. Letztendlich ist es so: Wenn schnell Erfolge kommen, dann geht das noch ein bisschen schneller.
Schiele: Meine Werte sind Loyalität und Ehrlichkeit. Ich möchte auch ehrlich sein, wenn es wehtut, wenn es mit dem einen oder anderen Spieler nicht weitergeht oder es für ihn in der kommenden Saison schwer wird. Jeder bei uns sollte nach dem Maßstab leben: Ich möchte so behandelt werden, wie auch ich andere behandle. Dazu kommt, dass jeder Akteur unseren Weg mit unserer Spielweise auf dem Platz mitgeht. Das bedeutet Intensität, aggressive Zweikampfführung. Dafür muss man dann auch mal im Trainingslager hart arbeiten. Das erwarte ich.
Schiele: Ich habe eine Entwicklung genommen, was die Ansprache, das Auftreten und auch die Führung angeht. Ich bin schon noch der Gleiche, aber in bestimmten Situationen auch härter geworden. Aber es gibt noch andere Dinge, die ich gelernt habe: In meiner ersten Saison haben wir von Viererkette auf Fünferkette umgestellt. Plötzlich lief alles wie am Schnürchen. Dann haben wir für die zweite Saison eine Mannschaft für eine Dreier- oder Fünferkette zusammengestellt. Und plötzlich klappte es überhaupt nicht mehr. Also haben wir wieder auf Viererkette umgestellt. Dabei hatte ich die Spieler doch für eine ganz andere Position geholt. Wenn dann aber nicht ein Rädchen ins andere greift, muss man auch Veränderungen zulassen, aus dem eigenen Denkmuster herauskommen. Nicht alles durchzudrücken, weil man meint, es sei gut. Das ist auch etwas, was ich mitgenommen habe aus dieser Zeit. Vielleicht müssen wir uns ja jetzt auch wieder verändern. Es werden sicher auch wieder Rückschläge kommen.
Schiele: Wir wollen uns nicht zu sehr verändern. Aber sicherlich werden wir uns nicht auf ein System festlegen, weil wir damit irgendwann erfolgreich waren, sondern wollen flexibel sein. Was sich auf keinen Fall ändern soll, ist unsere intensive Spielweise. Dass wir immer wieder den Gegner auch schon weit in seiner Hälfte attackieren und dennoch Wert auf eine gute Abwehr legen, hat uns auch zuletzt ausgezeichnet.
Schiele: Ich will keine Kopie sein. Ich bin wie ich bin und will da niemandem nacheifern. Es ist ja bekannt, dass ich Co-Trainer unter Ralph Hasenhüttl und Stefan Ruthenbeck war. Da zieht man sich natürlich Dinge raus, die man gut findet. Aber ein Vorbild habe ich nicht.
Schiele: Ja. Ich wollte ihn schon lange mal wieder anrufen. Wir haben einige Male mit dem Handy hin und her geschrieben. Er hat auch zum Aufstieg gratuliert und davor viel Glück gewünscht.
Schiele: Tolle Spiele, eine große Herausforderung und dann, wenn es hoffentlich wieder möglich ist, zumindest im Jahr 2021, tolle Stimmung in den Stadien. Neue Gegner und neue Stadien kennenzulernen. Darauf freuen wir uns alle riesig.
Es war eine verdammt kurzlebige Zeit, die drei Jahre mit Michael Schiele vergingen wie im Flug. Die Verantwortlichen haben im Nachhinein alles richtig gemacht und die Forderung der frühzeitigen Vertragsverlängerung war absoluter Quatsch. Hier hätte ich mir vom B-Block zuletzt andere Kernthemen gewünscht. Das zweite Thema war ja die Unzufriedenheit über zuschauerlose Spiele.
Felix Magath tut dem Verein offensichtlich auch sehr gut und ein klein wenig Druck hat noch keinem, auch keinem Profi, geschadet. Wenn nach Sebastian Neumann irgendwann auch Sebastian Schuppan eine Tätigkeit im Verein wahrnimmt unterstreicht auch das den familiären vertrauensvollen Charakter des Vereins.
Mal sehen, wer jetzt noch als Leistungsträger zu unserem Verein kommt, er oder sie müssen ja nicht zwingend Sebastian heißen.