Es hätte Gold werden können auf dem Lago di Varese oder Silber, mindestens aber Bronze. Der deutsche Doppelvierer der Junioren steuerte am Sonntag bei der U19-Weltmeisterschaft mit Lorenz Grimm vom Schweinfurter Ruderclub Franken im A-Finale einem großen Erfolg entgegen. Auf Rang zwei war das deutsche Boot auf die letzten 500 Meter der 2000-Meter-Distanz geschossen, nur 14 Hundertstelsekunden hinter den führenden Tschechen und 30 Hundertstel vor Gastgeber Italien.
Doch etwa 250 Meter vor dem Ziel passierte etwas, was den Alptraum eines jeden Wettkampf-Ruderers darstellt und den Schweinfurter Grimm noch lange beschäftigen wird. Einer seiner Mitruderer zog einen Krebs. Das heißt, er bekam das Ruder beim Rückholen nach dem Durchzug unsauber aus dem Wasser. Häufig ist eine Welle dafür verantwortlich, in der Regel ist es aber ein Konzentrationsfehler.
Einen Moment lang bleibt der deutsche Doppelvierer förmlich stehen
Die fatale Folge: Der deutsche Doppelvierer blieb für einen winzigen Moment förmlich stehen. Der reichte, um Italien und auch noch Griechenland vorbeiziehen zu lassen. Statt des Weltmeister-Titels, den Tschechien holte, oder zumindest einer Medaille für die deutschen Jungs gab es also nur Rang vier.
Die Enttäuschung war schmerzhaft, nicht nur beim 17-jährigen Grimm, der hinten im Boot auf der Position des Schlagmanns den Takt vorgegeben hatte. Beim Abschlussabend war ihm – anders als bei vielen mit Medaillen dekorierten Teamkollegen - nicht nach Scherzen und Singen zumute. Sein Verein hieß ihn nach der Rückkehr am Dienstagabend dennoch mit einer kleinen Feierstunde willkommen. Das munterte auf. Schließlich hatte zuvor noch nie ein männlicher Klub-Spross den Sprung zu einer Junioren-WM geschafft.
Den zu erreichen, war Lorenz Grimm im vergangenen Herbst angetreten und hatte sich damit schon "ein sehr hohes Ziel" gesteckt, wie er selbst einräumt. Mit einer Größe von 1,77 Meter und einem Gewicht von 76 Kilo ist er nun mal kein Gigant auf dem Rollsitz, sondern "bei den Skullern der Kleinste und Leichteste" (Grimm).
Lorenz Grimm beißt sich auf der Ochsentour hin zur WM-Nominierung durch
Das soll manchen Trainer ziemlich skeptisch gemacht haben. Doch Lorenz Grimm biss sich auf der Ochsentour hin zur WM-Nominierung durch. Er startete vergangenes Jahr auf der ersten Langstrecke der Bereiche Süd und West im Einer optimal mit einem Sieg über die ungemein fordernde 6000-Meter-Distanz. Dass er bei den Ergometer-Tests im Winter die geforderte Zeit nicht erreichte, war kein Vorteil für ihn.
Doch bei der ersten Ranglistenregatta 2022 in Krefeld schaffte er es ins Einer-Finale und belegte dort Rang fünf. Danach wurden zu Testzwecken für den Nationalkader die ersten Doppelzweier und Doppelvierer zusammengestellt. Für das Boot mit Grimm lief es nicht so gut, aber bei der zweiten Ranglistenregatta in Duisburg erkämpfte er im Einer wiederum Rang fünf. Somit war klar, dass in Sachen Nationalmannschaft nichts mehr an ihm vorbeilaufen würde.
Bis der Doppelvierer so stand, wie er in Italien dann startete, probierte der zuständige Verbandstrainer Trainer Alin Irincu – vor zehn Jahren auch mal beim RC Franken tätig – jedoch noch vieles aus. Selbst in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung, einem dreieinhalbwöchigen Trainingslager in Berlin-Grünau, wurde noch einer der vier Ruderer getauscht. "Man grübelt ständig, wie sich die Trainer wohl entscheiden werden. Das ist für den Kopf ganz schön hart", räumt Grimm ein. Letztlich startete er mit Lukas Haaser (Laubegaster RV Dresden), Leonhard Tanneberg (Lübecker RC) und Kaspar Dobrzalski (Hallescher RV/Nelson im SC Halle).
"Abgesehen vom Ergebnis war es eine tolle Erfahrung, auch die Vorbereitung", sagt Grimm. 2023 möchte er unbedingt wieder im Nationalteam dabei sein. Die Chance ist da, denn wie die meisten anderen Nominierten gehörte der Schweinfurter heuer zum jüngeren der beiden Jahrgänge. "Die meisten von Euch werde ich im nächsten Jahr wiedersehen", hatte Junioren-Bundestrainer Adrian Bretting bei seiner Abschiedsrede gesagt.
2023 wird die WM ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris ausgetragen. Und Grimm, der im nächsten Jahr am Schweinfurter Celtis-Gymnasium zudem sein Abitur ablegen will, hätte eine zweite Chance, seine Erfolgsgeschichte mit Edelmetall abzurunden.