Ein schmerzhaftes Andenken hat Georg Harbauer von der Europameisterschaft im Cross-Triathlon an der Paganella, ein Bergmassiv nördlich des Gardasees, mitgebracht: Ein Finger ist geschwollen, wohl gebrochen. Im strömenden Regen rutschte der 50-Jährige auf schlammigem Boden am Hang ab und stürzte.
Zu Hause, auf der Terrasse in Kürnachbei Würzburg, wo er mit seiner Frau und zwei Töchtern wohnt, steht eine Tasse vom Schwandorfer Weihnachtsmarkt auf dem Tisch. "Das ist Zufall", sagt er, aber auch, dass er stolz sei, aus der Oberpfalz zu kommen. Ob ihn diese Herkunft geprägt habe? "Ich bin damit aufgewachsen, dass Natur und Bewegung ganz wichtig sind, vor allem für die Psyche."
Mit drei Jahren habe er dort mit dem Schwimmen begonnen. "Da musste ich die Klappe halten, hat meine Mutter gesagt, und ich bin ausgepowert nach Hause gekommen", blickt er zurück auf seine sportlichen Anfänge. Inzwischen lebt Harbauer seit mehr als 30 Jahren in Stadt oder Landkreis Würzburg. Der Lehrer für Sport und Deutsch leitet die Wilhelm-Sattler-Realschule in Schweinfurt.
Streckenkenntnis ist für Cross-Triathleten entscheidend
Die Liste seiner Sportarten ist lang: vom Schwimmen zum Triathlon, durch zwei Kreuzbandrisse im Sportstudium zum Rollstuhlbasketball, Volleyball und Beachvolleyball zum Ausgleich, Klettern, Kajak, Marathon, Mountainbike und wieder zurück zum Triathlon.
Zum Cross-Triathlon. Der ist zunächst einem Triathlon ähnlich, doch findet er in der "Pampa" und nicht auf der Straße statt. Sowohl beim Radfahren als auch beim Laufen führt die Strecke durchs Gelände. "Du musst Kraft haben und die Technik beherrschen, bergauf und bergab fahren zu können, und das im ständigen Wechsel", beschreibt Harbauer, worauf es dabei ankommt. Nur das Schwimmen sei die einzige gleiche Disziplin wie im Triathlon.
Die Strecke und ihre Tücken sehr gut zu kennen, sei da sehr wichtig. Wer nicht weiß, ob als Nächstes eine scharfe Kurve, Schotter oder Wurzeln kommen, verliert im besten Fall Zeit. Oder stürzt. Also fahre und jogge er vor einem Wettbewerb die Strecke langsam ab und präge sich die markanten Stellen ein, sagt Harbauer "Das Rennen ist dann reine Kopfsache. Du konzentrierst dich auf die schwierigen Passagen, alles andere muss von alleine gehen."
Dreimal vom Rad gestürzt und mehrere Minuten verloren
So war's auch an der Paganella: 1500 Meter Schwimmen im Molvenosee, 29 Kilometer Radfahren zwischen den Dörfern Andalo und Molveno und zehn Kilometer Laufen, am See entlang und durch den Wald. Harbauer wurde Zweiter seiner Altersklasse, Vize-Europameister, obwohl das Rennen selbst mit drei Stürzen beim Radfahren gar nicht so gut gelaufen sei: "Das ist mir seit fünf Jahren nicht mehr passiert." Als Führender habe er dadurch mehrere Minuten eingebüßt, was ärgerlich gewesen sei, da der Sieger lediglich vier Minuten schneller war.
Für Harbauer gibt's so gut wie keinen Tag ohne Sport: Zur Arbeit fahre er – außer im Winter ("Ich putze nicht gern") – mit dem Rad von Kürnach nach Schweinfurt. "Da bekomme ich den Kopf frei und kann einiges für mich abarbeiten. Für mich ist dieser Ausgleich wichtig. Ich versuche immer, Termine mit Sport zu verbinden, dass keine Zeit draufgeht, heimzufahren und erst von dort aus zu starten."
Mehrmals pro Woche gehe er zum Laufen und, mit der Familie, zum Schwimmen. Das sei die einzige Sportart, die er bei der TG Kitzingen gezielt trainiere. Sie sei auch seine Stärke: Im Wasser gehöre er in seiner Altersklasse weltweit zu den besten Cross-Triathleten. Den Vorsprung, den er dort erziele, könne er zwar auf dem Rad halten, jedoch gebe es beim Laufen "einige, die viel besser sind". Nur holten die den Abstand nach Schwimmen und Radfahren dann nicht mehr auf.
