
Glückauf sagen sie im Erzgebirge, wo der Bergmannsgruß entstanden ist. Noch nie passte er im Sport so gut zum Auftakt einer Saison. Als am 3. Oktober 2020 in der Erzgebirgshalle Lößnitz der erste Spieltag in der Zweiten Handball-Bundesliga unter Corona-Bedingungen zwischen dem EHV Aue und der DJK Rimpar Wölfe aus Sicht der Sachsen erfolgreich bestritten war, wurde Manager Rüdiger Jurke nachdenklich. "Es ist heute ein besonderer Tag, der Tag der Deutschen Einheit", sagte er in dem leeren Raum, in dem sich sonst VIP-Gäste um die Stehtische drängen. "Vielleicht sollten wir ein bisschen demütig sein, dass wir wieder Handball spielen mit Zuschauern und dass wir in einem Land wie unserem leben können."
Wenige Wochen später brach die Pandemie bei den Auern ein: Mitte November gab es einen Corona-Ausbruch beim Zweitligisten. Auch Trainer Stephan Swat infizierte sich. Der Gesundheitszustand des 43-jährigen Familienvaters verschlechterte sich so sehr, dass er in das Helios-Klinikum eingeliefert werden musste und dort seither auf der Intensivstation mit Covid-19 ringt. Doch inzwischen gibt es Neuigkeiten.
Langer Weg zurück ins normale Leben
"Die kritische Phase um die Weihnachtsfeiertage hat er überstanden. Seine Werte sind stabil", teilte der Klub am 11. Januar auf seiner Internetseite mit. "Stephan befindet sich vorerst weiterhin auf der Intensivstation, hofft aber, dass er diese demnächst verlassen kann." Die Genesung gehe nur in kleinen Schritten voran, und es werde wohl noch lange dauern, bis er "zurück ins normale Leben" finde, heißt es weiter.
In Zeiten, in denen selbst Handball-Enthusiasten mit großem Zweifel nach Ägypten blicken, wo eine Weltmeisterschaft mit etlichen Corona-Fällen und Mannschaftsrückzügen unter fragwürdigen Bedingungen begonnen hat, können schwere Krankheitsverläufe wie Swats für umso mehr Unverständnis sorgen. Auch bekannte Persönlichkeiten aus der Sportart zeigen sich bestürzt von dessen Kampf mit dem Virus. Wie Jurke der dpa sagte, meldeten sich unter anderem DHB-Vizepräsident Bob Hanning und HBL-Präsident Uwe Schwenker beim Auer Manager, "um sich nach Stephans Zustand zu erkundigen".
Runar Sigtryggsson hilft als Trainer aus
Auch Rimpars Trainer Ceven Klatt berichtet auf Anfrage, dass er dem Kollegen frühzeitig Genesungswünsche geschickt, ihn seither aber in Ruhe gelassen habe, auch aus Rücksicht aus Swats Familie. Diese schrieb an Heiligabend auf der Facebookseite des EHV: "2020 ist ein Jahr, welches uns allen sicher nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Wir mussten lernen, dass liebgewordene Gewohnheiten und menschliche Nähe plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr sind." Die Öffentlichkeit baten Swats Angehörige, die Corona-Schutzmaßnahmen einzuhalten: "Dies ist besonders für Stephan ein besonderes Anliegen."
Sportlich sprang ein alter Bekannter bei den Sachsen in die Bresche: Der Isländer Runar Sigtryggsson, der bereits von 2012 bis 2016 Cheftrainer in Aue gewesen war, übernahm wieder und wird vermutlich bis Saisonende aushelfen. Er soll dafür sorgen, dass der Traditionsverein aus dem Erzgebirge die Klasse hält. Als Tabellenneunter mit 11:11 Punkten rangiert der EHV zur Winterpause einen Platz vor den Wölfen.
Klatt sieht WM-Austragung ambivalent
"So ein Fall beschäftigt einen schon, ich spreche da auch mit anderen Kollegen drüber", erzählt Rimpars Coach. "Der Tenor ist: Wir sind uns bewusst, dass es jeden treffen kann. Stephan geht es hoffentlich bald wieder gut."
Die Austragung der WM beurteilt der 37-Jährige nicht zuletzt vor einem solchen Hintergrund ambivalent. "Jede Seite hat Argumente, die ich verstehen kann. Das Schlimmste, was passieren könnte, ist, dass die Spieler das Virus nach dem Turnier in die Bundesliga tragen und der Spielbetrieb mit noch mehr Verschiebungen dann kaum noch aufrechtzuerhalten ist." Und noch eine Gefahr sieht Klatt: "Sollte es bei der WM noch mehr Conona-Fälle geben, dann ist das vielleicht eher schlecht als gut fürs Renommee des Handballs."
Beim EHV Aue ist das wichtigste Anliegen erst mal Swats Genesung: "Stephan soll wieder gesund werden", sagte Manager Jurke. "Wir sind alle sehr optimistisch, aber es kann noch ein langer Weg werden."
Mit Material von dpa