
Die Messe war schon längst gelesen. 0:3 hatten die Würzburger Kickers gegen 1860 München verloren. In der Fußball-Drittliga-Tabelle stehen die Rothosen weiter auf dem vorletzten Rang. Schöne Bescherung! Da wurde Rothosen-Torhüter Hendrik Bonmann, anstelle des auch im letzten Spiel des Jahres über 90 Minuten nicht eingewechselten Christian Strohdiek auch De-Facto-Kapitän, gefragt, ob er in den nächsten stillen Tagen auch mal abschalten könne. "Komplett kann man nicht abschalten", sagte der spürbar angefressene Keeper: "Wenn man ein Jahr auf dem Abstiegsplatz war, kann man das nicht. Ich kann an keinem Tag unter der Woche abschalten, ich kann an keinem freien Tag abschalten. Es frisst mich langsam auf."
Der Frust sitzt tief, die Ratlosigkeit auch. Was nutzen all die Appelle, all die guten Vorsätze? Was nutzt es, dass es im Training in dieser Woche auch mal so richtig hoch herging, dass die Mannschaft gewiss gewillt war, zum Jahresabschluss noch einmal ans Leistungslimit zu gehen? Die Kickers stießen schon wieder einmal an ihre Grenzen. Nicht etwa, weil die Münchner Löwen so stark gewesen wären. Den Gästen reichte ein unterkühlt effizienter Auftritt, um die Rothosen eiskalt abzukanzeln.
"Wenn wir mal einen Knipser vorne drin gehabt hätten, hätten wir locker führen können", sagte Bonmann über die erste Halbzeit. Ob er damit den kurzfristig erkrankten Marvin Pourié meinte, der sich erst am Spieltag beim Trainer abgemeldet hatte? Auch mit dem vermeintlichen Goalgetter, für den vier Tore in dieser Saison zu Buche stehen, waren die Kickers in dieser Saison ja oft ungefährlich.
Die Traute vor dem gegnerischen Kasten, die Durchsetzungskraft am Strafraum – das bleiben weiter die Probleme der ganzen Kickers-Mannschaft. Wenn dann, wie am Montagabend ohne den gesperrten Innenverteidiger Lars Dietz, auch noch unübersehbare Schwächen im Defensivverbund hinzukommen, dann lautet das Fazit schlicht: nicht Drittliga-tauglich.
Auch eine Frage der Herangehensweise sei das, fand Bonmann: "Wir müssen irgendwann mal kapieren, wie der Fußball hier gespielt wird." Das, was die Kickers zeigten, fasste er mit den Worten "brotlose Kunst" recht passend zusammen. Viel Aufwand, kein Ertrag. Ein Fazit, das auf allzu viele Spiele in dieser Kickers-Saison zutrifft.
An der grundsätzlichen Ausrichtung wolle er nicht rütteln, erklärte Trainer Danny Schwarz. "Ein gutes Spiel gemacht" habe sein Team, fand er. Wenn am Ende eines solchen ein 0:3 gegen einen keineswegs überlegenen Gegner steht, muss das durchaus zu denken geben. "Es fehlt ein bisschen etwas", versuchte Schwarz, das, was den Kickers derzeit abgeht, möglichst klein zu reden. Kein Wunder, schließlich muss er ab Januar ja versuchen, aus diesem Team möglichst so viel herauskitzeln, dass es zum Klassenerhalt reicht. Dass der Klub in Sachen Neuzugänge wohl keine Wunder vollbringen kann, hatte Sportdirektor Sebastian Neumann unter der Woche bereits anklingen lassen.
"Wir werden uns neu aufstellen", kündigte Schwarz an. Man darf gespannt sein, was er darunter versteht. Durcheinander gewürfelt wurde der Kader seit Saisonbeginn ja ohnehin schon deutlich. Man erinnere sich nur daran, dass beim Hinspiel in München Strohdiek noch als Spielführer die Mannschaft aufs Feld führte und die dicke Chance zum 1:1-Ausgleich liegen ließ. In den letzten fünf Spielen wurde der 33-jährige Ex-Erstliga-Spieler noch nicht einmal mehr eingetauscht - trotz fünf Wechselmöglichkeiten.
Dem Team fehlt es, so macht es zumindest den Anschein, an Führung. Gespenstisch leise ist es in der Mannschaft. Das ist bei Geisterspielen, wie am Montag, deutlich zu hören. Beziehungsweise eben nicht. Dass dies ein Problem ist, da will Bonmann auf Nachfrage gar nicht widersprechen: "Wenn Sie das von oben so ansprechen, wird das wahrscheinlich so sein."
Es bleibt am Ende dieses Jahres nicht viel, was Freude macht. Zeit also, Abstand zu gewinnen und den Kopf frei zu kriegen. Wie das passieren kann, bis es gleich nach dem Jahreswechsel mit der Vorbereitung auf die Restsaison wieder los geht, darüber grübelt auch Bonmann: "Zeit mit der Familie und Freunden verbringen. Froh sein, dass man gesund ist. Und vielleicht Alkohol trinken."