Spaß! Eigentlich ging es nur um Spaß. Und ums Toben an der frischen Luft. Okay, ein bisschen auch ums gewinnen. Kicken auf dem Bolzplatz. Einfach so, ohne Verein, mit anderen Kindern, die man mitunter noch nicht einmal gekannt hat. Rennen, sich verausgaben, sich freuen über ein Tor - glücklich sein. Auch ich habe meine ersten Versuche mit dem Fußball auf einem Bolzplatz gemacht. In den Siebzigern. Nicht immer auf Rasen, eher auf Sand oder Beton. Was waren meine Knie den ganzen Sommer über verhaut. Aber schön war's.
Und weil's so schön war, erinnere ich mich gut und gern an dieses Zeit. An den Platz hinterm Kloster, wo die Patres immer mit dem Kopf geschüttelt haben, wenn unsere Rasselbande am Nachmittag angerückt ist. An das Spielfeld hinterm Gymnasium, das am Sonntagmorgen hinter einem hohen Zaun verschlossen lag und über den wir geklettert sind. An den asphaltierten Hinterhof mit den (Garagen-)Toren.
Daran, wie wir wild durch- und gegeneinander gespielt haben und alle mindestens einen Star, besser eine Bundesliga-Mannschaft oder gar eine ganze Nationalmannschaft verkörpert haben. Was muss ich damals leidensfähig gewesen sein: 1. FC Nürnberg - oder Österreich. Da haben einige gelacht. Und ich war nicht wirklich gut genug, dass ihnen das Lachen vergangen wäre.
Als ich mich neulich wieder mal an das gnadenlose Scheitern des Michael-Bauer-Österreichs erinnert habe, entstand diese Idee: Fußballer und Trainer aus der Region erzählen ihre Bolzplatz-Geschichten.
Steffen Rögele (45; Trainer FC Gerolzhofen, Kreisliga Schweinfurt 1)
"Keine 50 Meter von meinem Zuhause war der Fußballplatz des Post SV Würzburg, ein roter Ascheplatz. Da bin ich mit meinem ein Jahr älteren Bruder Heiko immer hin. Da haben wir auf große Tore 'Rausschießerles' gespielt.
Später ging's dann zum 'Sibbi', dem Gummiplatz des Siebold-Gymnasiums. Auf die kleinen Tore gab's dann eher WM, also Jeder gegen Jeden. Wir waren so zehn bis 15 Kinder, haben uns übers Festnetz-Telefon zusammengerufen oder sind mit dem Fahrrad von Haus zu Haus, um alle einzusammeln.
Wenn alle Tore belegt waren, haben wir mal bei den größeren Jungs gefragt, ob wir gegen sie spielen dürfen und ausgemacht: 'Wer gewinnt, bekommt den Platz'. Wir haben manches Mal gewonnen. Sogar gegen Erwachsene. Wir waren schon nicht schlecht. Und so ging das dann bis es dunkel wurde. In den Ferien jeden Tag."
Clemens Haub (32; Spielertrainer SC Hesselbach, Kreisliga Schweinfurt 2)
"Jeden Tag um 13 Uhr, als die Schule zu Ende war, rannte ich nach Hause, schmiss meine Schultasche in die Ecke, hab' ich mir Ball und Fußballschuhe geschnappt und ging zum Bolzplatz. Wir haben früher kein Handy oder Internet gebraucht, wir gingen einfach auf den Sportplatz in unserem Heimatort Dittelbrunn. Da waren dann genug Kinder, die genau so gedacht haben und einfach nur Fußball spielen wollten. Meistens waren wir so acht bis zwölf Kinder und Jugendliche, das Alter spielte keine große Rolle.
Wir spielten dann 'Weltmeisterschaft': Jeder gegen Jeden, man wählte eine Nation. Die meisten wollten Brasilien sein, da gab es manchmal Ärger, aber wir haben uns immer geeinigt. Einer musste natürlich ins Tor. Der wurde durch 'Lattenwerfen' ermittelt, wer am schlechtesten traf, war Tormann. Da gab es auch immer den Einen, der nie gerannt ist, nur vor dem Tor abgestaubt hat und so immer eine Runde weitergekommen ist.
Danach ging es über zum 'Heberles' mit dem bitteren Ende des 'Arschbolzens' für den Verlierer. Beim 'Heberles' ging es darum, den Ball hochzuhalten und volley per Kopf oder Fuß abzuschließen. Manchmal haben wir die Zeit vergessen, gerade im Sommer haben wir auch mal bis Neun mit Freunden gekickt und mussten von den Eltern geholt werden. Für mich waren das unvergessene Zeiten, einfach nur wunderschöne Bolzplatzgeschichten."
Simon Snaschel (31; Stürmer TSV Münnerstadt, Bezirksliga Ost)
"Zuerst einmal waren wir überglücklich, als es in der Nähe unserer Häuser überhaupt einen richtigen Fußballplatz gab. Die ersten Fußballer-Jahre haben wir eher auf der Straße oder zum Leidwesen unserer Eltern und deren Blumenbeete in den verschiedenen Gärten gekickt. Der dritte Rasenplatz am Münnerstädter Sportzentrum war dann aber frei zugänglich und wir haben logischerweise extrem viel Zeit dort verbracht.
