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Handball
Warum Handballer Linus Geis das letzte Wochenende nie vergessen wird
Der 23-Jährige aus Bad Neustadt hat mit dem TBV Lemgo Lippe die Sensation geschafft und den DHB-Pokal gewonnen. Zwei Tage später feierte er noch eine persönliche Premiere.
Linus Geis (rechts) bejubelt den Triumph des TBV Lemgo Lippe im DHB-Pokal mit Torwart Finn Zecher, dem Matchwinner im Finale gegen Melsungen.
Foto: Leonie Horky, Witters | Linus Geis (rechts) bejubelt den Triumph des TBV Lemgo Lippe im DHB-Pokal mit Torwart Finn Zecher, dem Matchwinner im Finale gegen Melsungen.
Daniel Rathgeber
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:48 Uhr

Als am Freitagabend der Ball ein letztes Mal hinter Finn Zecher einschlug, interessierte das niemanden mehr so wirklich. Nicht Linus Geis, erst recht nicht seine Mitspieler beim TBV Lemgo Lippe. Längst hatten jenseits des Handballfelds ihre Feierlichkeiten begonnen. Dort hüpften sie um die Wette, lagen sich in den Armen und manch einer schaute seinen Nebenmann etwas ungläubig an. Wenige Sekunden später war eine der größten Pokal-Überraschungen der letzten Jahre perfekt. "Dieses Wochenende werde ich nie vergessen", sagt Geis. Zwei Tage nach dem Pokalerfolg kam es für ihn noch ein Stückchen besser.

Der Außenseiter aus dem Lipperland hatte das Finale um den DHB-Pokal gegen die mit zahlreichen deutschen Nationalspielern gespickte MT Melsungen gewonnen. 28:24 lautete der Endstand in Hamburg. Tags zuvor hatte die Mannschaft von Florian Kehrmann im Halbfinale sensationell den THW Kiel ausgeschaltet. Zur Pause mit 11:18 hinten, legten die Blauen eine überragende zweite Hälfte hin und gewannen noch mit 29:28.

Der Moment des Abpfiffs fühlt sich surreal an

Als "surreal" bezeichnet Linus Geis den Moment, in dem im Endspiel die Schluss-Sirene die Gewissheit einsetzen ließ, mit seiner Mannschaft den Pokal gewonnen zu haben. Einen Wimpernschlag später rannte der 23-Jährige los und stürzte sich in die Jubeltraube. Sein Weg war etwas länger als der seiner Mannschaftskollegen: Linus Geis hatte Halbfinale und Finale von der Tribüne aus verfolgen müssen.

Die handballerischen Grundlagen lernte Linus Geis (am Ball) beim HSC Bad Neustadt. 2014 wechselte er zum TBV Lemgo Lippe. 
Foto: Anand Anders | Die handballerischen Grundlagen lernte Linus Geis (am Ball) beim HSC Bad Neustadt. 2014 wechselte er zum TBV Lemgo Lippe. 

Bis zur B-Jugend hatte Linus Geis beim HSC Bad Neustadt gespielt, dem Klub aus seiner Heimatstadt. Rainer Kirchner vermittelte ihm dort das Handball-ABC, war viele Jahre lang Trainer des Jahrgangs, dem auch HSC-Drittliga-Rechtsaußen Benedikt Kleinhenz und Léon Rastner angehörten. Bei einer Sichtung hatten Geis und Rastner 2014 die DHB-Trainer um Christian Schwarzer überzeugt. Und auch die Talentsucher aus der Bundesliga. Rastner wechselte im gleichen Sommer nach Magdeburg, Geis ging nach Lemgo. "Man sagt ja auch immer, dass diese Erfolge auch auf den Heimatverein zurückstrahlen, auch wenn ich die Jungs gerne noch weiter behalten hätte", hatte Rainer Kirchner damals mit Stolz in der Stimme gesagt.

