Wie sich die Anlässe gleichen, die Lösungen aber nicht. Vor 14 Jahren war Tischtennis-Bundestrainer Klaus Schmittinger in Bad Königshofen, beobachtete den 12-jährigen Kilian Ort beim Training und diktierte unserem Mitarbeiter damals in den Block: "Der Bub muss zu einem Bundesligisten, sonst spielt er eines Tages Bayernliga und das war es dann." Worauf Andy Albert und Kilians Vater Josef Ort die Köpfe zusammensteckten und entschlossen rückfragten: "Und wenn wir das selber machen mit der Bundesliga?" Da schmunzelte Schmittinger nur. Der TSV spielte zu dieser Zeit in der sechstklassigen Landesliga Nord-Ost. Der Weg von Ort in die Bundesliga und die Nationalmannschaft ist bekannt.
Jie Schöpp war in den 1990er Jahren die Nummer eins Europas
Nun weilte kürzlich die Frauen-Bundestrainerin Jie Schöpp in Bad Königshofen und beobachtete die 12-jährige Koharu Itagaki beim Stützpunkttraining des Bayerischen Tischtennis-Verbandes (BTTV). Ihr stellte unser Mitarbeiter nahezu die gleichen Fragen wie damals Schmittinger. Jie Shi aus Shanghai, verheiratete Schöpp (54), war 1994 die 13. der Weltrangliste und Nummer 1 Europas. Sie kam 1989 nach Deutschland, bestritt 107 Länderspiele, ist seit 1993 deutsche Staatsbürgerin, seit 2012 Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft und lebt in der Nähe von Koblenz.
"Ich bin hier her gekommen, weil Koharu Itagaki meine Spielerin ist. Ich meine, ich bin für sie zuständig, sie gehört zu meinem Kader. Ich beobachte sie beim Training, korrigiere sie hin und wieder. Morgen mache ich noch einmal Balleimer-Training mit ihr." Natürlich sei Koharu Itagaki, die Schüler- und Jugend-Nationalspielerin sämtlicher Altersklassen, die schon mit Titeln und Medaillen bei internationalen Meisterschaften und Turnieren dekoriert ist, eine potenzielle Nationalspielerin in gar nicht so ferner Zeit, "wenn ihre Entwicklung weiterhin so große Fortschritte macht wie bisher".
Koharu Itagaki gehört zu den besten europäischen Tischtennisspielerinnen in ihrem Alter
Dies zu fördern, zu forcieren und einzuschätzen sei ihre Aufgabe. "Ich hoffe und gehe davon aus, dass sie mit zunehmendem Alter und Erfahrung Tischtennis noch besser versteht und weitere Fortschritte macht. Natürlich gehört dazu, dass sie bei allen internationalen Turnieren, Vergleichen und Meisterschaften dabei ist wie demnächst in Portugal. Das ist die höchste Stufe, die Schüler international weltweit spielen können. Das ist für sie wieder eine gute Chance, zu zeigen, wie sie sich in letzter Zeit entwickelt hat, zu lernen und Erfahrung zu sammeln."
Wie Koharu Itagaki im internationalen Vergleich zu Gleichaltrigen steh? "Für europäische Verhältnisse ist sie eine der Besten, zusammen mit Josephina Neumann. Mit den Asiaten hatten wir noch nicht so viele Direktvergleiche." Itagakis Wechsel zum Zweitbundesligisten SV Schott Jena hält Jie Schöpp für "absolut richtig. Für die Leute hier mag es vielleicht schade sein. Aber ein solches Talent muss sich ja weiter entwickeln, in der entsprechenden Liga und der entsprechenden Mannschaft. Und das ist hier momentan nicht möglich. Wenn der Verein eine Mannschaft hätte, die immer weiter aufsteigt, dann schon eher." Was aber denkt Koharu Itagaki darüber, dass die Bundestrainerin nur ihretwegen nach Bad Königshofen kam. "Ich weiß nicht, was ich darüber denken soll."
Koharu Itagaki trainiert nach wie vor bei ihrem Vater in Bad Königshofen
Etwas ergiebiger sind die Antworten der anständig, besonnen und sehr bescheiden wirkenden Gymnasiastin nach ihrem "Duathlon" Sport und Schule. Wie läuft es schulisch? "Bis jetzt ist es schon in Ordnung." Natürlich habe sie weniger freie Zeit als andere Mädchen ihrer Klasse. Dass sie oft unterwegs bei Lehrgängen und Wettkämpfen sei und dafür weniger in der Schule, sei zu bewältigen, weil sie den Stoff und die Einträge immer von ihrer Freundin geliefert bekomme. "Ich habe jetzt am Jahresende aber nicht mehr so viele Turniere. Und so nehme ich mir auch mehr Zeit für ein bisschen viel lernen." Da wolle sie ja auch vorwärts kommen.
Bis zu dieser Saison spielte Koharu Itagaki in der Oberliga-Mannschaft der Spielgemeinschaft TSV Rodach/TSV Bad Königshofen, wurde Meister. Dass sie seit ihrem Wechsel vor dieser Saison zum Zweitbundesligisten Schott Jena noch mehr unterwegs sei, treffe so sehr gar nicht zu. Ihre Trainingseinheiten absolviert die 12-Jährige nach wie vor nicht in Jena, sondern in Bad Königshofen bei ihrem Vater Koji Itagaki und im Stützpunkt. Wie läuft es sportlich? Jetzt öffnen sich ihre Augen etwas weiter und strahlen erkennbar Freude aus: "Ganz gut. Wir hatten zwei Spiele: 6:1 gegen Langstadt II und 6:3 gegen Offenburg." Persönliche Bilanz ausgeglichen. Genauso wie Koharu Itagaki selber wirkt: sehr ausgeglichen.