Mike Seidler hat schon einmal nachgerechnet – und schüttelt den Kopf. Bislang zahlt sein Verein, der SV Rödelmaier aus der Fußball-Bezirksliga Ost, pro Heimspiel 71 Euro für das Schiedsrichter-Gespann. In der kommenden Saison wird der Betrag beinahe doppelt so hoch sein. Dann werden 130 Euro fällig: 60 Euro für den Spielleiter, je 35 Euro für die beiden Assistenten.
Hochgerechnet auf 15 Heimspiele bedeutet das für den SV Rödelmaier allein für die erste Mannschaft Mehrkosten von 885 Euro. Beinahe 2000 Euro muss der Klub künftig aufwenden, statt bislang etwas über 1000 Euro – Fahrtkosten kommen wie bisher dazu. Wo das Geld herkommen soll? Teammanager Seidler zuckt mit den Schultern.
Der Verband verweist darauf, dass das Thema bereits seit 2018 diskutiert wird
So oder so ähnlich wie dem Verein aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld geht es ab der kommenden Saison allen bayerischen Fußballklubs. Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat vor wenigen Wochen veröffentlicht, dass ab der Saison 2023/24 die Spesen für die Unparteiischen erhöht werden. "Spürbar", wie der Verband auf seiner Homepage schreibt – und gestaffelt nach Spielklassen.
"Wer jetzt überrascht ist, hat entweder in den vergangenen fünf Jahren nichts von den intensiven Diskussionen mitbekommen", sagt Verbandsschiedsrichterobmann Sven Laumer, oder habe sich schlichtweg nicht für das Thema Wertschätzung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter interessiert. Erstmals sei in den Kreisen bei Runden Tischen darüber gesprochen worden, beim Verbandstag im vergangenen Jahr sei der Leitantrag "Ohne Schiri geht es nicht" einstimmig angenommen worden.
Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl aktiver Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter um fast 30 Prozent zurückgegangen auf nur noch etwa 9700 in Bayern. Diesem Negativtrend und den daraus resultierenden Problemen will der BFV "wirkungsvoll entgegenwirken", wie es heißt. Zum Beispiel über eine bessere Bezahlung. Die, so erhofft sich der Verband, nicht nur den Einsatz der bereits aktiven Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter aufwerten soll, sondern auch einen höheren Anreiz bieten, sich zum Referee ausbilden zu lassen.
Auch und gerade in Zeiten allenthalben steigender (Energie-)Preise. "Die Inflation trifft insbesondere auch die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter – vor allem im Hinblick auf die Fahrtkosten, die sich nach dem unveränderten steuergesetzlichen Rahmen richten und trotz gestiegener Sprit-Preise aktuell ,nur' mit 30 Cent je gefahrenem Kilometer abgerechnet werden können", schreibt der BFV.
Für Mannschaften in einer Gespann-Liga muss ein Klub künftig drei eigene Schiedsrichter melden
Zurück zum SV Rödelmaier und zum zweiten Teil der Reform: der Veränderung der Sollzahlen, also der Anzahl Schiedsrichter, die ein Verein stellen muss. Aktuell pfeifen zwei Unparteiische für den SV Rödelmaier, womit er schon heute seine Sollzahl verfehlt. Ab der kommenden Saison wahrscheinlich noch deutlicher.
Dann gilt: Für jede Mannschaft bei den Erwachsenen sowie das jeweils erste A- und B-Junioren-Team in Ligen, deren Spiele von Gespannen geleitet werden, muss ein Klub drei eigene Unparteiische melden. Der SV Rödelmaier mit zwei Männermannschaften (Bezirksliga mit Gespann, B-Klasse ohne) und einer auf Kreisebene kickenden A-Jugend (kein Gespann) muss künftig fünf Schiedsrichter nachweisen – und pro fehlendem Schiedsrichter 120 Euro Strafe an den Verband überweisen.
Gespanne werden in Unterfranken bei den Männern ab der Bezirksliga eingesetzt, bei den A-Junioren in der Bezirksoberliga. Bei den Frauen und den B-Junioren werden Spiele erst auf Verbandsebene von Gespannen geleitet.
"Wir haben bei der Generalversammlung angesprochen, dass sich Mitglieder zu Schiedsrichter ausbilden lassen sollen", sagt Mike Seidler, der auch in der Stadionzeitung Platz freigeräumt hat für einen entsprechenden Aufruf.
Ein paar Kilometer weiter, beim TSV Großbardorf, spielen beide Männer-Mannschaften in Gespann-Ligen, ebenso die A-Junioren und die B-Junioren. Sprich: Die Schiedsrichter-Sollzahl für den Verein beträgt ab dem kommenden Spieljahr zwölf. "Zurzeit haben wir vier Schiedsrichter, ein fünfter kommt hinzu. Ja, die Neuregelung bringt uns in die Bredouille", sagt Harald Schreiber, der für den TSV Großbardorf pfeift.
Der Saaler ist auch Schiedsrichterobmann im Kreis Rhön und der Gruppe Bad Neustadt. Spricht er in dieser Funktion, sagt er: "Wir sind schon eine große Gruppe und haben trotzdem Probleme, alle Spiele mit neutralen Schiedsrichtern zu besetzen." Es brauche dringend mehr Schiedsrichter, egal ob Jugendliche oder ehemalige Spieler. "Wir suchen händeringend", sagt Schreiber.
Wenn er sich bei den Neulingskursen nach dem Grund der Anmeldung erkundige, bekomme er nur in seltenen Fällen die Antwort, dass die Anwärterinnen und Anwärter von ihren Klubs aktiv angesprochen und ermuntert worden seien, sagt Schreiber.
Nur etwa zwei Drittel der Vereine in Bayern erreichen ihre Sollzahl
Im vergangenen Jahr erreichten nur etwa zwei Drittel der am Spielbetrieb teilnehmenden bayerischen Fußballvereine ihre Sollzahl. Sollte die übrigens drei Jahre in Folge verfehlt werden, steigt die Strafe auf 180 Euro pro fehlendem Unparteiischen. Nach fünf Jahren auf 240 Euro.
Das Geld aus den Strafzahlungen werde in die Gewinnung neuer Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter investiert, genauso wie in die Ausbildung und Weiterbildung der Unparteiischen. "Wir sprechen hier ganz klar von einer Solidargemeinschaft", sagt Verbandsschiedsrichterobmann Sven Laumer. "Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter brauchen alle, also sollten im Bestfall auch alle Vereine die für ihre Spiele notwendigen Unparteiischen stellen – wer das nicht kann, verlässt diese Solidargemeinschaft und muss seinen Beitrag in finanzieller Hinsicht leisten."