Die letzten Tage waren ein emotionales Auf und Ab

Die vergangenen Tage war für Linus Geis ein mitunter brutales Auf und Ab der Emotionen. Etatmäßig zählt er zum Kader der Lemgoer Drittliga-Mannschaft. Weil deren Saison längst abgebrochen worden ist und weil im Aufgebot der Bundesliga-Mannschaft wegen vieler Verletzungen Lücken klafften, fand der 2,02-Meter-Mann Woche für Woche als Ergänzungsspieler Berücksichtigung bei Kehrmann. Die Einsatzminuten waren rar, aber immerhin: Bei 25 Bundesligaspielen stand Geis bislang in dieser Saison auf dem Spielbericht.

Wenige Tage vor dem Finalturnier eröffnete ihm Kehrmann allerdings, dass er in Hamburg lieber auf Ex-Nationalspieler Christoph Theuerkauf setzen wolle. Der 36-Jährige hat seine Karriere eigentlich beendet und arbeitet auf der Geschäftsstelle des TBV. Diese Nachricht tat weh. "Es war schon ein Schlag ins Gesicht", bekennt Geis. Er könne die Gründe aber nachvollziehen. Theuerkauf habe zum einen vor eineinhalb Jahren noch aktiv am Einzug ins Final Four mitgewirkt und sei emotional und spielerisch "ein extremer Leader. So jemanden braucht man für ein Finalturnier."

Also schüttelte sich Geis kurz und reihte sich ein: "Es war okay für mich. Ich wollte auf keinen Fall der sein, der auf der Tribüne sitzt und sich nicht freut. Handball ist immer noch ein Teamsport." Dementsprechend sei er "einfach nur froh, dass wir das zusammen als Team geschafft haben."

Auf den Rängen feuert Lemgo ein Freund an: Léon Rastner

Ähnlich reif hatte er sich schon im Vorfeld des Finalturniers gezeigt. Ein Zuschauerticket durfte Linus Geis kurzfristig in Anspruch nehmen und wusste nicht so recht, wem er es geben sollte: Mutter Frauke oder seinem Vater, Neuschter-Liste-Stadtrat Christian Geis. Beide winkten ab und die Karte ging an einen guten Freund: Léon Rastner. "Es hat mich extrem gefreut, dass er da war. Er liebt Handball über alles und mit allem drum und dran." Rastner, der 2019 für einige Monate zum HSC Bad Neustadt zurückgekehrt war, spielt in der kommenden Saison für den MHV Schweinfurt.

Obwohl diesmal nicht im Kader, war Linus Geis (hintere Reihe, weißes T-Shirt) bei der Siegerehrung mittendrin.
Foto: Axel Heimken, dpa | Obwohl diesmal nicht im Kader, war Linus Geis (hintere Reihe, weißes T-Shirt) bei der Siegerehrung mittendrin.

"Die Rückfahrt haben wir alle sehr, sehr genossen", sagt Geis über die Nacht auf Samstag und eine mehrstündige Tour mit einigen Pausen. Die Frage, wie der Samstag lief, beantwortet er mit einem wortlosen Schmunzeln. Auch so wurde klar, dass die Vorbereitung auf das Bundesligaspiel am Sonntag bei der HSG Nordhorn-Lingen keine gewöhnliche war. Dort durfte Linus Geis wieder ran und krönte das Wochenende mit einem persönlichen Erfolgserlebnis: seinem ersten Tor in der Handball-Bundesliga. "Endlich", sagt er, "es hat zu lange auf sich warten lassen".

Nächste Saison geht es wohl zurück ins Drittliga-Team

Sechs Bundesliga-Spiele hat Lemgo nach dem 32:25-Erfolg in Nordhorn noch vor der Brust. Sechs Gelegenheiten also für Linus Geis, weitere Treffer folgen zu lassen und Florian Kehrmann auf sich aufmerksam zu machen. Kommende Saison, wenn der Erstliga-Kader wieder vollzählig ist, wird er wohl zunächst in der zweiten Mannschaft zum Einsatz kommen. Kein Problem, sagt der Rückraumspieler: "Ich werde bei den Youngsters mein Bestes geben und muss die Erfahrungen, die ich bei den Profis gesammelt habe, umsetzen bei Spielen der Dritten Liga."

 
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