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UNSERE ATHLETEN FÜR RIO
Fechterin Carolin Golubytskyi: Medaillenkampf im Dschungel
Unsere Athleten für Rio: Die Tauberbischofsheimer Florettfechterin Carolin Golubytskyi ist spontan, lebensfroh und direkt. Bei ihren dritten Olympischen Spielen will sie endlich aufs Treppchen. Mit Mut und Leidenschaft.
Florettfechterin Carolin Golubytskyi       -  Blick voraus statt Blick zurück: Florettfechterin Carolin Golubytskyi will sich bei den Olympischen Spielen in Rio eine Medaille holen.
Foto: Heiko Becker | Blick voraus statt Blick zurück: Florettfechterin Carolin Golubytskyi will sich bei den Olympischen Spielen in Rio eine Medaille holen.
Carolin Münzel
 |  aktualisiert: 28.07.2016 03:39 Uhr

Die Piste ist ein Dschungel“, sagt Damen-Florettchefcoach Andrea Magro. Seine Hände beschreiben in der Luft das Dickicht, das es im übertragenen Sinne zu durchbrechen gilt, sein Blick ist intensiv. Im Dschungel, das macht er deutlich, ist kein Platz für „gute“ oder „normale Mädchen“, wie Carolin Golubytskyi häufig eines ist. Fechter, so sagt er, seien nicht mit anderen Menschen zu vergleichen. Der Sportart liegt das Prinzip des Duells zugrunde, bei der jede Berührung des Gegenübers über Leben oder Tod entscheiden kann. Ich oder die andere – das ist der einzige Gedanke, der auf der Planche seinen Platz haben soll. Dazu braucht es Mut.

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Reden ohne Worte

Und genau deshalb muss die 30-jährige Carolin Golubytskyi in Rio das „bad girl“ (zu deutsch: böses Mädchen) in sich zum Vorschein bringen, sagt der Erfolgstrainer in einem Englisch, das klingt, als versuche er ihm die Intensität seiner italienischen Muttersprache überzustülpen. „Mein Englisch ist nicht gut“, erklärt er. Aber in seinem Beruf kommt es weniger auf die Sprache an als auf die Verbindung zwischen Trainer und Athlet.

Er und sein Schützling haben viele Wege, sich zu verständigen. Wenn Carolin Golubytskyi entspannt ist, versteht sie sehr gut Italienisch. In Stresssituationen, in der angespannten Atmosphäre eines Wettkampfes, ist das anders. Dann greifen beide auf eine, wie Magro es nennt, „jungle language“ (zu deutsch: Dschungelsprache) zurück, die nicht nur aus Worten, sondern vor allem aus Gesten besteht.

Wenn sie ihren Trainer so sieht, fühlt Golubytskyi sich an Antonio Conte, den Trainer der italienischen Fußball-Nationalmannschaft erinnert. Magro amüsiert sich über diesen Vergleich: „Ich kann nicht einfach nur ruhig neben dran stehen, wenn sie kämpft.“ Denn auch wenn er weiß, dass er seiner Fechterin auf der Bahn nicht mehr helfen kann, weil zu diesem Zeitpunkt die Taktik längst klar ist, weil alle Entscheidungen gefällt sind, sucht sich sein italienisches Temperament einen Weg nach außen. Es ist die Leidenschaft, die ihn und Carolin Golubytskyi sowohl mit dem Fechtsport als auch untereinander verbindet. Carolin Golubytskyi bezeichnet sich als spontan, lebensfroh und direkt. Dass sie immer geradeheraus ist – oftmals zu ehrlich, wie sie es empfindet – dürfte eine der Eigenschaften sein, die ihr Trainer besonders an ihr schätzt.

Hinzu kommt der Ehrgeiz der 30-Jährigen. Seit 24 Jahren ist sie Fechterin, jetzt will sie sich endlich eine olympische Medaille holen.

Zum dritten Mal nimmt die Sportsoldatin, die für den Fechtclub Tauberbischofsheim antritt, an Olympischen Spielen teil. Aufs Treppchen hat sie es in diesem Wettbewerb bisher noch nicht gebracht, auch wenn sie im Lauf der Jahre bei Europa- und Weltmeisterschaften schon einige Medaillen abgeräumt hat. Vor wenigen Wochen erst erkämpfte sie sich bei der EM in Torun die Bronzemedaille. Das zeigt, dass sie fit ist für die Spiele in Rio de Janeiro. Körperlich und mental.

