Der eine ist seit über 50 Jahren Funktionär in der Fußballabteilung beim Würzburger Amateurklub TSV Grombühl und bekleidete dort zahlreiche Ämter. Der andere war Vize-Weltmeister, deutscher Meister und Pokalsieger und ist Geschäftsführer beim Bundesligisten Werder Bremen. Größer könnten die Unterschiede kaum sein. Oder nicht? Was sagen Vater und Sohn selbst?
Zum Interview per Videokonferenz kommt Vater Josef Baumann (74) direkt aus einer Schafkopf-Runde ("Gibt's ja kaum noch!") im TSV-Sportheim. Sohn Frank Baumann (47) schaltet sich aus dem Urlaub zu.
Josef Baumann: Sehr viel, und ich glaube, meine Frau und meine Kinder haben unter meiner Leidenschaft für den Fußball und den TSV auch gelitten. Wobei alle vier Kinder ohne Zwang mit dem Fußballspielen dort begonnen haben.
Josef Baumann: Ja. Ich habe dort nicht nur selbst Fußball gespielt, sondern danach auch bis heute viele Positionen im Verein bekleidet. Ich war Trainer, Abteilungsleiter, Sportleiter, Platzwart, im Vergnügungsausschuss. Man sieht, das ist eine Herzensangelegenheit. So blöd kannst du ja sonst nicht sein, das alles in der Freizeit zu machen. Die Jugendarbeit war mir immer am wichtigsten. Wir hatten hier viele Talente. Manche hätten das Zeug zum Profi gehabt. Aber dazu gehört eben nicht nur Talent, sondern vor allem die Einstellung, der Ehrgeiz.
Frank Baumann: Ein Jahr lang, in der E-Jugend. Mein Vater hat mich mit seiner Einstellung, mit seiner Spielidee von Beginn an geprägt. Einen Vorteil als Spieler hatte ich jedenfalls nicht, er hat mich immer kritischer beurteilt als andere. Geschadet hat es mir nicht.
Josef Baumann: Früher hieß es im Jugendtraining doch: Zehnmal um den Platz rennen – und dann wird geroxt. Ich habe das immer anders gemacht, ließ alles mit dem Ball machen, ließ Flanken, Doppelpässe und Pässe in den freien Raum üben. Oder wir machten ein Spiel Sechs gegen Sechs im Sechzehnmeterraum – wie es der FC Barcelona auch trainierte (lacht). Taktik war mir egal. Die Spieler hatten Freiräume – und mussten diese auch nutzen. Ich wollte Spielintelligenz. Die vermisse ich heutzutage so oft.
Frank Baumann: Ich kannte das ja nicht anders und hätte mit Lob von ihm gar nicht umgehen können (lacht). Aber im Ernst: Ich hatte immer die Unterstützung meiner Eltern und bin dafür dankbar. Er hat es ja gut gemeint und immer versucht aufzuzeigen, dass es noch besser geht.
Josef Baumann: In der Jugend war Frank oft der beste Spieler auf dem Platz, überragend. Und trotzdem habe ich mir vor den anderen ein Lob verkniffen.
Josef Baumann: Ich fand, das gehört sich nicht. Ich hätte mich angreifbar gemacht. Ich war ja nicht nur Trainer, sondern eben auch Vater.
Josef Baumann: Klar! Er hatte ein Auge, konnte ein Spiel lesen. Er hatte die Gabe, genaue 50-, 60-Meter-Pässe zu schlagen. Das hat man oder man hat es nicht. Wenn er lauter gewesen wäre und eine andere Position gespielt hätte, hätte er noch viel mehr Länderspiele machen können.
Frank Baumann: Wenn ich lauter gewesen wäre und eine andere Position gespielt hätte, wäre ich nicht Profi geworden.
Frank Baumann: Die vielen kleinen Vereine sind noch immer die Basis für den Volkssport Fußball. Ich möchte auch die beiden Lager gar nicht gegeneinander ausspielen. Beide profitieren voneinander. Die Profivereine bekommen Spieler. Die großen Profiklubs mit ihren Stars sorgen dafür, dass Kinder Fußball spielen wollen. Und die Amateurvereine profitieren auch finanziell vom Profifußball. Bei Werder haben wir eine gute Beziehung zu den Vereinen im Umland. Oft sind es ja die Eltern, die ihre Kinder in die Nachwuchsleistungszentren (NLZ) drängen. Wir plädieren eher dafür, Kinder möglichst lange in ihrem Umfeld zu lassen. Wir begleiten Spieler oft über mehrere Jahre, ehe wir sie ins NLZ holen.
