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BOXEN
Boxtalent Samuel Hasratyan trainiert in Schweinfurt und darf sein Können nicht bei Wettkämpfen zeigen
Sein Mentor Raphael Rogers bescheinigt dem 18-jährigen Armenier eine hohe Veranlagung. Doch das Ausländerrecht verhindert, dass die Karriere des Asylsuchenden Fahrt aufnehmen kann.
Ziemlich beste Trainingspartner: Der Schweinfurter Profiboxer Raphael Rogers (links) hat Boxtalent Samuel Hasratyan, einen Geflüchteten aus Armenien, unter seine Fittiche genommen.
Foto: Steffen Krapf | Ziemlich beste Trainingspartner: Der Schweinfurter Profiboxer Raphael Rogers (links) hat Boxtalent Samuel Hasratyan, einen Geflüchteten aus Armenien, unter seine Fittiche genommen.
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 15.07.2024 16:35 Uhr

Die Fäuste fliegen in rasanter Geschwindigkeit. Schon beim Schattenboxen sieht man einem jungen Mann in einem Schweinfurter Fitnessstudio an, dass Boxen für ihn weit mehr als nur ein Freizeitsport ist. Er strahlt. Samuel Hasratyan hat einen großen Traum – als Boxer will er ganz nach oben. Dabei kann er fernab seiner alten Heimat auf Unterstützer zählen, allerdings stellen sich ihm auch Hürden außerhalb des Boxrings in den Weg.

"Ich bin Sam", sagt der 18-Jährige mit festem Händedruck und einem freundlichem Lächeln im Gesicht. Der Teenager versucht jedes Wort zu verstehen und wann immer es geht, deutsch zu antworten. Dabei ist Hasratyan erst seit drei Monaten in Deutschland. Als Geflüchteter aus Armenien ist er, seit sein Asylverfahren läuft, im Ankerzentrum Geldersheim (Lkr. Schweinfurt) untergebracht. An seiner Seite steht sein Trainingspartner, der Schweinfurter Profiboxer Raphael Rogers. Gefunden haben sich die beiden eher zufällig.

Kennengelernt haben sich Rogers und Hasratyan beim gemeinsamen Boxtraining beim AC Bavaria Forchheim. Als Rogers eines Abends dort beim Training auftauchte und fragte, wo Sam sei, erfuhr er, dass dieser nicht mehr kommen dürfe, da er sich wegen seines Status als Asylsuchender nicht weiter als 30 Kilometer vom Ankerzentrum vor den Toren Schweinfurts entfernen darf. Statt gemeinsam in Forchheim trainieren die beiden Boxer nun seit gut eineinhalb Monaten in Schweinfurt. "Ich weiß, wie es ist, wenn man alleine trainiert", sagt Rogers, der das Nachwuchstalent kurzerhand unter seine Fittiche genommen hat.

Trainer und Deutschlehrer

Die Verständigung klappt, wie sie eben nur unter Sportlern zu klappen scheint. "Er ist so ein feiner Kerl, ein richtig netter Junge", sagt Rogers, der ohne es zu merken auch noch einen richtig guten Deutschlehrer abgibt. Vom Potenzial seines Trainingspartners ist der 37-Jährige, der fünf seiner sechs Profikämpfe gewonnen hat, ohnehin vollends überzeugt.

Armenien, die frühere Sowjetrepublik, mit nicht einmal drei Millionen Einwohnern brachte schon zahlreiche Topathleten heraus. Hierzulande die bekanntesten sind sicherlich Arthur Abraham und Karo Murat, die beide ihren Sprung von Franken aus in die große Boxwelt geschafft haben. Großes traut sich auch Hasratyan zu, der schon seit er elf Jahre alt ist, boxt und dessen Vater einst armenischer Champion war. Der Teenager sagt mit leuchtenden Augen: "Ich werde der Beste sein."

In der alten Heimat hat das Leichtgewicht, dessen Lieblingsboxer der US-Amerikaner Floyd Mayweather ist, in der Jugend fleißig Pokale und Medaillen gesammelt. Gerne würde er auch in Deutschland erfolgreich im Boxring stehen. Doch seine geplante Teilnahme an der nordbayerischen Meisterschaft im mittelfränkischen Feuchtwangen im April, über die er sich für weitere Turniere bis hin zur deutschen Meisterschaft qualifizieren wollte, wird stand heute nicht klappen, da er nicht ohne Genehmigung der Ausländerbehörde reisen darf.

Hasratyan möchte zur Schule gehen

"Es wäre für ihn immens wichtig, dass er kämpfen kann", sagt Rogers. "Alleine für die Psyche. Er hat richtig viel trainiert. Das wäre etwas, an das er sich festhalten kann, dort würde er mit der normalen Gesellschaft in Berührung kommen und wäre ein Teil davon." Das Boxen könne ihm ermöglichen, hier nahtlos in ein normales Leben zu finden, dessen ist sich Rogers sicher. Hasratyan möchte zur Schule gehen und der Welt zeigen, dass er ein großartiger Boxer ist.

Auch sein Forchheimer Trainer Tuncay Kasim ist überzeugt von Sams Talent. "Er könnte in der deutschen Spitze mitmischen. Und ich bin schwer davon überzeugt, dass es noch weit darüber hinaus gehen könnte", sagt Kasim, der einst selbst in über 200 Amateurkämpfen im Ring stand und mehrere nationale Titel gewinnen konnte. "Ich bin seit 30 Jahren in diesem Sport, ich habe viele kommen und gehen sehen, aber ich habe selten jemanden gesehen, der so viel Talent und Ehrgeiz hatte."

Der spätere Weltmeister Arthur Abraham (Archivbild) kam vor der Jahrtausendwende aus Armenien nach Deutschland und wurde ein Weggefährte des jetzigen Box-Trainers Tuncay Kasim.
Foto: Patrick Seeger | Der spätere Weltmeister Arthur Abraham (Archivbild) kam vor der Jahrtausendwende aus Armenien nach Deutschland und wurde ein Weggefährte des jetzigen Box-Trainers Tuncay Kasim.

Kasim war übrigens einst Weggefährte der einstigen Weltmeisters Arthur Abraham. Beide kämpften unter anderem in einem Team für die Boxabteilung des 1. FC Nürnberg. Abraham hatte anfangs auch das Problem, dass er als Geflüchteter räumlich eingeschränkt wurde. Kasims Empfinden nach wird heute alles noch restriktiver gehandhabt als vor der Jahrtausendwende, als Arthur Abraham nach Deutschland kam. "Es liegt mir aber fern, irgendwelchen Behörden etwas in die Schuhe schieben zu wollen", sagt der Forchheimer Trainer. "Aber ich finde es nicht gerecht."

Als Verein habe man die Behörden angeschrieben und um eine Ausnahmegenehmigung gebeten. Die Erfolgsaussichten scheinen gering. "Jungs wie er tun viel für die Vereine, sie integrieren sich", betont Kasim. "Daher ist es schade für alle." Hasratyan trainiert in Schweinfurt unterdessen trotzdem tagtäglich weiter, um für den großen Moment bereit zu sein. "Ich hoffe, dass er hier die Möglichkeit bekommt zu zeigen, was er drauf hat", wünscht Kasim dem 18-Jährigen, den die fränkische Boxszene lieber heute als morgen im Ring sehen möchte.

 
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