Er steht morgens um 4.30 Uhr auf, weil ihm "vier bis fünf Stunden Schlaf pro Nacht reichen". Zweimal in der Woche fährt er Fahrrad, einmal geht er in die Sauna. Viermal im Monat geht er ins Kabarett, einmal im Jahr macht er eine Woche Urlaub mit seiner Frau. Ansonsten arbeitet Wolfgang Heyder. In der eigenen Veranstaltungsagentur in Bamberg - und ehrenamtlich in vielen Ämtern, vor allem im Sport. Bundesweit machte sich Heyer einen Namen, als er den Basketball-Bundesligisten Bamberg zum deutschen Branchenprimus aufbaute. Danach folgten Posten im Handball, Fußball und Volleyball.
Wer ist der umtriebige Mensch hinter all den Aufgaben? Warum wollte der gebürtige Schweinfurter früher mal Pfarrer werden? Und wovon träumt er mit 63 Jahren noch? Beim Besuch in der Redaktion gewährte er sehr persönliche Einblicke und plauderte über Kindheitserinnerungen, die Kirche, eine Schwäche und die SPD. Und natürlich über die Liebe zum Basketball.
Frage: Herr Heyder, Sie wechseln Sportarten, Ämter und Aufgaben wie ein Chamäleon die Farben. Wir fragen uns: Welcher Mensch steckt hinter all dem?
Wolfgang Heyder: Diese Frage stelle ich mir auch. Momentan bin ich in der Phase, in der ich mich aber noch mehr frage: Was gebe ich ab, wo gehe ich in den nächsten zwei Jahren raus? Denn natürlich ist es alles zu viel. Zwei Geschenke, die ich zu meinem 40. und 50. Geburtstag von einer Freundin bekommen habe, sagen ziemlich viel über mich aus: Es war jeweils ein großes Schild mit der Aufschrift 'Nein'. (lacht) Das ist eine Schwäche: Ich kann schwer Nein sagen, wenn mich etwas überzeugt. Was den Sport betrifft, bin ich besonders leicht zu begeistern. Dazu kommt eine biografische Geschichte.
Welche?
Heyder: Ich habe das in Bamberg 15 Jahre lang gemacht, von 1999 bis Ende 2014, mit extremstem Herzblut, 120 Stunde pro Woche. Das war mein Thema. Und es war ja auch absolut erfolgreich, das kann man schon so sagen im Rückblick. Als ich damals raus bin, hatte ich totale Angst vor der Leere.
Also haben Sie neue Pöstchen angenommen.
Heyder: Zu viele innerhalb kürzester Zeit. Das war nicht immer schlau. Zum Beispiel bei der SPD. Ich war über 30 Jahre Mitglied in der Partei, aber nie aktiv. In der Phase habe ich mich dann dazu breitschlagen lassen, auf eine Liste zu gehen - in der Konsequenz, dass ich in den Kreistag gewählt wurde. Dann kam mein Ortsverein auf mich zu und wollte mich im Gemeinderat haben. Somit hatte ich den nächsten Job am Hals, zumal ich hier nicht wusste, was tatsächlich auf mich zukommt. Weil ich auch unbedingt im Profisport was machen wollte, habe ich mich zum Handball in Coburg überreden lassen. Einige Entscheidungen waren nicht ganz durchdacht und viel zu voreilig, statt erst mal loszulassen und ruhiger zu werden.
Sind Sie rastlos?
Heyder: Ja, ich bin ein rastloser Typ. Und auch jemand, der nicht nur zuschaut, sondern der etwas bewegen will. Ich bin ein Entscheider, kein Beisitzer. Da stecke ich in einem echten Dilemma: dass ich überall ehrenamtlich unterwegs bin, abgesehen von meiner eigenen Firma. Und in ehrenamtlichen Strukturen kann man ganz schwer etwas voranbringen, man kann auch nicht führen. Das ist limitierend und für mich häufig nicht befriedigend. Außerdem bin und bleibe ich im Herzen einfach Basketballer.
Woher rührt Ihre Liebe zu dieser Sportart?
Heyder: Ich habe sie mir als untalentiertes Pummelchen hart erarbeitet (lacht). Im Ernst: Ich habe mit 13 angefangen, exzessiv Sport zu treiben, weil ich dick war und abnehmen wollte. Mit 15 kam ich zum Basketball, war aber nicht nur zu klein, sondern auch ziemlich untalentiert, als dass aus mir ein richtig guter Spieler hätte werden können. Nur durch extremen Ehrgeiz habe ich es damals überhaupt bis in die Regionalliga geschafft.
Mehr begeistert als andere Sportarten scheint Sie Basketball trotzdem zu haben.
