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Würzburg
Frank Baumann: Spätestens mit 50 ist Schluss bei Werder Bremen
Vor 20 Jahren wechselte der Würzburger zu Werder Bremen. Zur Heimat ist ihm die Stadt nicht geworden, und doch fühlt er sich dort zuhause. Ein Blick zurück – und nach vorn.
Frank Baumann, Geschäftsführer Sport beim Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen.
Foto: Tim Groothuis, Witters | Frank Baumann, Geschäftsführer Sport beim Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen.
Achim Muth
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:57 Uhr

Frank Baumann blickt nicht gerne zurück. Vergangenheit lässt sich nicht gestalten. Was war, das war. In seinem Büro im Bremer Weserstadion zeugt deshalb kein großflächiges Bild von all den Erfolgen in seinem früheren Leben als Fußballprofi. Und doch sind diese Wochen ein guter Anlass, um zurückzublicken. Vor 20 Jahren wechselte Baumann vom 1. FC Nürnberg nach Bremen, wo er rasch zu einer prägenden Figur und zum Kapitän aufsteigen sollte. Eine Dekade lang führte er als stiller Leader die Mannschaft zu zahlreichen Erfolgen, unter anderem wurde Werder 2004 deutscher Meister und Pokalsieger. Vor zehn Jahren dann beendete der gebürtige Würzburger im Alter von nur 33 Jahren mit dem Sieg im Pokalfinale gegen Leverkusen seine Spielerkarriere. "Ich habe es nie bereut, 2009 aufgehört zu haben", sagt der 43-Jährige heute, während draußen auf dem Trainingsplatz sein gerade mal drei Jahre jüngerer Ex-Teamkollege Claudio Pizarro noch rennt und schießt und schwitzt.

Es ist Mitte Mai 2019, in wenigen Stunden steht der letzte Bundesligaspieltag der Saison an. Wie immer vor Heimspielen, hat Werders Mannschaft Quartier bezogen im Bremer Park-Hotel, und jetzt sitzt Frank Baumann auf der sonnengetränkten Terrasse und blickt über den künstlichen See. Seit drei Jahren ist Baumann Geschäftsführer Sport des SV Werder Bremen, und am Vortag hat er Pizarros Vertrag um ein Jahr verlängert. Wenn er an die gemeinsame Zeit auf dem Platz denkt, muss Baumann schmunzeln: "Er ist ein Phänomen." Claudio sei ein Ausnahmesportler: "Er ist sehr ehrgeizig, lebt extrem diszipliniert und hat jeden Tag Lust auf Fußball." Die Vertragsverlängerung aber sei kein Dankeschön gewesen für einen verdienten Spieler, "Claudio hat seinen Wert in der Kabine und auf dem Platz". Wie zum Beweis wird der ewige Pizarro fünf Stunden später den Siegtreffer zum 2:1 gegen Leipzig schießen.

Mitverantwortlich für 100 Millionen Euro Umsatz und 170 Angestellte

Dass Frank Baumann der Übergang ins Nachsportlerleben so geräuschlos gelungen ist, liegt auch an seinem Wesen. Er verfolgt stets einen Plan. Nach einer einjährigen Auszeit ab 2009 absolvierte Baumann eine Art Lehrzeit als Assistent des damaligen Werder-Sportdirektors Klaus Allofs. Später stieg er auf zum Direktor Profifußball, war für das Scouting verantwortlich, ehe er 2015 noch einmal eine Auszeit vom Profifußball nahm. 2016 kam schließlich das Angebot, Geschäftsführer Sport bei Werder zu werden und damit gesamtverantwortlich zu sein für die sportliche Entwicklung des Klubs mit seinen über 100 Millionen Euro Umsatz und rund 170 festangestellten Mitarbeitern.

