
Mit Selbstverständlichkeiten ist es so eine Sache. Wenn der auswärts noch sieglose, mit bislang nur einem Sieg abgeschlagene Tabellenletzte, der seine Partien mit durchschnittlich mehr als 20 Punkten Differenz verloren hat, ein Stelldichein gibt, stellt sich dem geneigten Zuschauer nicht die Frage ob, sondern allenfalls wie hoch der Erfolg am Ende ausfallen wird.
Insofern war es fast schon ein wenig verwunderlich, wie ausgelassen Basketball-Bundesligist FIT/One Würzburg Baskets und seine Anhänger am Freitagabend den hauchdünnen 79:78-(43:36)-Sieg gegen die BG Göttingen nach der Schlusssirene zelebrierten. Cheftrainer Sasa Filipovski persönlich stimmte die Sieges-"Humba" an, ließ sich und seinen Coaching-Staff von den Fans mit Sprechchören feiern, und die Mannschaft hüpfte freudig im Einklang mit dem Fanblock um die Wette.
"Keiner erwartet, dass Göttingen hier gewinnt. Das sind die gefährlichsten Gegner, die kämpfen um ihr Überleben. Und es sind auch Profis, die genau wissen, wie das Spiel funktioniert", ordnete Baskets-Center Owen Klassen, nicht nur wegen seiner 15 Punkte und acht Rebounds bester Mann auf dem Parkett, den neunten Saisonsieg im 13. Spiel ein: "Für das vierte Spiel binnen zwölf Tagen hatten wir ein gutes Energielevel. Wir sind sehr froh über diesen Sieg", ergänzte der Kanadier.
Jackson war einer der "flotten Jungs"
Vermutlich trug auch die Dramaturgie der Schluss-Sequenz ihren Teil zur allgemeinen Fröhlichkeit unter den 3140 Zuschauerinnen und Zuschauern in der abermals ausverkauften tectake-Arena bei. Den Niedersachsen gelang es bei 22,3 Sekunden Rest-Spielzeit nicht mehr den Ball zurückzugewinnen oder durch ein Foul die Uhr zu stoppen.
Statt die Würzburger an die Freiwurflinie zu zwingen, um anschließend nochmal selbst die Chance auf einen Abschluss zu haben, lief die Spieluhr herunter. "So was habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt. Wir hatten einige flotte Jungs auf dem Parkett", sagte Klassen lächelnd, während der neben ihm stehende Spielmacher Jihvvan Jackson schelmisch grinste.
Der 26-jährige Baskets-Topscorer aus den USA war einer der "flotten Jungs" und ein weiterer Erfolgsgarant, weil er gerade im Schlussviertel, als das Spiel Spitz auf Knopf stand, entscheidende Impulse setzte und zehn Zähler markierte. "Ich habe versucht, offensiv die Aggressivität in meinem Spiel etwas zu erhöhen, weil ich in den Eindruck hatte, damit dem Team helfen zu können. Wir haben viele offene Würfe vergeben, aber am Ende einen Weg gefunden, das Spiel zu gewinnen", so der 1,83-Meter-Mann.
Verletzungsprobleme bei den Baskets
"Es war eine Mischung aus Müdigkeit und Verletzungen, die es schwierig gemacht hat. Daher bin ich umso glücklicher über diesen Erfolg", resümierte Trainer Filipovski. Wohl wissend, dass die nächsten Aufgaben in Oldenburg und gegen Vechta zum Hinrunden-Abschluss noch herausfordernder werden dürften.
Der Sieg gegen Göttingen jedenfalls war ein Fingerzeig, dass es mit dem aktuell zur Verfügung stehenden Kader die kommenden Wochen schwierig werden könnte, den Platz in der Spitzengruppe in einer tabellarisch dicht gedrängten Liga zu zementieren: Back-up-Center Fabian Bleck fällt mit Knieproblemen auf unbestimmte Zeit aus, Flügelspieler Nelson Philipps schleppte sich mit Wadenproblemen durch die Partie gegen Göttingen.
Seljaas-Ersatz wird gesucht
Am schwersten aber wiegt der Ausfall von Zac Seljaas. Der Baskets-Kapitän hatte sich im Franken-Derby gegen Bamberg einen Muskelbündelriss im Oberschenkel zugezogen und droht bis zu zwei Monate auszufallen. Da auch die Position des Anfang Dezember geschassten US-Guard Mike Davis Jr. noch nicht nachbesetzt ist, ist die Spielerdecke derzeit reichlich dünn bei den Würzburgern. Und Ende Januar, mit dem Start der Zwischenrunde in der Basketball Champions League (BCL), wird die Belastung weiter steigen. "Wir werden etwas tun müssen und werden auch etwas tun", bestätigte Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler.
Oberste Priorität habe dabei laut Filipovski die Suche nach einer Interimslösung für Seljaas, der dem Team nicht nur als treffsicherer Distanzschütze und Rebounder, sondern auch als emotionaler Anführer auf dem Parkett abgeht. "Der Transfermarkt ist aktuell schwierig, viele Vereine suchen Verstärkungen. Aber wir haben ein klares Anforderungsprofil: Wir suchen jemanden mit gutem Charakter und hohem Basketball-IQ, der bereit ist, sich in das bestehende Teamgefüge einzureihen", so der 50-jährige Slowene.
Basketball: Bundesliga, Männer
FIT/One Würzburg Baskets – BG Göttingen 79:78 (22:21, 21:15, 15:21, 21:21)
Würzburg: Klassen 15, Jackson 14, Williams 11, Philipps 10, Lewis II 8, Ugrai 6, Wank 6, Steinbach 5, Kone 4, Skladanowski (nicht eingesetzt).
Göttingen: Holder 17, Wiggins 13, Ensminger 11, Welp 10, Mönninghoff 8, Boeheim 7, Hammond 7, Mushidi 5, Ververs, Jünemann, Schulz (nicht eingesetzt).
Rebounds: 36 – 30. Vorlagen: 15 – 19. Ballverluste: 11 – 15. Treffer aus dem Feld: 29/62 (47%) – 25/52 (48%). Dreier: 7/30 (23%) – 11/25 (44%). Freiwürfe: 14/21 (67%) – 17/21 (81%). Zuschauende: 3140.