Heyder: Fußball habe ich auch lange gespielt, finde ich aber nicht so richtig prickelnd. Handball ist mir fast zu hart, Volleyball zu wenig emotional. Basketball ist schnell, athletisch und ästhetisch. Eine richtige Bindung aber ist erst mit den Jahren entstanden. Als Trainer habe ich mich hochgearbeitet, als Manager tief reingegraben. So ist die Liebe gewachsen.
Der erste Funke, wie ist der übersprungen?
Heyder: Durch diese einzigartige Emotion in Bamberg, die ich nie in meinem Leben vergessen werde. Wir sind als Kinder durch den Zaun geklettert auf die Army-Base, auf der diese Kennedy-Halle stand, in der damals noch die Bundesligaspiele stattfanden. Dann hat uns jemand eine Karte geschenkt oder einer hat eine Auslasskarte rausgeschmuggelt. Und dann waren da 3000 Leute in einer Halle, in der nach heutigen Sicherheitsmaßstäben vielleicht 2000 rein dürften. Die haben noch alle geraucht! Das war unglaublich! Diese Dichte, diese Atmosphäre, diese Stimmung! Motorenlärm wie auf dem Flughafen! Und dann spielte da ein Jim Wade gegen einen Holger Geschwindner! Ich habe heute noch Gänsehaut. Das war der Boden, auf dem Freak City entstanden ist, was es ja längst nicht mehr ist ...
Sondern?
Heyder: Heute ist Bamberg leider eine beliebige Mannschaft, austauschbar. Sie hat keine Identität mehr mit dem Standort, kein Bamberger Spieler ist mehr dabei.
Vor acht Jahren sagten Sie in einem Interview, dass Sie davon träumen, ein Basketball-Nachwuchsleistungszentrum aufzuziehen, das zu den besten der Welt gehört.
Heyder: Das würde mich immer noch sehr reizen. Damit habe ich mich in den letzten Monaten immer wieder auseinandergesetzt, weil ich auch ein paar Leute hätte, die mitmachen würden, Dirk Bauermann zum Beispiel. Der ist ja auch so einer, der nicht auf der Couch sitzen will. Aber so Leute wie wir sind für viele andere, die mit Erreichtem zufrieden sind, viel zu anstrengend. Es gibt gerade im Basketball generell zu wenig Visionen.
Was hindert Sie, Ihre Vision umzusetzen?
Heyder: Man kann so ein Leistungszentrum nur mit einer Bundesliga-Struktur aufziehen. Auf dem Land geht es nicht, weil die Wettkampfsituation fehlt, die man braucht, um Spieler zu entwickeln. An einem Ort mit einem Bundesligaklub geht es nicht, weil eine Parallellstruktur nur zu Streit führen würde. In Erfurt wollten wir so ein Projekt mit den Oettinger Rockets aufziehen, aber dann gab es das Fiasko, als Oettinger wegen eines Erbstreits mitten in der Saison als Geldgeber ausstieg. Insgesamt ist das ein sehr schwieriges Thema.
Was ist Ihr grundsätzlicher Antrieb, etwas bewegen zu wollen?
Heyder: Mich reizen neue Herausforderungen und ich schätze es sehr, in verschiedenen Konstrukten immer neue Leute kennenzulernen. Aus all meinen Aktivitäten haben sich gute Beziehungen entwickelt.
Ist es auch Ansporn, etwas zu hinterlassen, das bleibt?
Heyder: (denkt nach) Ja. Wenn ich Dinge mache, dann nicht nur, dass sie gemacht sind, sondern, dass ich nachhaltig etwas bewirke. So, wie zum Beispiel im Basketballverband Strukturen weiterzuentwickeln.
Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Heyder: Das hängt davon ab, wie man Erfolg definiert. Für mich gehört dazu, langfristig funktionierende Strukturen zu entwickeln. Kurzfristiger Erfolg, wie ein paar gewonnene Spiele, bedeutet mir nichts. Mir geht es immer ums Gesamtpaket.
Auf welchen Erfolg sind Sie besonders stolz?
Heyder: Auf die Jahre in Bamberg. Ich habe den Verein 1999 mit unter Null übernommen und als Marktführer mit neun Millionen Euro, sechs Meistertiteln und drei Pokalsiegen, mit einer intakten Jugendarbeit und einem in Deutschland einmaligen Businessnetzwerk übergeben. Das empfinde ich als beachtenswert.
Bevor Sie im Basketball erfolgreich wurden, haben Sie in Bamberg Theologie studiert und wollten Pfarrer werden.
Heyder: (lacht) Ja, ja. Als 19-Jähriger nach dem Abitur hat man manchmal das ein oder andere Identitätsproblem.
Ein Irrweg also?
