
Beim Familienurlaub in der Toskana sammelt sie derzeit Kraft für die Olympia-Saison. Mit der gerade abgelaufenen kann Leonie Ebert persönlich zufrieden sein. In der Weltrangliste hat sich die Florettfechterin gegenüber dem Vorjahr sogar um zwei Plätze verbessert auf den sechsten Rang. „Alles in Ordnung“, sagt die Würzburgerin, die als 19-Jährige die mit Abstand Jüngste in der Weltklasse ist. Als Einzelstarterin wird es Ebert, wenn im kommenden Winter nichts Unvorhergesehenes passiert, auf jeden Fall zu den Olympischen Spielen 2020 nach Tokio schaffen. Doch sie will unbedingt mit der ganzen Mannschaft dorthin. Das aber wird beileibe kein Selbstläufer werden.
Bei der Weltmeisterschaft vor wenigen Tagen in Budapest scheiterte das Quartett aus dem Bundesstützpunkt Tauberbischofsheim bereits im ersten K.o.-Gefecht an Polen, dem großen Rivalen auf dem Weg nach Tokio. Nur Platzierungsrunde, das entsprach nicht den Erwartungen von Ebert, Anne Sauer, Eva Hampel und Carolin Golubytskyi. Hampel tritt als Einzige noch für den FC Tauberbischofsheim an, die drei anderen waren 2018 zu Future Fencing im benachbarten Werbach gewechselt.
Nach der bitteren Niederlage gegen Polen zusammengerissen
„Wir hatten alle Energie in das Polen-Gefecht gelegt. Nach der Niederlage waren wir platt, aber wir haben uns zusammengerissen“, sagt Ebert. So wurden noch drei Siege eingefahren, darunter ein Erfolg gegen die ähnlich starken Ungarinnen, und der Flurschaden hielt sich am Ende mit WM-Rang neun noch in Grenzen. Auch, weil die Polinnen nur Siebte wurden und in der Weltrangliste hinter den Stand jetzt qualifizierten Deutschen auf Rang neun verblieben. Trotzdem ist Ebert klar: „Wir hätten es einfacher haben können. Jetzt dürfen wir uns nicht mehr viel leisten, wenn wir zu den Olympischen Spielen wollen.“ Bis zum Ende des Qualifikationszeitraums am 4. April kommenden Jahres stehen noch drei Mannschaftswettbewerbe an, in denen bessere Platzierungen als in Budapest nötig sein werden.
Notfalls ein Schlupfloch
Nach welchen Kriterien die Olympia-Qualifikation abläuft, das ist ein wenig kompliziert. Sie erfolgt zuerst über das Team. Nur acht Mannschaften dürfen in jeder Disziplin (Degen, Florett und Säbel bei Männern und Frauen) um die Medaillen antreten. Die ersten Vier der Weltrangliste - im Damenflorett derzeit Russland, Italien, die USA und Frankreich – am Stichtag sind qualifiziert. Zusätzlich ist jeweils das bestplatzierte Team jeder der vier Zonen (Europa, Amerika, Afrika, Asien/Ozeanien) dabei. Sollte sich aber kein Team aus einer Zone unter den Top-16 der Weltrangliste befinden, dann bekommt das Team mit dem nächstbesten Ranglistenplatz, unabhängig von der Zone, das Olympia-Ticket. Momentan wäre bei den Florettdamen Afrika raus, da Ägypten in der Rangliste nur auf Platz 17 steht. Und der Nachrücker wäre aktuell Polen. Eine Regelung, die auch der deutschen Mannschaft notfalls als Schlupfloch dienen könnte.
