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AUSDAUERSPORT
Galibier und Alpe d'Huez: Zwei Unterfranken fahren legendäre Bergankünfte der Tour de France
Am Samstag hat das bekannteste Radrennen der Welt begonnen: die Tour de France. Daniel Drescher und Jochen Jörg sind den Profis vorausgefahren.
Bis hierhin und nicht weiter: Wenige hundert Meter vor dem Gipfel des 2645 Meter hohen Col du Galibier war der Aufstieg für Jochen Jörg (links) und Daniel Drescher abrupt beendet. Es lag so viel Schnee, dass sogar das Räumfahrzeug kapituliert hatte.
Foto: Jochen Jörg | Bis hierhin und nicht weiter: Wenige hundert Meter vor dem Gipfel des 2645 Meter hohen Col du Galibier war der Aufstieg für Jochen Jörg (links) und Daniel Drescher abrupt beendet.
Uli Sommerkorn
 |  aktualisiert: 15.07.2024 21:48 Uhr

An diesem Dienstag quälen sich die Fahrer bei der ersten Alpenetappe der Tour de France den Col du Galibier hoch. Hinauf auf 2645 Meter über dem Meeresspiegel. Zwei Freunde aus dem Landkreis Würzburg, die leidenschaftlich dem Ausdauersport frönen, sind den Radprofis quasi schon vorausgefahren.

Anfang Juni haben Daniel Drescher aus Mühlhausen und Jochen Jörg aus Estenfeld mit ihren Fahrrädern nicht nur die Steigung zum Col du Galibier bewältigt, sondern auch die Anstiege zu fünf anderen bekannten Bergankünften der Tour.

Allerdings sind Drescher und Jörg beim Col du Galibier, anders als bei den fünf anderen Anstiegen, nicht ganz auf die Passhöhe hinaufgekommen. Das lag allerdings nicht an etwaiger Erschöpfung, sondern schlicht am Wetter. Knapp 100 Höhenmeter unterhalb der Passhöhe war bei der letzten Einkehrhütte Schluss, weil Anfang Juni in den Savoyer Hochalpen noch derart viel Schnee lag, dass es selbst für motorisierte Räumfahrzeuge nicht mehr weiterging – und für Fahrradfahrer natürlich erst recht nicht. 

Üppiger und später Schneefall

"Wir standen plötzlich in einem Schneefeld", berichtet Drescher. "Die Einheimischen haben uns gesagt, dass das im Juni eine einmalige Sache war, weil es heuer viel und spät geschneit hat. Ein bisschen hat es uns schon geärgert, dass wir nicht hoch konnten." Sein Freund Jörg ergänzt, dass beide sogar kurzzeitig darüber nachgedacht hätten, die Fahrräder durch den Schnee auf die Passhöhe zu tragen, diesen Plan dann aber doch verworfen hätten.

Der härteste Aufstieg kam am letzten Tag: Zum 2413 Meter hohen Col du Granon beträgt die durchschnittliche Steigung fast 10 Prozent. Für Radfahrer wie Daniel Drescher eine echte Herausforderung.
Foto: Jochen Jörg | Der härteste Aufstieg kam am letzten Tag: Zum 2413 Meter hohen Col du Granon beträgt die durchschnittliche Steigung fast 10 Prozent. Für Radfahrer wie Daniel Drescher eine echte Herausforderung.

Gleichwohl hätte Drescher den höchsten Pass der gemeinsamen Klettertour mit den Fahrrädern nur zu gerne erreicht: "Es ein tolles Gefühl, wenn du oben ankommst und ins Tal schaust", schildert er die Motivation, die Berge hinaufzufahren. Nun aber wird der Chirurg am Würzburger Juliusspital den Galibier von ganz oben nur im Fernsehen bei der Tour-Übertragung sehen: "Am Dienstag muss ich unbedingt rechtzeitig Feierabend machen, weil ich mir natürlich die Etappe ansehen will."

Übrigens: Die Radprofis bei der Tour werden nicht mit denselben witterungsbedingten Extremen konfrontiert sein wie die beiden Ausdauersportler aus Unterfranken. Der Schnee ist mittlerweile weitgehend geschmolzen, die Wettervorhersage meldet für Dienstagnachmittag Plustemperaturen.

7500 Höhenmeter an fünf Tagen

Neben dem Col du Galibier bewältigten Drescher und Jörg an fünf aufeinanderfolgenden Tagen auch die Anstiege nach Alpe d'Huez und nach Les Deux Alpes, die im Jahr 2024 nicht Teil des Tour-Programms sind, sowie die zum Col d'Izoard, Col du Granon und Col de Sarenne, was in der Summe rund 7500 Höhenmeter ausmacht.