Heyder: Es war so: Ein paar Freunde von mir, die auf einem anderen Gymnasium waren als ich, hatten Leistungskurs Religion. Daran durfte ich aus Interesse teilnehmen, bei uns gab's das nicht. Wie der Lehrer das damals unterrichtete, hat mir unglaublich imponiert. Gerade die Existenzialtheologie von Martin Buber hat mich begeistert. Nach dem Zivildienst habe ich entschieden, Theologie für Lehramt zu studieren. Ein brachialer Schock!
Warum?
Heyder: Die haben mich fünf Semester lang gequält mit dem Lernen von Sprache. Hebräisch, Griechisch, Latein. Das war nicht meine Welt. Ich habe keinen Zugang gefunden. Die Exegese im Alten und Neuen Testament hat mich ebenfalls nicht angesprochen. Darum habe ich aufgehört und stattdessen Deutsch und Geografie studiert. Aber als Lehrer habe ich nie gearbeitet, weil ich zu sehr vom Basketball und meinem Trainerdasein angefixt war und meine Frau und ich während des Studiums auch schon unsere Veranstaltungsagentur gegründet hatten. Dort habe ich mir das Wissen angeeignet, von dem ich später als Manager im Sport profitiert habe: Marketing, Budgetierung, Vertragsgestaltung, Risikoeinschätzung ...
Spielt Glaube trotzdem noch eine Rolle in Ihrem Leben?
Heyder: Meine Eltern waren strenge Katholiken und haben versucht, mich und meine drei jüngeren Geschwister zum Glauben zu führen. Das hat bei mir nicht ganz geklappt, ich bin nur ein Feiertagskirchgänger. Aber es geht ja vor allem um Werte. Sie zu vermitteln ist entscheidend, wenn man Spieler oder Kinder erzieht.
Welche Werte sind Ihnen besonders wichtig?
Heyder: Soziale Kompetenz, Teamgeist, eine gute Arbeitseinstellung, also Fleiß und Disziplin. Und Ehrlichkeit und Direktheit.
Sie wissen, wie man Profiklubs zu einer erfolgreichen Marke macht. Der Kirche und der SPD laufen die Mitglieder und Wähler weg. Könnten Sie helfen, die beiden auch wieder groß zu machen?
Heyder: (lacht) Ich halte Dogmen im Allgemeinen und die der Kirche im Besonderen für schwierig. Kirche muss auf den Menschen zugehen und ihm Lösungen für sein Leben in der heutigen Gesellschaft aufzeigen statt Verbote auszusprechen und Regeln aufzuerlegen. Im Fall der SPD finde ich, dass sie extrem schlecht wegkommt für das, was sie geleistet hat in der großen Koalition. Aktuellstes Beispiel: die Grundrente.
Aber die hat die SPD doch durchgebracht.
Heyder: (lauter) Aber wird ihr das angerechnet? Stattdessen wird darüber diskutiert, was daran nachteilig ist! Erfolge der SPD werden oft negativ dargestellt, auch der Mindestlohn. Da heißt es jetzt: Der hat uns Jobs gekostet. Das Problem ist: Man kann nicht jedes gesellschaftliche Thema individuell lösen. Ein anderes, abgesehen von den unsolidarischen, öffentlich geführten Personaldiskussionen, die der SPD geschadet haben: Ihr Stammklientel, die Arbeiter, gibt's nicht mehr so wie früher. Je besser es den Menschen ging, desto weniger Wert hatte die SPD.
Gilt das so ähnlich auch für Vereine?
Heyder: Irgendwie schon. Aber sie sind ein soziales Gut, das wir mehr pflegen müssen. Die Vereinskultur ist in und für Deutschland extrem wichtig, überall im Ausland werden wir darum beneidet. Und wir reden sie schlecht oder unterstützen sie nicht ausreichend. Aber für alle - Vereine, Kirchen, Parteien - gilt letztlich das Gleiche: Sie müssen die Menschen emotional kriegen.
Bringen Sie für Politik eine vergleichbare Emotion auf wie für Basketball?
Heyder: Das geht ja gar nicht! (lacht)
Angenommen, es tut sich im Basketball keine Aufgabe mehr auf, wie Sie sie sich wünschen...
Heyder: ...dann geht die Welt auch nicht unter. Aber wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich mithelfen, mal eine junge Bundesliga-Mannschaft entwickeln mit deutschen, identitätsstiftenden Talenten, die Zuschauer bringen und bereit sind, hart für den Erfolg zu arbeiten. Da muss Geld nicht die erste Rolle spielen, der SC Freiburg in der Fußball-Bundesliga ist für mich hier ein tolles Beispiel. Für solch eine Aufgabe würde ich auf viele Ehrenämter verzichten.
Mitarbeit: Carolin Münzel, Matthias Lewin, Jonas Keck
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