FC Midtjylland. Das klingt im ersten Moment nach skandinavischer Margarine und dürfte wohl nur gebürtigen Dänen fehlerfrei über die Lippen gehen, ist inzwischen aber einer der Fußball-Spitzenklubs unserer Nachbarn im Norden - und die neue Heimat des Ex-Kickers-Angreifers Luca Pfeiffer. Der durfte für seinen aktuellen Klub in der Champions League ran.
Anfang Oktober hatte der 24-Jährige den Würzburger Zweitligisten in Richtung Dänemark verlassen, um für die "Wölfe" auf Torejagd zu gehen. An diesem Dienstag hat es für Pfeiffer in der europäischen Königsklasse nicht geklappt mit einem Treffer - bei seinem Champions-League-Debüt an der Anfield Road verlor der gebürtige Bad Mergentheimer mit dem dänischen Meister bei Jürgen Klopps FC Liverpool 0:2.
"Wird noch lange dauern, bis ich das wirklich realisiere"
Zugegeben: Viel Zeit, um seinen neuen Klub mit einem Tor gegen Liverpool zu helfen, hatte Pfeiffer nicht. In der 81. Minute für Sory Kaba eingewechselt, machte die ehemalige Rothose mit einem Kopfball auf sich aufmerksam. "Das wird noch lange dauern, bis ich wirklich realisiere, was da passiert ist", erzählt der Stürmer kurz nach seiner Ankunft in Dänemark einen Tag nach der Partie am Telefon. "Hätte mir mir das jemand vor vier Jahren erzählt, hätte ich ihn ausgelacht." Um nachzuschieben: "Klar hast du da die Hosen voll." Auf dem Rasen fühlte es sich dann aber "wie ein normales Spiel an, da bist du fokussiert".
Etwas mehr Zeit blieb dem letztsaisonalen Kickers-Toptorschützen, sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Geografisch im mittleren Teil Jütlands (Mittleres Jütland = Midtjylland) gelegen, ist die mit etwa 50 000 Einwohnern eher beschauliche Stadt Herning seit rund vier Wochen nun Pfeiffers zu Hause. Eine ländliche, stürmische Gegend, vor der selbst die Krähen umdrehen - so zumindest ein jütländisches Sprichwort. Das muss der Angreifer nicht zwingend verstehen, die Kommunikation läuft auf Englisch ("Ich glaub mein Englisch ist ganz ok"), die Umstellung sei trotzdem groß gewesen. "Es ist zwar das Nachbarland, aber trotzdem eine andere Welt." Eingelebt habe er sich trotzdem schon jetzt ganz gut.
Mathematik als Erfolgsmodell
Genau in diesem dänischen Niemandsland schickt sich eben jener FC Midtjylland, im Jahr 1999 aus dem Zusammenschluss der Vereine Herning Fremad und Ikast FS entstanden, an, den Fußball neu zu erfinden. Oder zumindest die Art, ihn zu denken: Mathematische Modelle und Algorithmen spielen eine zentrale Rolle bei dem Klub, bei dem Rasmus Ankersen den Vorstandsvorsitz übernommen hat. Der wiederum implantierte dem Verein die analytische Denke Matthew Benhams, ein britischer Unternehmer, der mit professionellen Sportwetten reich geworden war. Benham hält etwa drei Viertel der Anteile an dem Klub.
Ankersen und Benham haben den FC Midtjylland nicht nur aus der zweiten dänischen Liga in die Superliga und innerhalb von vier Jahren zu zwei Meistertiteln geführt, sondern den Verein zum wohl digitalsten Klub der Welt gemacht. Von langfristigen Entscheidungen wie Transfers bis hin zu konkreten Spielsituationen wie die Ausführung eines Eckstoßes: Allen Entscheidungen liegen mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu Grunde.
Ob genau aus diesem Grund auch Luca Pfeiffer geholt wurde? Zumindest die kolportierte Ablösesumme von 1,5 Millionen Euro - die Website "transfermarkt.de" beziffert Pfeiffers Marktwert auf 325 000 Euro - legt nahe, dass die Dänen den 1,96-Meter-Mann unbedingt zu sich lotsen wollten. "Wir haben nicht viel über Statistiken geredet", sagt Pfeiffer lachend über die Verhandlungen. "Nach Standards habe ich in der letzten Saison nur ein Tor gemacht, glaube ich." Fünfzehn waren es insgesamt für die Kickers in der Dritten Liga.
Pfeiffer glaubt an Klassenerhalt der Kickers
"Extrem schwierig" sei die Entscheidung gewesen, Würzburg den Rücken zuzukehren. "Würzburg ist meine Heimat, ich liebe diese Stadt. Was wir letztes Jahr mit diesem Team erreicht haben, war einzigartig", erzählt er. Richtige Freundschaften seien da entstanden, Kontakt hat Pfeiffer noch zu vielen ehemaligen Teamkollegen. Irgendwann zurückzukehren sei definitiv eine Option, auch wenn jetzt er in Dänemark, die Kickers in der Zweiten Bundesliga angreifen. Die Frage nach dem Klassenerhalt der Rothosen beantwortet der Stürmer schnell und eindeutig: "Ja."
In der Königsklasse steht Pfeiffers neuer Verein nach zwei Spielen punktlos auf dem letzten Platz der Gruppe D. Schwer vorstellbar, dass die Dänen, denen der FC Liverpool, Atalanta Bergamo und Ajax Amsterdam zugelost wurden, den Einzug in die K.o.-Runde schaffen. In der Liga sind sie aber auf Kurs: Nach sechs Spielen und 13 Punkten teilt sich der FCM den Spitzenplatz mit zwei weiteren Teams. Gut möglich also, dass der FC Midtjylland auch künftig im europäischen Spitzenfußball vertreten sein wird - und die erste Assoziation mit dem Verein in ein paar Jahren nicht skandinavische Margarine, sondern Champions League sein wird.