Timo Barth hat einen Trick. Einen Satz, mehr einen kurzen Gesang, den er im Kopf immer wiederholt. Damit er weiß, bei welchem Buchstaben sein Gegner aufs Tor schießt. Timo Barth könnte Torwart sein, ist aber Tischfußballer. Er spielt unter anderem in der Bundesliga für die Würzburger Kickers. Den Inhalt des Gesangs verrät er nicht.
An diesem Abend ist Training bei Geka Mellrichstadt, Barths Heimverein. Knapp zehn Spieler sind gekommen, dazu eine Spielerin. Allesamt haben sie ihre Trikots an, sechs Tischkicker stehen zum Üben bereit. Barth, der einen offiziellen Trainerschein besitzt, hat einen Plan erarbeitet, woran er und seine Mitspielenden heute feilen. Fünfer-Reihe und Dreier-Reihe.
"Tischfußball ist eine Mischung aus Tischtennis und Schach", sagt Barth. Das kommt dem 37-Jährigen entgegen – er hat selbst zwölf Jahre lang Tischtennis gespielt, seit 2019 ist er beim Tischfußball aktiv. Im Hintergrund klackern derweil die Bälle auf den Kicker-Tischen. Der Rest der Mannschaft trainiert natürlich weiter, während sich Barth die Zeit für ein Gespräch nimmt.
Timo Barth spielt für die Würzburger Kickers
Dass Barth inzwischen auch für die Würzburger Kickers in der Tischfußball-Bundesliga spielt, fußt auf der Begeisterung von Flyeralarm-Geschäftsführer Thorsten Fischer. Die Druckfirma habe mit einem Sponsoring beim Deutschen Tischfußball-Bund (DTFB) begonnen, sagt Barth, der stellvertretender Präsident des DTFB und kurioserweise der einzige Unterfranke bei den Kickers ist. Schnell fand Fischer gefallen am Sport.
Julian Wortmann, Barths damaliger Kollege und Tischfußball-Bundesligaspieler, habe dann dafür gesorgt, dass eine Würzburger Mannschaft gegründet wird. "Er hat sich erstmal mit einem ortsansässigen Verein zusammengetan, und dann hat man geguckt, wie man hier eine Mannschaft zusammenstellt. Und so gibt es jetzt im dritten Jahr die Würzburger Kickers", erklärt Barth.
Die Kickers treffen sich überwiegend nur zu den Bundesliga-Spielen. Gemeinsames Training gibt es nicht, das absolviert jeder in seinem Heimverein. Es kann aber schon vorkommen, dass sich die Spieler im Vorfeld eines Bundesliga-Spieltags treffen, um gemeinsam ein Freundschaftsspiel gegen eine andere Mannschaft zu spielen. "Vor dem Bundesliga-Auftakt in Limburg am anstehenden Wochenende treffen wir uns für ein Freundschaftsspiel in Münster", sagt Barth. Von dort aus gehe es dann gemeinsam zum 1. Spieltag nach Limburg.
Bei Geka Mellrichstadt haben sie 2019 angefangen mit dem Tischfußball-Training. "Dann haben wir die erste Saison begonnen, und nach zwei Spielen kam Corona. Dann war lange Pause", sagt Barth. Bis zur Spielzeit 2022. Das war die erste volle Saison, die Geka spielen konnte. Wie es da lief? "Aller Anfang ist schwer", sagt Barth nur schmunzelnd.
Inzwischen ist der Verein dann doch deutlich erfolgreicher. Barth und seine Mannschaft spielen in der Kreisliga Nord 1. Es läuft gut aktuell. Die bisherige Saisonbilanz: drei Spiele, drei Siege. Beim Tischfußball werden pro Partie vier Blöcke gespielt, jeder Block besteht aus jeweils zwei Doppeln und vier Einzeln.
Kashy Braungart-Zink gelingt tadellose deutsche Meisterschaft
Auch persönliche Erfolge dürfen die Vereinsmitglieder feiern. So ist Kashaya, genannt Kashy Braungart-Zink, die Tochter von Thomas Braungart-Zink, Spielführer des Teams, seit Ende Februar zweifache deutsche Tischfußball-Meisterin. Im Einzel und im Doppel.
Eingestiegen sei seine Tochter, als sie irgendwo zwischen acht und zehn Jahre alt war, sagt der Vater. Und warum? "Grundsätzlich ist mein Papa schon immer auf Turniere gefahren. Und als ich noch ein kleines Kind war, wollte ich auch immer mitspielen", sagt Kashy Braungart-Zink, inzwischen 16 Jahre alt.
"Am Anfang war es so, dass keiner gegen sie spielen wollte, weil man immer gewonnen hat. Jetzt will keiner mehr gegen sie spielen, weil man immer verliert", sagt der Vater. Selbst bei Ligaspielen reiße sich niemand drum, gegen die Jugendliche zu spielen. "Wenn sie gegen Kashy aufgestellt waren, sind sie mit hängenden Schultern reingelaufen gekommen und wussten, dass sie verlieren."
Für ihre erste Deutsche Meisterschaft musste sich die 16-Jährige über die Teilnahme an vier internationalen Turnieren qualifizieren. Gewonnen hat sie bei der DM dann alle Spiele mit 3:0. "Tischfußball ist eine Kopfsache", sagt sie. Menschen, die es nur vom Namen oder aus der Kneipe kennen, "denken vielleicht, dass das nur Rumgebolze ist", sagt Braungart-Zink. "Die zwei Dinge, die viele unterschätzen, sind zum einen das Mentale, und zum anderen einen Plan zu haben und die Taktik zu verstehen." Sie habe sich auf dem Weg zum Turnier im Zug Videos ihrer Gegnerinnen angeschaut, um deren Spielweise zu verstehen. Und letztlich als Underdog gewonnen.
Spieler von Geka Mellrichstadt führen Buch über ihre Gegner
"Wir schreiben inzwischen ein Gegner-Buch mit Stärken und Schwächen", sagt Barth. Ein Ziel könne auch sein, dass der Gegner eben nicht sein bestes Spiel spiele. "Wenn der Gegner nur fünf Prozent mit etwas anderem beschäftigt ist, reicht das schon." Man dürfe nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, in den Kopf des Gegners zu kommen. "Technisch reicht es bei uns prinzipiell, um alle Spiele zu gewinnen. Aber es scheitert ganz oft am Mentalen", sagt Barth.
Da sei Kashy Braungart-Zink sehr stark. Das betonten der Papa und auch Barth. "Ich habe auch noch einen kleinen Puffer, weil ich in unserer Liga noch ein kleines Mädchen bin und da sonst nur große Männer spielen", sagt sie. Und dann komme sie auch noch immer mit ihrem kleinen Podest an, auf dem sie steht, um besser sehen zu können. Barth sagt: "Das ist erst mal süß. Und wenn die ersten drei Bälle gespielt sind, denken sich die Gegner: Oh Gott."
Das, was sie durchs Kickern gelernt hat, könne sie nicht nur für den Sport gebrauchen. "Ich habe viel fürs Leben mitgenommen. Beispielsweise in Schularbeiten ruhig zu bleiben", sagt sie. Außerdem habe sie auf ihren Reisen durch Deutschland viele Leute kennengelernt. Im kommenden Jahr geht es dann zur Weltmeisterschaft sogar ins spanische Saragossa. "Wir haben schon beschlossen, dass wir mit dem Verein auflaufen. Die Gegnerinnen spielen nicht nur gegen die Kashy, die spielen gegen eine Wand", sagt der sichtlich stolze Thomas Braungart-Zink.