Zweimal für die Weltmeisterschaft auf Hawaii qualifiziert
Und Georg Harbauers Schwäche? "Schokolade. Wenn ich eine Tafel anfange, esse ich sie auf. Da gehen schon mal vier Tafeln am Tag weg." Die schlagen sich bei ihm aber nicht auf die Hüfte: "An einem Tag ohne Schule verbrauche ich 3500 bis 4000 Kalorien zusätzlich durch den Sport."
Um die zehn Triathlons bestreite er im Jahr, dazu noch einige Skilanglauf- und Mountainbike-Marathons, ein paar Lauf- und Schwimmwettkämpfe – und alles als Training für die wirklich großen Events, wie die Weltmeisterschaft im Xterra Cross-Triathlon auf Maui, Hawaii. Cross-Triathlon und Xterra, das ist wie Triathlon und Ironman: Xterra ist länger, weiter, härter. Starten darf bei internationalen Meisterschaften nur, wer sich dafür auch qualifiziert hat. Georg Harbauer hat das geschafft.
In diesem Jahr gleich zweimal: bei seinem Sieg im tschechischen Prachatice und bei seinem zweiten Platz bei der Xterra-Europameisterschaft in Zittau. "Solche Platzierungen erreichst du als 18- oder 20-Jähriger eigentlich nur, wenn du ein Spezialist in deiner Sportart bist und achtmal pro Woche trainierst. Das ist bei mir jetzt nicht mehr so", kommt ihm die sportliche Fitness im Alter entgegen. Nun hofft er darauf, dass die Xterra-WM der Cross-Triathleten wie geplant am 5. Dezember auf Hawaii stattfinden kann, während die Ironman-Veranstaltung erst ins nächste Jahr verschoben und dann nach Utah verlegt worden war.
Eins würde er auf Hawaii nicht machen: "In der Sonne am Strand liegen, das ist nichts für mich. Wenn ich nach einem Wettkampf noch mal zwei Stunden ganz locker mit dem Rad fahren oder einen Klettersteig gehen kann, ist das für mich entspannend", sagt Harbauer. Ein guter Tag sei es, "wenn's schön warm ist, meine Familie dabei ist und wir draußen sein können, egal bei welchem Sport." Ob's dann zum Laufen, Biken oder Klettern geht, sei "eine Tagesentscheidung".
Das Miteinander ist ihm wichtiger als die sportlichen Erfolge
Nachdem er vor sechs Jahren wieder begonnen hat, ambitioniert Triathlon zu laufen, startet Harbauer inzwischen seit vier Jahren für die deutsche Triathlon-Nationalmannschaft. Titel seien für ihn dennoch zweitrangig: "Ich habe durch den Sport großen Austausch mit so vielen Menschen aus unterschiedlichen Ländern, sehe und lerne ganz viel Neues kennen. Es sind oft die gleichen Sportlerinnen und Sportler, die auf die Wettbewerbe gehen – wie eine große Triathlon-Familie."
Ums Miteinander geht es ihm auch in zwei Projekten, in denen er sich seit vielen Jahren einbringt: im Inklusionsprojekt der Bayerischen Sportjugend mit jungen Kanuten der TG Heidingsfeld, des VSV Würzburg und des Blindeninstituts sowie in einer Inklusiven Skiwoche für 45 bis 60 Jugendliche der Christophorus-Schule, des Blindeninstituts, der Mainfränkischen Werkstätten sowie mit Schülerinnen und Schüler seiner Realschule als Betreuer.
Begonnen hat er das bereits im Studium. Seine Zulassungsarbeit schrieb er über "Kajakfahren mit Geistigbehinderten" an der Würzburger Christophorus-Schule, an der er sich bis heute neben allen anderen Aktivitäten für Kinder und Jugendliche, die einer besonderen Förderung bedürfen, engagiert. Auch wenn er nach einem erfolgreichen Wettkampf mal wieder das Siegertreppchen nach oben steigt, steht der gebürtige Oberpfälzer mit beiden Beinen fest auf dem Boden.
Seine Frau erinnert ihn ans wartende Schwimmtraining, Aufbruchsstimmung auf der Terrasse. Harbauer nimmt die Weihnachtsmarkt-Tasse vom Tisch: "Ich bewege mich halt einfach gern", sagt er lapidar. "Bei manchen ist das gar nicht so, bei mir wohl etwas extremer."