Seit 2004 steht Rainer Koch (62) an der Spitze des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV). Der promovierte Jurist aus Poing bei München amtiert unter anderem nach dem Rücktritt von Fritz Keller derzeit auch als Interims-Präsident des Deutschen Fußball Bundes (DFB). Koch gilt als gut vernetzter Multi-Funktionär und streitbare Figur. In diesen Tagen ist er kreuz und quer durch Bayern unterwegs, besuchte beispielsweise in Coburg das Nachwuchsleistungszentrum, aber auch verschiedene Medienhäuser. Im Gespräch mit dieser Redaktion in Bad Neustadt erklärt er, warum er die derzeitige Aufstiegsregel zur Dritten Liga für die beste aller schlechten Lösungen hält, welchen Effekt die Digitalisierung auf den kleinen Fußball noch haben könnte und was er Vereinen rät.
Frage: Am Rand des Eröffnungsspiels der Regionalliga im Juli in Aubstadt haben Sie geäußert, die kleine Tribüne des TSV gehöre überdacht. Der TSV hat jüngst beschlossen, im Winter ein Dach über die 150 Sitzplätze zu ziehen. Das muss Sie als Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands doch freuen, dass Ihr Impuls direkt umgesetzt wird?
Rainer Koch: Natürlich freut es mich. Die Entscheidung, ein Dach zu errichten, ist für mich ein Signal dafür, dass man in Aubstadt die Devise hat, es noch länger den anderen zeigen und sich noch länger in dieser Liga aufhalten und fest etablieren zu wollen. Gerade für Vereine wie Aubstadt oder beispielsweise auch Buchbach lohnt es sich zu kämpfen. Sie sind der Grund, warum für mich mein Engagement im Bayerischen Fußball-Verband an erster Stelle steht. Der Amateurspitzenfußball verdient besondere Fürsorge. In der vierten Liga, also unterhalb der nationalen Ligen, muss es möglich sein, eine Ligastruktur zu haben, die es überall in Deutschland möglich macht, diesen Fußball anzubieten.
Aubstadt hat in den vergangenen Jahren viel Energie darauf verbracht, seinen Sportplatz zu einem regionalligatauglichen Stadion aufzuwerten. Sei es der Gästeblock oder die Tribüne.
Koch: Man muss natürlich erkennen, dass die Klubs aus ländlich strukturierten Regionen mit kleinen Ortschaften infrastrukturell an ihre Grenze stoßen. Diese Grenze ist für mich aber erst auf der Ebene der vierten Liga erreicht. Ich finde es wichtig, mich dafür zu engagieren, dass in Aubstadt Regionalliga gespielt werden kann. Und umgekehrt ist es natürlich auch wichtig, dass akzeptiert werden muss, dass in der Regionalliga andere infrastrukturelle Voraussetzung nötig sind als in der Kreisliga. Wer sich in einer solchen Liga etablieren will, muss sich auch weiterentwickeln.
Einige Vereine haben im Sommer eine Terminhatz beklagt. Eine Englische Woche reihte sich an die nächste. Ist das wirklich nötig, schließlich ist die Regionalliga doch eine Amateurliga?
Koch: Die Regionalliga ist keine reine Amateurliga. Sie besteht aus entgeltorientierten Amateurspitzenvereinen, aus Vollprofivereinen und zweiten Mannschaften von Profiklubs, dazu ambitionierte Amateurvereine. Wir können nicht mit Kriterien daherkommen, wie sie in der Kreisliga gelten. In der Regionalliga Bayern haben die meisten Vereine 20 oder 21 Spiele absolviert. Die Regionalliga West, in der auch 20 Klubs spielen, ist beim 15. Spieltag. Diese vier, fünf Spiele Unterschied machen fast einen ganzen Monat aus. Ich bin auch im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung froh, dass wir schon so weit und, so hoffe ich doch, in der Lage sind, die Saison zu Ende zu bringen. Hinzu kommt, dass man zu Saisonbeginn wesentlich mehr Zuschauer hat und das Wetter besser ist. Und ein letztes Argument: Der Terminplan wird ja nicht angeordnet, sondern mit den Vereinen abgesprochen. Dann sollten die, die die Entscheidungen gemeinsam entwickeln, auch gemeinsam dazu stehen.
