Der Trainer des Gastvereins wird nach Auswärtsspielen beim Aufsteiger SpVgg Hankofen-Hailing immer beschenkt. Zum Abschluss der sogenannten Pressekonferenz, einer Art Talk-Runde in Bierzelt-Atmosphäre im in die Tribüne integrierten Sportheim, bekam auch Marco Wildersinn einen Akkuschrauber überreicht. Ein Sponsor macht's möglich. Der Trainer der Würzburger Kickers sei, so hieß es, der erste, der damit etwas anfangen können. Zuvor hätten die Trainerkollegen meistens gemeint, sie seien handwerklich ungeschickt.
Man kann, um im Bild zu bleiben, schon von einem dicken Brett sprechen, das Wildersinn und sein Team da am Samstag zu bohren hatten – speziell nach dem frühen 0:1-Rückstand. Die Art und Weise, wie die Kickers diese Aufgabe lösten und am Ende einen 5:1 (2:1)-Sieg einfuhren, spricht schon für eine enorme Reife, die dieses Team inzwischen an den Tag legt.
Dass auch ein Ausfall wie der von Spielführer Peter Kurzweg durch taktische Flexibilität und die Umstellung auf eine Dreier-Abwehrkette gar nicht ins Gewicht fiel, passte ebenso ins Bild eines Teams, das die Regionalliga Bayern dominieren könnte, wenn da nicht noch der Rivale aus Unterhaching wäre, der weiterhin einen Zähler vor den Würzburgern an der Tabellenspitze thront.
"Während und vor dem Spiel interessiert Haching niemanden. Wir müssen an uns arbeiten, der Rest kommt dann schon", sagte nach der Partie Dardan Karimani, dessen 1:1-Ausgleichstreffer (38.) die Wende einleitete. Er profitierte dabei genauso wie Benyas Junge-Abiol (45.) und Felix Göttlicher (82.) von der Vorarbeit des einmal mehr herausragenden Ivan Franjic. Saliou Sané per Foulelfmeter (79.) und Maximilian Zaiser (85.) sorgten für den Rest vom Schützenfest. Einmal mehr gab es fünf verschiedene Torschützen bei den Kickers. Dass eigentlich jeder Akteur Torgefahr ausstrahlt, ist auch ein Grund für den Erfolg.
Das 1:1 aus dem Hinspiel und der damals enttäuschende Saisonauftakt für den Drittliga-Absteiger seien noch einmal eine Extra-Motivation für das Gastspiel beim Dorfklub in Niederbayern gewesen, berichtete Trainer Wildersinn. Tatsächlich war im Vergleich des ersten Liga-Spiels unter der Leitung des 41-Jährigen und dem Rückrunden-Auftakt in Hankofen deutlich die Entwicklung zu bestaunen, die das Kickers-Team genommen hat.
Die Ruhe und Zielstrebigkeit, mit der die Kickers nach dem frühen Gegentor (10.) einfach weitermachten, sind ein Ausdruck großen Selbstvertrauens. "Wir haben den Gegner laufen lassen. Am Anfang haben die anderen noch Power und bekommen einen Fuß dazwischen. Aber mit der Zeit merkt man, dass der Gegner nachlässt", erzählte Karimani von seinen Eindrücken auf dem Spielfeld.
Das Besondere: Die Kickers sprühen nicht nur im Offensivspiel vor Tatendrang, sondern schuften samt sonders auch in der Defensive. Dort sieht man dann auch einmal einen Edeltechniker wie Franjic grätschen. Bis auf den Fernschuss zur Führung hatte Hankofen keine echte Torchance mehr.
13 der letzten 14 Pflichtspiele haben die Rothosen gewonnen und nur eines verloren - trotzdem reicht es derzeit nicht zum Sprung auf Platz eins. "Wir wollen immer den Druck auf die Konkurrenz hochhalten", sagte Wildersinn in Hankofen.
Am kommenden Samstag kommt mit dem 1. FC Nürnberg II das einzige Team, das als Tabellendritter bei neun Punkten Rückstand auf die Kickers noch halbwegs mit dem Führungsduo mithalten kann, an den Dallenberg. Und das Team, das wohl als einziges in der Vorrunde die Kickers wirklich beherrscht hatte. 0:2 verlor der FWK das Hinspiel. Er dürfte also erneut eine große Portion Extra-Motivation besitzen.