Am 14. November 2020 wurden beim Handball-Zweitligisten EHV Aue (9./11:11 Punkte), Klassenkonkurrent der DJK Rimpar Wölfe (10./11:13), 15 Spieler und vier Verantwortliche positiv auf das Coronavirus getestet. Darunter: Manager Rüdiger Jurke (57) und Trainer Stephan Swat (43). Bei beiden nahm die Erkrankung einen völlig unterschiedlichen Verlauf: bei Jurke einen glimpflichen, bei Swat einen lebensbedrohlichen. Im Interview verrät der Manager der Sachsen, wie schlimm es wirklich um den Trainer und zweifachen Familienvater stand. Die Covid-19-Infektion des früheren Kreisläufers ist bislang die schwerste bekannte in der Handball-Bundesliga.
Rüdiger Jurke: Das können Sie laut sagen! 2020 war das schwierigste Jahr, seit ich für den EHV als Manager arbeite. Und das ist immerhin schon seit 1996.
Jurke: Ich bin wieder vollständig genesen. Aber ich war auch einer derjenigen, die einen recht milden Verlauf hatten. Nach ein paar Tagen mit Erkältungssymptomen, Geruchs- und Geschmacksverlust war ich wiederhergestellt. Unfassbar, wie viel schwerer es Stephan Swat erwischt hat. Ihn Anfang Januar lebend zu sehen, war schon jetzt ein Lichtblick des Jahres.
Jurke: Wir 19 Infizierten wurden am 14. November alle gleichzeitig positiv getestet. Die meisten Spieler hatten auch eher milde Symptome, einzelne lagen wie mit einer schweren Grippe bis zu drei Wochen flach. Stephan ging es von Tag zu Tag schlechter. Er hatte kaum noch Kraft, sich mit mir zu unterhalten. Nach vier Tagen musste er ins Helios-Klinikum eingeliefert werden, direkt auf die Intensivstation. Aber auch dort wurde sein Zustand immer bedrohlicher. Es ging um Leben und Tod. Um Weihnachten rum waren seine Überlebenschancen sehr gering. Er wurde ins künstliche Koma versetzt, da lag er gut zwei Wochen. Für seine Familie war das alles eine Katastrophe. Ich habe jeden Tag mit Stephans Frau gesprochen. Zu der Zeit haben wir mit dem Schlimmsten gerechnet. Ich hatte große Angst, meinen Trainer und einen guten Freund zu verlieren.
Jurke: Nein, keine Vorerkrankungen, das macht es ja umso schockierender. Er kann von Glück sagen, dass er früher selbst Sportler war (ebenfalls Zweitliga-Handballer in Cottbus und Aue, Anmerkung der Redaktion). Hätte er nicht so gute körperliche Voraussetzungen gehabt, wäre es wahrscheinlich anders ausgegangen.
Jurke: Die Spieler wussten, dass es ihm nicht gut geht. Aber wie schlecht es ihm geht, das haben wir ihnen nicht gesagt. Nur, dass er kämpft. Unglaublich viele Kollegen und Funktionäre aus dem Handball haben sich bei mir nach Stephans Zustand erkundigt, auch Bob Hanning und Uwe Schwenker. Die Anteilnahme war sehr groß.
Jurke: Er liegt immer noch auf der Intensivstation. Corona hat er besiegt, aber sein Körper hat sehr unter der Infektion gelitten, vor allem seine Lunge. Er hat stark abgenommen und ist auch sonst gezeichnet von der Krankheit. Aber: Er lebt! Die ersten Schritte hat er schon gemacht, sogar ein paar Treppen ist er gestiegen. Und auch die Handball-Weltmeisterschaft kann er sich im Fernsehen anschauen. Wir stehen jeden Abend in Kontakt miteinander.
Jurke: In ein paar Wochen kann er hoffentlich in die Reha. Dann müssen wir abwarten, ob und wie schnell sich seine Lunge erholt. Er hat sicherlich noch einen langen Weg zurück ins normale Leben vor sich, aber wir sind zuversichtlich, dass er wieder gesund wird und freuen uns über jeden noch so kleinen Fortschritt.
Jurke: Ja, das hat Runar uns zugesagt. Wir sind ihm sehr dankbar, dass er sich sofort bereit erklärt hat, uns zu helfen. Sportlich geht es jetzt darum, dass wir die Klasse halten. Immerhin haben wir beim EHV Herdenimmunität durchgesetzt, bis auf fünf Spieler hatten ja jetzt schon alle Corona. Für unsere Gegner sollten wir also zumindest kein gesundheitliches Risiko mehr sein. (lacht)
DJurke: Wissen Sie, in einer Zeit, in der sich überall alles grundlegend verschiebt, sollten wir dankbar dafür sein, dass wir in einem Land leben, in dem wir überhaupt Handball spielen dürfen und in dem die Gesundheitsversorgung so gut ist. Der EHV Aue zahlt in dieser Saison, wenn es so weitergeht wie bisher, rund 50 000 Euro für die Corona-Tests; allein im Dezember hatten wir dafür Kosten von rund 8500 Euro. Durch den Föderalismus fällt die staatliche Unterstützung für jeden Klub in jedem Bundesland anders aus, dadurch kann man weder von wirtschaftlicher noch sportlicher Gleichheit sprechen. Aber das ist ein anderes Thema. Wir werden auch dank der Nothilfe des Bundes das Handballjahr 2021 als Verein überleben. Und Stephan hätte in einem anderen Land vielleicht nicht überlebt. Darum müssen wir Demut zeigen.
Jurke: Ihm liegt sehr am Herzen, dass die Leute dieses Virus ernst nehmen. Denn wie ernst es sich auswirken kann, wissen aus eigener Erfahrung leider wenige besser als er.