Seit die fünfgleisige Regionalliga eingeführt worden ist, wird darüber diskutiert, ob die Struktur nicht reformiert werden sollte. Ein Streitpunkt ist, dass nicht alle Meister direkt aufsteigen können. Müssen wir bereit sein, die Regionalliga Bayern aufzugeben?
Koch: Die Beschlusslage in Bayern ist seit zehn Jahren die gleiche und ganz klar. Wir wissen, dass ein direkter Aufstieg der Meister nur bei vier Regionalligen möglich ist und dass die Regionalliga Bayern dann zu klein wäre. Aus bayerischer Sicht müssten wir bei einer viergleisigen Regionalliga entweder mit Baden-Württemberg zusammengelegt werden oder mit Sachsen und Thüringen. Eine Regionalliga mit Baden-Württemberg scheitert daran, weil man nicht weiß, wie man dann mit Hessen umgehen soll. Sportlich gesehen ist die Hälfte der Menschen, der Vereine, der Fußballer heute zusammengefasst in den Staffeln West und Südwest. Deswegen würden diese beiden Ligen bei einer viergleisigen Regionalliga immer unangetastet bleiben.
Aus den Regionalligen Nord, Nordost und Bayern müsste man also zwei Staffeln bilden?
Koch: Genau. Eine mit Klubs aus Sachsen, Thüringen und Bayern, eine mit denen aus den anderen Gebieten. Dagegen haben wir überhaupt nichts, an dieser nicht neuen Position hat sich nichts geändert. Bayern und der Norden erklären allerdings: Wir sind solidarisch mit dem Nordosten. Wenn der auf gar keinen Fall seine Regionalliga opfern will, was ich aufgrund der regionalen Identität durchaus verstehen kann, sind wir bereit, in zwei von drei Jahren in eine Relegation zu gehen.
Marcel Rozgonyi, der Geschäftsführer Sport der SpVgg Bayreuth, hat unlängst im MDR geäußert, die Aufstiegsregel zur Dritten Liga sei „ein Verbrechen“.
Koch: Dann sollte er aber auch entsprechend klar fordern, dass Sachsen und Thüringen zu Bayern kommen. Sie können die Problematik ja an ganz plastischen Beispielen festmachen. Falls die Regionalliga Nordost aufgeteilt würde, müssen sie Energie Cottbus erklären, warum es nicht mehr zu Lok Leipzig, Rot-Weiß Erfurt oder Carl Zeiss Jena fahren darf, sondern nach Flensburg. Und sie müssen den Menschen in Leipzig, Erfurt und Jena erklären, warum ihre Vereine nicht mehr gegen Halberstadt spielen dürften, dafür aber gegen Schalding-Heining oder Memmingen. Die zweigleisige Dritte Liga wäre noch eine Lösung, die ist aber gerade in einem mehrmonatigen Diskussionsprozess von den Drittligisten verworfen worden. Ich kenne keine bessere Lösung als die jetzige. Sie ist die beste aller schlechten Lösungen.
Lassen Sie uns zu Themen kommen, die den Fußball auf lokaler Ebene betreffen. In den letzten Jahren haben sich bei den Futsal-Turnieren im Kreis Rhön immer weniger Mannschaften angemeldet. Vor zehn Jahren wurden hingegen noch drei Vorturniere beim klassischen Hallenfußball benötigt. Es gibt vor allem in der Rhön immer noch viele Vereine, die mit Futsal fremdeln. Gibt es Überlegungen, hier noch einmal etwas zu verändern? Beispielsweise größere Tore zu verwenden?