Da liegt der Schluss nahe, dass zwei Flachländern die Bedingungen im Hochgebirge körperlich zu schaffen machen könnten. Doch dem war nicht so. "Mit der Luft ging es, auch hatten wir hinterher kaum Muskelkater. Ich hatte mir das schlimmer vorgestellt", sagt Jörg.

Eine der letzten Kurven vor dem Gipfel: Jochen Jörg (links) und Daniel Drescher kurz vor ihrer Ankunft am 2361 Meter hohen Col d’Izoard, dem Ziel ihrer vierten Etappe.
Foto: Jochen Jörg | Eine der letzten Kurven vor dem Gipfel: Jochen Jörg (links) und Daniel Drescher kurz vor ihrer Ankunft am 2361 Meter hohen Col d’Izoard, dem Ziel ihrer vierten Etappe.

Ein Grund liegt sicher darin, dass beide gut vorbereitet waren. Der Mediziner Drescher und der Journalist Jörg treiben hohen Trainingsaufwand und legen den Weg von ihren Wohnorten im Landkreis zu ihren Arbeitsplätzen nach Würzburg häufig mit den Fahrrädern zurück. Ein weiteres Geheimnis liegt darin, sich seine Kräfte klug einzuteilen.

"Ich bin mit der Pulsuhr hochgefahren, damit es nicht über ein gewisses Level hinausgeht. Gerade unten denkt man, dass immer noch ein bisschen mehr geht, aber die Steigungen sind lang", sagt Drescher. Auch fuhren beide am Berg nicht zusammen, sondern jeder schlug sein eigenes Tempo an.

So vermieden sie eine Übersäuerung der Muskulatur. Was aber beileibe nicht heißt, dass die unterfränkischen Ausdauersportler die Berge im Schneckentempo bewältigt hätten. "Wir wollten nicht nur einfach hochkommen, sondern schon gute Zeiten fahren. Aber wenn du merkst, dass du für die 21 Kehren nach Alpe d'Huez über eine Stunde brauchst und Marco Pantani es damals in 37 Minuten geschafft hat, dann weißt du, was das für ein Unterschied ist", gibt Jörg zu bedenken.

Die 36 Minuten und 50 Sekunden vom 2004 verstorbenen Marco Pantani aus dem Jahr 1995 waren die beste Zeit, die ein Tour-Fahrer für die knapp 14 Kilometer nach Alpe d'Huez hingelegt hat. Bedenkt man aber, dass der fünfmalige Toursieger Bernard Hinault im Jahr 1986 ganze 48 Minuten in den Skiort hinaufbrauchte, verdeutlicht dies, was auch eine Zeit von knapp über eine Stunde wert ist.

21 Serpentinen, 14 Kilometer: Der Anstieg nach Alpe d'Huez ist einer der berühmtesten des Radsports, ein Klassiker der Tour de France. Jochen Jörg fuhr ihn in einem Gelben Trikot des Teams Telekom, das er sich 1997 nach dem Tour-Sieg von Jan Ullrich gekauft hatte.
Foto: Jochen Jörg | 21 Serpentinen, 14 Kilometer: Der Anstieg nach Alpe d'Huez ist einer der berühmtesten des Radsports, ein Klassiker der Tour de France.

Wobei nicht nur die Zeit beim Anstieg nach Alpe d'Huez bei Drescher und Jörg für gute Laune sorgte, sondern auch die Stimmung an der Strecke. Denn just an dem Tag, an dem beide den Anstieg in Angriff nahmen, hatte eine niederländische Stiftung, die die Krebsvorsorge finanziell unterstützt, zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung an dem legenden Berg eingeladen, bei der zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ihren Fahrrädern nach oben fuhren.

Im Gelben Trikot nach Alpe d'Huez

"Der ganze Berg war voller Holländer. In jeder der 21 Kehren standen Leute mit Lautsprecherboxen oder andere, die dich angefeuert haben", berichtet Jörg. Das habe sich fast ein bisschen so angefühlt wie die Stimmung bei einer echten Bergankunft bei der Tour, wobei er selbst in einem Gelben Trikot des damaligen Teams Telekom nach Alpe d'Huez fuhr.

"Das habe ich mir 1997 gekauft, nachdem Jan Ullrich die Tour gewonnen hatte", sagt Jörg, der dem Anstieg immer noch mit einer gewissen Ehrfurcht begegnet: "Es ist schon ein erhebendes Gefühl, wenn du weißt, welch sagenumwobener Berg das ist."

Auf jeden Fall haben die Erlebnisse bei den beiden Lust auf mehr gemacht, die nächsten Touren sind schon in Planung. So wollen sie Bergankünfte des Giro d'Italia und der Tour de Suisse nachfahren. Und außerdem planen sie ihre eigene Deutschland-Tour, die einmal von Nord nach Süd führen soll: vom Sylter Ellenbogen bis zum Haldenwanger Eck im Allgäu.

Transparenzhinweis: Jochen Jörg ist Redakteur dieser Redaktion.

 
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