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Er hat nicht lange überlegt. Die Konstellation mit seinen beiden Geschäftsführerkollegen passe. "Wir haben bei Werder in den letzten Jahren den Grundstein gelegt, um wieder etwas Spannendes aufzubauen." Nach ersten Fehltritten und unbedachten Äußerungen nach der Entlassung von Trainer Alexander Nouri, hat sich Baumann in der Managerriege der Bundesliga einen guten Ruf erarbeitet. Einen, den das überhaupt nicht wundert, ist Harald Stenger. Der frühere DFB-Sprecher beschreibt Frank Baumann so: "Er hatte es nicht nur in den Füßen, sondern auch im Kopf." Es sei klug gewesen, so Stenger, nach der Karriere nicht sofort in die volle Verantwortung zu gehen, sondern das Geschäft erst zu lernen. Und dann fällt Stenger noch ein Wesenszug ein, den er zweimal wiederholt, vielleicht weil er so selten geworden ist in dieser aufgeplusterten Branche namens Profifußball: Bescheidenheit.

Seine Maxime klingt einfach: "Wirtschafte so, als wäre es dein eigenes Geld"

Wer Frank Baumann nach seiner Maxime im Job fragt, der erhält eine einfache Antwort, die sich angesichts des immer verrückter werdenden Milliardenmarkts fast schon anachronistisch anhört: "Wirtschafte so, als wäre es dein eigenes Geld." Kluge Transfers und die Entscheidung, Florian Kohfeldt zum Trainer machen, sorgten bei Werder für eine Trendwende. "Unsere Schnittmenge liegt bei fast 100 Prozent", so Baumann über die Zusammenarbeit mit dem 36-jährigen Coach. "Wir haben ein sehr großes Vertrauensverhältnis."

Lebt in der Ferne und ist doch heimatverbunden: Frank Baumann (rechts) im vergangenen Jahr bei der 125-Jahr-Feier seines Heimatvereins TSV Grombühl zusammen mit Oliver Jörg, Ehrenschützenmeister Helmut Fleischmann, Brigitte Riedel und Barbara Stamm (von links).
Foto: Angelika Cronauer | Lebt in der Ferne und ist doch heimatverbunden: Frank Baumann (rechts) im vergangenen Jahr bei der 125-Jahr-Feier seines Heimatvereins TSV Grombühl zusammen mit Oliver Jörg, Ehrenschützenmeister Helmut Fleischmann, ...

Baumann sei keiner, der das Scheinwerferlicht brauche, "aber er weiß, dass Medienpräsenz in seiner Funktion dazugehört", sagt Marc Hagedorn, Redakteur beim Bremer "Weserkurier" und langjähriger Werder-Beobachter. "Er platziert Themen ohne das Ballyhoo eines Uli Hoeneß oder früher Willi Lemke." Hagedorn findet, Baumann sei authentisch, unprätentiös und sehr fokussiert. "Er hat Werders Scouting verbessert", habe die digitalen Möglichkeiten der Spieleranalyse nicht abgeschafft, aber in diesem Bereich "auch wieder Menschen eingesetzt". Transfers wie Gnabry, Kruse, Klaassen oder Osako seien unter Baumanns Verantwortung geschehen. "Unter seinem Vorgänger Thomas Eichin war Werder klein wie lange nicht mehr. Es fehlte die Fantasie, wie es weitergehen könnte." Wer die Fans am letzten Spieltag gegen Leipzig erlebt hat, der ahnt, dass aus der Fantasie fast schon eine Euphorie geworden ist in Bremen, "und das ist ganz entscheidend ein Verdienst von Baumann". Auch Björn Knips, seit vielen Jahren Fußball-Reporter für die "Syker Kreiszeitung", hält Frank Baumann "für den starken Mann bei Werder". Zum 20-Jährigen in Bremen hat Knips dem Würzburger dieser Tage eine Würdigung gewidmet mit der Überschrift: "Baumann macht sein Ding."

