War das das Erlebnis, dass die Drittliga-Fußballer der Würzburger Kickers in dieser vermaledeiten Saison einfach gebraucht haben? Kann dieser 1:0-Erfolg beim zuvor dreimal in Serie siegreichen SV Wehen Wiesbaden der Wendepunkt sein? Es war zumindest ein positiver Gefühlsausbruch, wie man ihn bei den Kickers schon eine halbe Ewigkeit lang nicht mehr erlebt hat, als David Kopacz mit der letzten Aktion des Spiels den Siegtreffer für die Gäste erzielte.
Schon alleine die Art und Weise, wie dieses entscheidende Tor des Nachmittags fiel, stand sinnbildlich dafür, wie unendlich schwer sich die Kickers in dieser Saison tun, erfolgreich zu sein. 90 Minuten lang hatten sich beide Teams auf dem dem holprigen Rasen aneinander abgearbeitet, ohne dem Publikum allzu viel Sehenswertes zu bieten. Die Kickers aber hatten an diesem Spiel zwar weniger Anteile, aber die deutlich besseren Torchancen. Die größten vergaben Kopacz (16., 30.) und Marvin Pourié (53., 62.). Genau jene Spieler, die in der allerletzten Szene dieses Spiels auch im Blickpunkt standen.
Dass es dazu kam, lag freilich an einem Einwurf. Alles lief auf ein 0:0 hinaus, als der eingewechselte Marvin Stefaniak - der Winter-Neuzugang hatte aufgrund von Wadenproblemen bis tief in die Schlussphase hinein zuschauen müssen - den Ball in den Strafraum der Hausherren in Richtung von Pourié warf. Damit hatten die Wiesbadener Abwehrspieler offenbar nicht gerechnet. Ahmet Gürleyen sprang der Ball an die Hand und Schiedsrichter Martin Petersen pfiff sofort Elfmeter.
Alles verdichtete sich also auf diese eine Szene in der Nachspielzeit, in der die Entscheidung fallen sollte, ob die Kickers diesen so dringend benötigten fünften Dreier der Saison einfahren können. Verloren haben die Kickers in dieser Saison in den Schlussminuten schon viele Spiele. Gewonnen hatten sie bis zu diesem Samstagnachmittag in Wiesbaden in dieser Spielzeit in den letzten Minuten der Partien noch nichts.
Es war wie ein Fluch, der erst besiegt werden musste. Und das geht eben oft nicht auf die einfache Art und Weise: Pourié hatte nicht seinen allerbesten Nachmittag gehabt, hatte in der 62. Minute schon einen indirekten Freistoß aus kurzer Distanz nicht im Kasten untergebracht, nachdem Wiesbadens Keeper Florian Stritzel einen Rückpass unerlaubt mit der Hand aufgenommen hatte. Doch nun schnappte sich der mit sechs Toren treffsicherste Würzburger dieser Saison selbstbewusst den Ball. Er nahm Anlauf und entschied sich für aus seiner Sicht die linke Ecke. Doch weil Stritzel in die richtige Richtung flog, konnte der Torhüter den Ball abwehren.
"Erstmal Scheiße", habe er gedacht, als der Keeper Pouriés Schuss parierte, erzählte Torschütze Kopacz später: "Dann habe ich gesehen, dass direkt zwei Spieler von uns zur Stelle waren, nämlich Shaker (Marvin Pourié) und Marvin Stefaniak. Dann dachte ich: Jetzt geht er eben rein." Aber Stefaniaks Versuch wurde geblockt. "Dann habe ich mir gedacht, dann mach ich den jetzt rein", so Kopacz. Und wie! Mit dem rechten Fuß volley direkt in den Winkel: "Ich habe die Lücke gesehen und getroffen." Und das direkt vor dem Block mit den mitgekommenen Kickers-Anhängern.
Nun schien sich all der Frust der letzten Monate in einem Moment zu entladen. Die Fans jubilierten und vor dem Block bildete sich eine Traube mit allen, wirklich allen Kickers-Spielern. Dass Kopacz für das Ausziehen seines Trikots noch Gelb sah, war ihm in diesem Moment herzlich egal. "Das fühlt sich schon geil an", kleidete Kopacz den bisherigen emotionalen Höhepunkt dieser Kickers-Saison in Worte.
Trainer Ralf Santelli gab hernach noch den Anheizer vor dem Fan-Block und forderte Applaus für seine Spieler, die in dieser Partie, wie er kurz darauf eher nüchtern analysierte, umgesetzt hatten, was er von seinem Team erwartet hatte. "Fußball ist manchmal ganz einfach, wenn man aus einer Grundordnung heraus spielt", sagte er. Anders als noch beim 2:4 gegen Magdeburg hatte sein Team sich taktisch äußerst diszipliniert verhalten. "Die Positionstreue" sei entscheidend gewesen, dass zum ersten Mal seit dem 0:0 in Halle am 4. Dezember die Null bei den Kickers stand. Und das, obwohl Santelli diesmal noch kurzfristig umstellen musste. Peter Kurzweg fiel nach einem positiven Corona-Test aus. Für ihn kam erstmals unter Santelli Alexander Lungwitz zum Einsatz. Startelf-Debütant Marco Hausjell ersetzte zu Beginn den angeschlagenen Stefaniak.
Vor dem bayerischen Pokal-Viertelfinale am Dienstag (19 Uhr) beim FC Schweinfurt 05 müsse er nun auch schauen, wie die Personallage sei, zumal auch Fanol Perdedaj angeschlagen vom Platz gehumpelt war. Feststeht freilich, dass die Kickers mit Rückenwind ins Unterfranken-Derby gehen. "Ein Derby ist immer schön. Jeder weiß, was es heißt, so ein Spiel zu spielen", sagte Kopacz. Das Hauptaugenmerk dürfte aus Kickers-Sicht aber nun auf dem Drittliga-Abstiegskampf liegen und der, so hatte man das Gefühl, hat aus Würzburger Sicht an diesem Samstagnachmittag in Wiesbaden erst richtig begonnen.
NUR DER FWK !!!!!
Hochverdienter Sieg, da die Kickers in diesem Spiel Wiesbaden keine klare Torchance gestatteten und selbst vier richtig gute Chancen zur Führung hatten plus einen klaren Foulelfmeter verwehrt bekommen haben.
Es war endlich ein Last Minute Sieg für die Kickers, die in dieser Saison so oft kurz vor Spielende noch Punkte verloren haben. Die nächsten drei Spiele gegen Dortmund, Viktoria Köln und Türkgücü München sind wegweisend. Wenn man aus diesen drei Spielen 7 Punkte holt ist der Klassenerhalt wieder realistisch möglich.
Man kann den Kickers nur die Daumen drücken, dass auch dieses große Verletzungspech endlich ein Ende nimmt.