Koch: Zunächst einmal verbieten wir ja die verschiedenen Hallenfußball-Modelle nicht. Bei Freizeitturnieren kann ja weiterhin nach den alten Regeln und mit Bande gespielt werden – und wir stellen da im Übrigen auch die Schiedsrichter und die Sportgerichtsbarkeit. Der Verband hat aber die Aufgabe, Meisterschaften nach gültigen Regeln auszurichten. Diese Regeln werden auch nicht in München gemacht, sondern sie gelten weltweit und sind dort auch etabliert. Es ist nicht die Aufgabe des Verbandes, an den Futsal-Regeln Veränderungen vorzunehmen oder andere Spielformen wettbewerbsmäßig zu organisieren.
Ohne Kinder hat der Fußball keine Zukunft, da sind wir uns einig. Der Nachwuchs braucht aber auch Trainer und die haben rund um ein Spiel oft alle Hände voll zu tun. Da wird beim Umziehen geholfen, getröstet oder der Schiedsrichter bezahlt. Es muss aber auch innerhalb einer Stunde das Ergebnis an den BFV gemeldet werden, ansonsten bekommt der Verein eine Strafe. Gibt es eine Möglichkeit, das anders zu gestalten?
Koch: Die Ergebnismeldung dauert zehn Sekunden, das muss doch zu organisieren sein.
Trotzdem muss in der Stunde nach dem Spiel erst einmal daran gedacht werden, während einige andere Aufgaben im ersten Moment dringlicher erscheinen. Kann da nicht einmal ein Auge zugedrückt werden?
Koch: Nein. Der Trainer muss die Ergebnismeldung ja nicht selber machen. Das kann auch einer seiner Spieler oder auch Elternteile übernehmen, die haben ja fast alle ein Handy dabei. Bayernweit ist die Ergebnismeldung auch überhaupt kein Thema mehr, die gehört zu den Realitäten der Digitalisierung der heutigen Gesellschaft dazu. Daher kann ich nur Ratschläge geben. Ich sehe natürlich, wie belastet viele der Betreuer sind, und die Unterstützung des Ehrenamts ist ein ganz wichtiges Thema. Wichtig ist aber auch, dass man sich neu organisieren muss. Ein Spiel muss in der heutigen Zeit schnell abgebildet sein. Wir erleben alle, wie unser ganzes Leben durch die Digitalisierung verändert wird. Daher müssen wir auch mit der Zeit gehen. Ich bin überzeugt, dass in zehn bis 15 Jahren jedes Amateur-Fußballspiel live gestreamt wird. Da schauen dann vielleicht nur zehn Leute zu, das spielt aber auch überhaupt keine Rolle. Dann werden E-Jugend-Spiele live gestreamt und die Oma oder der Opa in New York kann dem Enkel beim Fußballspielen zuschauen.
Der demografische Wandel wird den Landkreis Rhön-Grabfeld sehr stark treffen. Schon jetzt ist der Fußball-Kreis Rhön von den Mannschaftszahlen her am unteren Limit. Gibt es bereits Pläne für eine Kreisreform in Unterfranken?
Koch: Als Verbandspräsident bin ich dafür nicht zuständig. Wenn in einem Spielkreis aber weniger als 100 Mannschaften am Spielbetrieb teilnehmen, dann gibt es den klaren Auftrag an den Bezirk, entsprechende Kreisreformen durchzuführen. Das ist die einzige Vorgabe des Verbandes, denn wir wollen, dass die Kreise für sich sinnvoll aufgestellt sind.
Momentan steht der Kreis Rhön bei 135 Mannschaften, aber es gibt eine klar rückläufige Tendenz. Im Jugendspielbetrieb gibt es schon das Pilot-Projekt U 18, das in den regulären Betrieb übergeführt wurde. Somit gibt es schon gar keine U 17 mehr. Es ist also absehbar, dass kaum noch Kinder nachrücken werden. Welche Hilfestellung kann ein Verband seinen Vereinen in dieser Situation geben?