"Heimat gibt's nur einmal, und das ist Würzburg."
Frank Baumann

20 Jahre. Fast die Hälfte seines bisherigen Lebens hat Frank Baumann nun schon in der Hansestadt verbracht. Ist Bremen zur Heimat geworden? "Heimat gibt’s nur einmal", antwortet er, "und das ist Würzburg. Aber Bremen ist zu einem Zuhause geworden. Wir fühlen uns sehr wohl hier, sind tief verwurzelt." Kein Wunder, beide Kinder, 19 und 16 Jahre alt, sind in Bremen geboren. "Ich bin leider nur noch selten in Würzburg, vielleicht zwei-, dreimal im Jahr." Das sportliche Gen wurde ihm von Vater Josef Baumann vererbt, der beim TSV Grombühl über viele Jahrzehnte so ziemlich jede Position bekleidet hat und der noch heute ein kritischer Beobachter des gesamten Fußball-Betriebs ist. Die Telefonate mit dem Vater beschreibt der Ex-Nationalspieler und Vizeweltmeister 2002 mit einem Augenzwinkern so: "Er ist selten zufrieden."

Baumanns nächste Station wird wieder eine Auszeit sein

Jetzt nun steht die neue Saison an. Gelingt Werder die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb? Wird der FC Bayern nach sieben dominanten Jahren mal wieder abgelöst als Meister? "Für die Bundesliga wäre es wichtig, dass es auch ganz oben wieder Spannung gibt", sagt Frank Baumann. Dafür müsste es ein, zwei Klubs gelingen, den Abstand zu den Münchnern zu verringern. "Ich traue das Dortmund, Leipzig und Leverkusen zu."

Und Werder? Den Vertrag mit Kohfeldt hat Baumann verlängert. Er selbst ist entspannt. Sein Vertrag läuft noch zwei Jahre, irgendwann in den nächsten Monaten wird er mit dem Aufsichtsrat die Zukunft besprechen: "Wir sind bei Werder auf einem ordentlichen Weg, aber noch nicht am Ende. Deshalb ist es für mich reizvoll, diesen Weg auch in den nächsten Jahren weiter mit zu begleiten."

Frank Baumann 2002 im Zweikampf mit Argentiniens Juan Pablo Sorin. Der Würzburger absolvierte in seiner Karriere 28 Länderspiele und gehörte zum Kader der Nationalelf bei der Weltmeisterschaft 2002 sowie der Europameisterschaft 2004.
Foto: Bernd Weißbrod, dpa | Frank Baumann 2002 im Zweikampf mit Argentiniens Juan Pablo Sorin. Der Würzburger absolvierte in seiner Karriere 28 Länderspiele und gehörte zum Kader der Nationalelf bei der Weltmeisterschaft 2002 sowie der ...

Und dann? Was wird in zehn Jahren sein? Auch dafür hat Frank Baumann einen Plan. Natürlich. "In zehn Jahren werde ich kein Geschäftsführer mehr bei Werder Bremen sein. Meine nächste Station wird wieder eine Auszeit sein." Spätestens mit 50 möchte er aufhören. Der Job an vorderster Front verlange ihm viel ab, ist intensiv "und energieraubend", wie er sagt. Doch er handelt nicht nur aus Eigen- und Familieninteresse, auch aus Sicht des Vereins seien neue Impulse, neue Ideen wichtig. Wenn es die sportliche Entwicklung zulässt, würde er gerne ein bestelltes Feld hinterlassen "und vielleicht meinen Nachfolger aufbauen" – so wie es Klaus Allofs mit ihm gemacht hat. 

Ein mächtiger Mann wagt sich an den Tisch auf der Hotelterrasse. "Ich will nicht stören", sagt er, und hat es doch schon getan. "Kein Problem", sagt Baumann und lächelt. Er sei seit vielen Jahren Werder-Fan und einfacher Arbeiter bei Airbus, so der Mann, "ich wollte Ihnen einfach nur mal sagen: Sie machen einen super Job". Und jetzt hätte er nur noch eine Frage: "Wird Pizarro auch nächste Saison bei uns spielen?" Die Nachricht über die Vertragsverlängerung sollte erst in zweieinhalb Stunden vor dem Spiel gegen Leipzig im Stadion bekanntgegeben werden. Baumann nickt.

 
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