Hampel und Golubytskyi reihen sich ein
Doch dazu soll es nicht kommen. Bei der Abschlussbesprechung in Budapest haben sich Ebert & Co. eingeschworen. „Wir wollen das zusammen schaffen. Alle geben alles, jede übernimmt Verantwortung“, gibt die Würzburgerin die gemeinsame Linie wieder. Hampel - als Einzige der vier keine Sportsoldatin - will nach bestandenem zweiten Staatsexamen bis Tokio im Beruf als Lehrerin kürzer treten. Golubytskyi wird ihren Lebensmittelpunkt von den USA, wo ihr Mann in Los Angeles eine Fechtschule betreibt, vorübergehend wieder nach Tauberfranken verlegen.
Trotzdem wird Ebert zusammen mit Sauer die sportliche Hauptlast tragen müssen. Beide erreichten im Einzelwettbewerb der WM die Runde der letzten 16. Für die 28-jährige Sauer bedeutete dies das beste Resultat einer mäßigen Saison, die im letzten Drittel auch eine langwierige Verletzung für sie bereit gehalten hatte. Sie konnte daher trotz der klaren 6:15-Niederlage gegen die US-Topfechterin Lee Kiefer zufrieden sein und verteidigte ihren 31. Platz in der Weltrangliste aus dem Vorjahr.
Ebert war nicht zufrieden, vielmehr sehr sauer auf sich. Zumindest das Viertelfinale gegen die alte und neue Weltmeisterin Inna Deriglazova hatte sie erreichen wollen. Aber zuvor stand ihr deren russische Landsfrau Adelina Sagidullina im Weg. Ebert wehrte sich gegen das drohende Aus, landete sechs Treffer in Folge, musste sich aber doch mit 13:15 geschlagen geben. „Ich hatte mich wieder rangekämpft, aber dann war ich einen Moment unaufmerksam. Ich hätte einfach früher aktiver sein sollen“, sagt sie selbstkritisch.
Der zweite Platz von Kattowitz bringt Bestätigung
Ebert ist nach ihrem Senkrechtstart im Aktivenbereich schon eine der Großen, aber in manchen Momenten zahlt sie noch ein wenig Lehrgeld gegen die fast durchwegs erfahrenere Konkurrenz. Doch viele glauben, dass sie das Zeug dazu hat, einmal eine ähnliche Florett-Legende wie Anja Fichtel oder Cornelia Hanisch zu werden. Ihr zweiter Rang im Januar beim Weltcup-Turnier im polnischen Kattowitz, die beste Saisonplatzierung, brachte ihr die Bestätigung, „dass ich die Großen schlagen kann“. Im Halbfinale besiegte sie damals die US-Amerikanerin Kiefer, erst im Finale gegen Deriglazova war sie geschlagen.
Bortolaso muss eine harte Entscheidung treffen
In Tokio werden nur drei Athleten pro Fecht-Team offiziell akkreditiert und ins Olympische Dorf einziehen. Der Ersatzfechter reist mit, wohnt jedoch außerhalb und darf nur im Verletzungsfall eingewechselt werden. Bei den Florett-Damen wird Bundestrainer Giovanni Bortolaso die harte Entscheidung zwischen Eva Hampel und Carolin Golubytskyi treffen müssen. Hampel liegt in der Weltrangliste derzeit weit vor Golubytskyi, die wegen der Geburt ihres Kindes pausierte, hat aber eher die Rolle der Ersatzfechterin. Für Golubytskyi wären es in Japan die vierten Olympischen Spiele.
Mit einem Lehrgang in Tauberbischofsheim geht es für die Fechterinnen Mitte September wieder los. Das erste Weltcup-Turnier steht am dritten November-Wochenende in Algier an. Grundsätzlich ändern dürfte sich am Olympia-Team nichts mehr. Mit der nach Tauberbischofsheim umgezogenen Berlinerin Kim Kirschen und Leandra Behr (FC Tauberbischofsheim) gäbe es zwei personelle Alternativen, die aber erst mit guten Ergebnissen auf sich aufmerksam machen müssten. Leonie Ebert glaubt nicht an Veränderungen: "Wie haben ein super eingespieltes Team, das sieht auch der Bundestrainer so."