Einmal hat er selbst schon gegen die Rimparer Wölfe in der s.Oliver Arena gespielt: in einem Test im Sommer 2017, damals noch im Trikot der Rhein-Neckar Löwen. Die Mannheimer waren nur einer der internationalen Topklubs, bei denen Gudjon Valur Sigurdsson in mehr als zwei Jahrzehnten als Handball-Profi unter Vertrag stand. Dann beendete Corona in diesem Jahr die aktive Karriere des 364-fachen isländischen Nationalspielers, der 2008 Olympia-Silber gewann und mit 1875 Treffern der weltweit erfolgreichste Länderspieltorschütze ist. Überraschend kehrte der Linksaußen nach zwölf Jahren zum VfL Gummersbach zurück. Noch überraschender: diesmal als Trainer. Eine mediale Bombe in der Zweiten Bundesliga.
Sigurdsson ist einer der stillen Stars seines Sports. Er gewann mit dem FC Barcelona die Champions League (2015), acht nationale Meistertitel in fünf Ländern und Ligen plus mehrere Pokale. Trotz aller Höhenflüge hat der 41-Jährige nie Bodenhaftung verloren. Vor dem Gummersbacher Gastspiel in Würzburg verriet er im Interview, wie er als Trainer sein will, ob er sich selbst einwechseln würde und warum er sich als dreifacher Vater wegen seiner Karriere manchmal auch Vorwürfe gemacht hat.
Gudjon Valur Sigurdsson: Ich hoffe natürlich, dass ich meinen Spielern etwas beibringen kann, was ich selbst gelernt habe in meiner aktiven Karriere. Aber noch bin ich vor allem ein unerfahrener Trainer. Ich hatte das Glück, bei den Weltbesten lernen zu dürfen...
Sigurdsson: ...alle absolute Handball-Fachmänner, nicht nur taktisch stark, sondern auch charakterlich gut. Ich habe von allen etwas gelernt und bin mir nicht zu schade, sie als Neuling um Rat zu fragen. Trotzdem will ich die Sache so machen, wie ich sie für richtig halte. Ich komme nicht in die Halle und sage zu den Jungs: Macht es wie Barcelona oder macht es wie Kiel. Ich muss lernen, ihnen zu erklären, wie ich spielen will.
Sigurdsson: Mir ist natürlich wichtig, dass meine Spieler hart arbeiten, fit sind und sich entwickeln, aber vor allem sollen sie auch Spaß haben.
Sigurdsson: Ich will ich bleiben. Und ich möchte, dass wir einen respektvollen, menschlichen Umgang miteinander pflegen.
Sigurdsson: Wahrscheinlich nicht. Oder ich hätte nach einer normalen Saison zumindest eine Pause eingelegt.
Sigurdsson: Überhaupt nicht. Es hat eher geholfen. Abschiedszeremonien waren mir nie angenehm. Ich bin dankbar dafür, bei welchen Vereinen ich spielen durfte und ich hätte gerne die letzten Ligaspiele und das Champions-League-Final4 mit Paris noch bestritten. Aber nun ist es so gekommen. Ich beschäftige mich nicht allzu sehr damit.
Sigurdsson: Ich muss nicht in einer Weltstadt leben. Mir geht es darum, dass es mit dem Verein passt. Und das Gefühl hatte ich bei Gummersbach. Meine Frau und ich fühlen uns hier wohl, wir fanden das einen guten ersten Schritt ins Trainerdasein. Dass ich einmal Trainer werden würde, war für mich eine logische Fortsetzung meiner Karriere. Ich bin glücklich, diese Chance bekommen zu haben. Und die Liga ist sehr reizvoll. Sie spielt ein bisschen verrückt. Wie wir jedes Wochenende sehen, kann jeder jeden schlagen.
Sigurdsson: Absolut!
Sigurdsson: Zum Beispiel. (lacht) Oder beim Siebenmeterwerfen. Oder in spannenden und wichtigen Phasen von Spielen. Oder schon beim Einlaufen in die Halle, wenn sich die Jungs gegenseitig pushen. Dann kriegt man natürlich das Gefühl, dass es geil wäre, jetzt hinter einem Ball herzurennen. Das geht glaube ich nie ganz weg.
Sigurdsson: Könnte ich machen. (lacht, kurze Pause) Aber werde ich nicht tun.
Sigurdsson: Ne. Wenn überhaupt ginge es als Spielertrainer nur auf Rückraum Mitte oder in der Abwehr.
Sigurdsson: Sie haben es mitgemacht, aber es war nicht immer einfach, vor allem nicht bei Umzügen zwischen Ländern. Als Vater hat es mich natürlich sehr geschmerzt, wenn es den Kindern erst mal nicht so gut ging. Dann habe ich mich selbst hart kritisiert und mich oft gefragt: Warum mache ich das überhaupt? Zum Glück ging es ihnen nach ein paar Monaten immer besser. Unsere Töchter wohnen jetzt auf Island und studieren da. Heute sind sie froh, dass Sie mehrere Sprachen sprechen. Unser Sohn ist mit uns in Gummersbach. Der Kleine kommt hier sehr gut zurecht.
Sigurdsson: Jein. Jason hat irgendwann mal mitgekriegt, dass es bei youtube Videos von mir gibt. Da war er voll begeistert. Ich hab ihm das nie gezeigt, für meine Kinder bin ich der Vater und nicht der Sportler. Aber für sie war es normal, nach gewonnenen Spielen in Barcelona, Mannheim oder Paris in die Kabine zu kommen oder auch mal im Mannschaftsbus zu sein. Sie sind damit aufgewachsen, einen Palmarsson, Karabatic, Hansen, Sagosen oder Andy Schmid zu grüßen, denn für sie sind es nicht die weltbesten und berühmtesten Handballer, sondern einfach Freunde von Papa. Mein Sohn hat sich bei den Rhein-Neckar Löwen einmal, als wir nach einem Spiel Autogramme gegeben haben, einen Stift geholt, weil er dachte: Alle, die ein Löwen-Trikot anhaben, sollten jetzt Autogramme schreiben. Also hat er einfach mitgemacht.
Sigurdsson: Ziemlich süß! Es ist toll, dass Kinder ein Teil von Vereinen sind und dass sie das bei meinen miterleben durften. So hatten sie zumindest auch was davon, dass sie so oft umziehen mussten.
Sigurdsson: Momentan bestimmt Handball das Leben. Ich wache morgens auf, bringe meinen Sohn in die Schule, trainiere erst selbst und dann mit der Mannschaft, fahre nach Hause und bereite das nächste Training oder Spiel vor. Wir wollen mit Gummersbach wieder aufsteigen. Dafür müssen wir jeden Tag hart arbeiten, denn kein einziges Spiel haben wir schon vorher gewonnen. Wir haben maximalen Respekt vor jedem Gegner und schauen immer nur auf den nächsten. Und das ist jetzt Rimpar.