„Ich fliege selbstbewusst nach Rio. Auch wenn jedes Turnier natürlich wieder bei Null anfängt“, sagt die zierliche Athletin. Gerade einmal 1,66 Meter ist sie klein, doch ihr Ehrgeiz und die Liebe zu ihrem Sport sind das, was sie auf der Planche wachsen lassen. Manchmal über sich hinaus. Dass Fechten mehr als nur ein Hobby für sie ist, war ihr in dem Moment klar, als sie 2000 bei der Kadetten-WM in South Bend die Bronzemedaille umgehängt bekam: „Das hat große Emotionen bei mir ausgelöst. Dieses Gefühl wollte ich wieder erleben. Das ist wie eine Sucht. Und mir war klar, dass ich diesen Weg gehen will.“

Abschalten in der Natur

Möglich machte das natürlich nicht nur ihr Wille, sondern auch das Talent, das ihr in die Wiege gelegt worden ist, und von dem Trainer Magro schwärmt: „Fechten ist Carolins Leben, das Florett ist wie ein Teil von ihr.“ Doch natürlich gehört auch harte Arbeit zum Erfolg. Trainieren, Wettkämpfe bestreiten, Essen, Schlafen, Duschen – für viel mehr ist während der Saison kaum Platz im Leben. Filme und Ausflüge in die freie Natur sind es, die Carolin Golubytskyi helfen, abzuschalten. Disziplin fällt ihr nicht schwer. Sie ist eines der Dinge die sich durch ihren Sport schon früh gelernt hat. Außerdem haben die durchgeplanten Tage auch etwas Gutes: Es bleibt ihr nicht viel Zeit, ihren Ehemann Sergei zu vermissen, der in Los Angeles eine Fechtschule betreibt, und den sie etwa einmal im Monat sieht. Nach Rio de Janeiro wird der Ukrainer seine Frau aus beruflichen Gründen nicht begleiten können. Dennoch weiß sie um seine Unterstützung und schätzt auch jetzt, wo er nicht mehr ihr Trainer ist, nach wie vor den Rat des ehemaligen Weltklassefechters. Er hat 1992 in Barcelona für das Vereinte Team der Nachfolgestaaten der Sowjetunion Olympisches Silber im Florett-Einzelwettbewerb gewonnen und weiß um die Herausforderung, die seiner Frau bevorsteht.

Dass sie in Brasilien ein harter Kampf erwarten wird, ist Golubytskyi und Trainer Magro bewusst. Vor allem die Konkurrenz aus Italien und Russland ist stark, der Druck enorm. „Bei Olympia zu siegen ist so schwer, weil alle wissen, dass dieser Erfolg ihr Leben verändern kann“, sagt der Coach. Aber er glaubt an seine Athletin; daran, dass sie es schaffen kann, am 10. August aufs Podest zu steigen. Allerdings verlangt er auch von ihr, dass sie lernt, sich selbst zu akzeptieren, und vor allem, sich Fehler und Niederlagen zu verzeihen. Fechten lernen, das heißt fürs Leben lernen. Gerade, wenn sich dieses auch abseits der Planche wieder mal als Dschungel erweist.

Fünf Fragen an Carolin Golubytskyi

• Frage: Mit welchem Ziel fahren Sie zu den Olympischen Spielen?

Carolin Golubytskyi: Um eine Medaille zu holen. Und klar möchte ich am liebsten die goldene.

• Frage: Welche Rolle spielen für Sie die aktuellen Dopingfälle?

Golubytskyi: Sie machen mich traurig. Ich kann mir so etwas gar nicht vorstellen und verstehe auch nicht, warum Athleten das gesundheitliche Risiko eingehen.

• Frage: Was ist Ihr legales Dopingmittel vor Wettkämpfen?

Golubytskyi: Essen! Kuchen, Pasta, Cordonbleu . . . auf was immer ich gerade Lust habe.

• Frage: Mit wem würden Sie in Rio gerne ein Selfie machen?

Golubytskyi: Mit Roger Federer.

• Frage: In welcher anderen Sportart hätten Sie es vielleicht auch zur Olympiateilnehmerin geschafft?

Golubytskyi: Ich glaube im Fußball. Das ist meine zweite große Leidenschaft.

 
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