Koch: Wir können nur die Themen benennen und dann mit Beratungs- und Qualifizierungsangeboten kommen. Angebote gibt es genug, und für diese Thematik sensibilisieren wir seit vielen Jahren. Wir müssen erkennen, dass wir gesamtgesellschaftlich verschiedene Trends haben, die wir dann auch in den Vereinen aufgreifen müssen. Dazu gehört, dass Frauen und Männer nicht zu einem Großteil aneinander vorbei leben wollen. Wir brauchen Angebote für Mädchen und Jungen. Die Zeiten, in denen die Frau am Sonntag zehn Stunden zu Hause saß und wartete, bis der Mann abends vom Fußballplatz kommt und dann beim Tatort einschläft, sind vorbei. Das passt nicht mehr in die Zeit, und dann müssen wir uns überlegen, wie unsere ganzen Strukturen neu auslegen können und unsere Angebote attraktiver machen können. Hallenturniere, die zehn Stunden dauern und bei denen ich als Trainer den ganzen Tag die Kinder bespaßen muss, können nicht mehr die Lösung sein. In den Vereinen gibt es aber leider oft die Neigung, heute alles so machen zu wollen wie vor zehn Jahren. Ich kann als Verbandspräsident aber auch nicht mehr so arbeiten wie zu Beginn meiner Amtszeit 2004.
Abschließend wollen wir auf die Querelen beim DFB zu sprechen kommen. Der ehemalige Präsident Fritz Keller hat sie in der letzten Woche in einem Interview scharf angegriffen. Er sagte, dass Sie seit Jahren Intrigen schmieden würden und Ihnen jeder moralische Kompass abgehe. Was sagen Sie zu den Anschuldigungen?
Koch: Ich reagiere nur auf Fakten. Als Interimspräsident arbeite ich momentan ruhig und besonnen die Themen ab. Nach dem Rücktritt von Herrn Keller ist in den letzten Monaten vieles sehr gut gelaufen. Seit ich mit Peter Peters Interimspräsident bin, haben wir mit der Verpflichtung von Hansi Flick die Nationalmannschaft nach vorne gebracht, haben bei der U 21 mit Toni di Salvo einen neuen Trainer installiert und mit dem DFB-Campus in Frankfurt ein großes Bauprojekt, das trotz der aktuell schwierigen Lage gut vorankommt. Überall wird vollmundig erklärt, dass der DFB nicht zur Ruhe kommt. Aber finden Sie selbst den Fehler: Ich erlebe nur Menschen, die ständig erzählen, dass der DFB nicht zur Ruhe kommt. Wenn ich jetzt wieder etwas dazu sagen würde, würde ich nur einen Beitrag dazu leisten, dass es tatsächlich unruhig werden könnte. Das will ich nicht, das liegt mir fern. Daher reagiere ich auch nicht auf diese haltlosen Anschuldigungen, die schlicht und ergreifend nicht faktenbasiert sind.
Hat es Sie überrascht, dass Peter Peters jetzt doch angekündigt hat, beim Bundestag im März als DFB-Präsident zu kandidieren und wird es nun auf eine Gegenkandidatur von Bernd Neuendorf, dem Präsidenten des Verbands Mittelrhein, hinauslaufen?
Koch: Ich habe mich bewusst aus der Personalfindung für diese Position sehr schnell herausgenommen. Zudem habe ich klar erklärt, dass diejenigen, die für den schief gegangenen Vorschlag von Herrn Keller Verantwortung tragen, aus der Ebene der haftenden Vorstände herausgehen sollten. Das habe ich für mich vollzogen, obwohl ich süddeutscher Regionalpräsident bin. Wir werden jetzt sehen, wer als Kandidat nominiert wird.
Bleibt es dabei, dass Sie nicht mehr für das Amt des 1. Vize-Präsidenten Amateure kandidieren werden?
Koch: Ich werde nicht in der Ebene der haftenden Vorstände antreten, das ist der 1. Vize-Präsident. Wer in Bayern und zudem beim süddeutschen Regionalverband Präsident ist, der wird sich natürlich auch als Vize-Präsident weiter zur Verfügung stellen. Hier würde ich gerne weiter für die Interessen Bayerns kämpfen. Aber eben als ein normaler Vize-Präsident im Gesamt-Präsidium – und nicht in der ersten Reihe. Das ist übrigens nicht neu, dieser persönliche Entschluss ist bereits vor geraumer Zeit gereift.