Geschichten gibt es da natürlich einige. Gespielt haben wir meistens Zwei gegen Zwei oder Drei gegen Drei auf ein Tor. Bei mir war das damals schon ein bisschen wie auch später in meiner aktiven Laufbahn: Ich habe oft nur die Abpraller abgestaubt.
In Erinnerung geblieben ist mir auch, dass Christoph Krell, bis heute einer meiner besten Freunde, den besten Fußball hatte. 'Krello' war aber leider auch der schlechteste Verlierer. Wir mussten immer aufpassen, dass er nicht die Lust verliert und mitsamt seines Balles nach Hause marschiert."
Oliver Bayer (50; Ex-Fußballer, Jugendtrainer SV Heidingsfeld und Geschäftsführer Soccerpark Würzburg)
"Mein erster Bolzplatz war der Hinterhof unseres Wohnblocks. Dort begann alles mit der Kickerei. Das war noch zu einer Zeit, in der sich niemand über Lärm beschwert hat und noch (fast) alles erlaubt war. Auch wenn da keine Tore gestanden haben - wir haben einfach auf Wäschestangen, Kellerfenster, Kanaldeckel oder Garagentore gespielt. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, welchen gewaltigen Lärm ein Treffer ins Garagentor verursachte – heute nicht mehr vorstellbar.
Waren wir einmal nicht so viele Kinder im Hof, haben wir 'Technik', wo es um volley Passen vor dem Tor ging, gespielt. Waren wir mehr, dann 'WM', eine eher wildes Jeder gegen Jeden. Allerdings war bei beiden Spielen der wichtigste Satz 'nicht im Tor' - wer's schnell genug gesagt hatte, musste eben nicht rein. Wir haben jede EM und WM nachgespielt, immer mit den aktuellen Namen der Stars aus dieser Zeit. Da ich immer einer der Jüngsten war, musste ich schnell lernen, mich durchzusetzen oder einfach besser zu sein.
Erst als wir alt genug waren, durften wir alleine in Würzburg auf den Sanderrasen oder den 'Spieli' im Stadtteil Frauenland. Das war schon schön: Sieben Tage die Woche draußen an der Luft. Wir haben gegen alles getreten, was nur einigermaßen gerollt ist - zur Not auch gegen Cola-Dosen. Und das beste: Es sind Freundschaften entstanden, die bis heute gehalten haben."
Florian Galuschka (39; Ex-Zweitliga-Fußballer und Leiter der Fußball-Akademie Mainfranken)
"Meine Kindheit spielte sich ausschließlich auf dem Bolzplatz in der Marktbreiter Siedlung ab. Jeden Tag, direkt nach der Schule, bis es bereits dunkel war und wir von den Eltern nach Hause gerufen wurden. Organisiert haben wir uns ohne Telefon. Alle waren da. Wer nicht da war, wurde abgeholt.
Unsere Lieblingsspiele waren 'Torraum' oder 'Tor zu Tor' gegen meinen Kumpel Andi. Er war Linksfuß, sein großes Vorbild Andreas Brehme. Mein erstes richtiges Trikot war das von Lothar Matthäus aus seiner Zeit bei Inter Mailand - die Nummer 10. Wir spielten die Weltmeisterschaft 1990 in Italien nach.
Es gab natürlich auch ein paar ganz besondere Anwohner. Ist unser Ball mal im entsprechenden Garten eines solchen Anwohners gelandet, weil wir über dessen Zaun geschossen haben, war das Leder erstmal für eine knappe Woche in Beschlag. Uns hat das selbstverständlich nicht davon abgehalten, weiter zu kicken. Wir haben einfach den nächsten Ball genommen. Das war eine herrliche Zeit, vielleicht die beste."
Berthold Göbel (52; zuletzt Trainer Würzburger FV, aktuell vereinslos)
"Wir haben immer bei uns im Hof gebolzt, meine beiden Brüder und ich. Der Vater hat auch mitgespielt, aber nur, solange er gewinnen durfte. Und wenn wir wieder einmal die Scheiben eingeschossen hatten, war es der Papa, der dafür gesorgt hat, dass wieder neue rein kamen.
Später gesellten sich dann die Kumpels dazu und wir kickten fast täglich im Hof oder sind auf den Sportplatz gegangen. Dort haben wir immer 'Technik' gespielt. Ich gebe zu: Von der Technik ist später nicht so viel hängen geblieben - aber schön war's."
Auf dem "Plätzchen" unterhalb des Lindahl-Brunnens versammelten sich in dieser Zeit, täglich bis zu 15 Jungs, um bei fast jedem Wetter Fußball zu spielen. Die vorhandenen vier Bänke dienten als Tore. Wir spielten dort bis zu 4 Mannschaften, jeder gegen jeden, auf vier Tore - Bänke. Eine sehr spannende Zeit, wir spielten dort um Medaillen und mussten vor dem Parkwächter auf der Hut sein. Ein Gruß an alle damaligen Mitspieler/Sanderauer.
Danke auch für den interessanten Bericht - "Damals auf dem Bolzplatz ....
Martin Dobat