Josef Baumann: Ich bin ein strikter Gegner der NLZ. Schaut euch die Nachwuchsarbeit bei den Würzburger Kickers an. Da kommt doch nix rum! Bei so einem Aufwand müssten pro Jahr ein, zwei Spieler den Sprung in die 1. Mannschaft schaffen. Aber die Quote dort ist erbärmlich.
Frank Baumann: Die gesellschaftlichen Veränderungen führen aber auch dazu, dass es immer weniger Bewegungstalente gibt. Oft fehlt die Möglichkeit zum Bolzen, Sport hat durch die Ganztagesschule sowie die digitalen Möglichkeiten eine riesige Konkurrenz bekommen. In den kleinen Vereinen ist es schwierig, gute Trainer zu finden und ausreichend Trainingszeit zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist eine frühe Förderung in den NLZ wichtiger geworden, als sie es zu meiner Jugendzeit war.
Josef Baumann: Gute Trainer sind in der Tat ein großes Problem. Idealerweise haben sie selbst gespielt und bringen ein natürliches Spielverständnis mit. Wenn nicht, sage ich ihnen immer: Macht keine Übungen vor, erklärt sie lieber.
Frank Baumann: Mein Heimatverein! Ich hatte das Glück, in meiner Karriere nur bei drei Vereinen gespielt zu haben. Aus den Anfangsjahren habe ich viel mitgenommen, was auf und neben dem Platz wichtig ist. Kameradschaft beispielsweise. Wir waren in der Jugend eine tolle Truppe, die auch Mannschaften von größeren Klubs wie den Würzburger Kickers oder den FC Schweinfurt 05 geärgert hat. Zu einigen habe ich noch heute Kontakt.
Josef Baumann: Jetzt erzähle ich Ihnen mal etwas: Frank hätte damals in der Jugend nicht zum 1. FC Nürnberg gedurft, wenn er nicht gleichzeitig eine Ausbildung bei der Krankenkasse Barmer gemacht hätte. Mit den Kollegen von damals trifft er sich auch heute noch mindestens einmal im Jahr.
Josef Baumann: Richtig. Wobei ich ein traumatisches Erlebnis mit Werder habe. Zum meinem 60. Geburtstag 2009 haben sie mir ein Abschiedsspiel in Bremen geschenkt. Es waren ein paar Altstars aus Bremen dabei, alle meine vier Kinder haben mitgespielt – und ich war der schlechteste Mann auf dem Platz. Von zehn Pässen kamen elf nicht an. Es hätte ein Traumspiel werden können, wenn ich nicht dabei gewesen wäre.
Frank Baumann: Wir werden die Erfahrung aus rund 1200 Bundesligaspielen und vielen Länderspielen auf den Platz bringen. Ailton wird kommen, Clemens Fritz, Nelson Valdez. Und, die älteren werden ihn noch kennen: Mirko Votava. Auch David Schmieg wird dabei sein. Er hat früher beim WFV gespielt und leitet heute die Werder-Fußballschule. Es wird eine gute Mannschaft sein und ein großer Spaß für die Zuschauer werden.
Frank Baumann: Auf einer Skala von 0 bis 10 bin ich bei 0,5. Ich habe seit etwa zwei Jahren kaum Sport gemacht. Aber ich werde eine Halbzeit für Bremen und eine für Grombühl spielen.
Frank Baumann: Die Situation war tatsächlich nicht einfach. Aber ehrlicherweise hat das eher mit dem inneren Schweinehund zu tun.
Josef Baumann: Frank, du musst wieder was tun. Eine Stunde am Tag sollte drin sein. Aber ich habe schon Respekt davor, wie er Werder wieder auf Kurs gebracht hat. Ich glaube, da hat er ein wenig meine Gene. Wenn du Gewissheit hast und an dich glaubst, kannst du über der Kritik stehen.
Frank Baumann: Es geht in die Richtung. Man muss bei sich bleiben, das stimmt schon. Ich habe Entscheidungen immer im Sinne des Vereins getroffen. Manche kamen in der Öffentlichkeit nicht gut an, aber ich war davon überzeugt, dass sie richtig sind. Außerdem hat mich niemand zu dem Job gezwungen. Heftige Kritik, teils auch unter der Gürtellinie, sind leider auch Teil des Geschäfts.
Frank Baumann: Es ist richtig. Ich habe mir das Limit gesetzt, mit spätestens 50 hier aufzuhören und mir dann eine Auszeit zu nehmen. Für mich, meine Gesundheit, für die Familie und auch für den Verein ist das wichtig und richtig. Ob ich noch einmal verlängere bei Werder oder nicht, das werden wir im Winter besprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management