
Ein Hotspot im deutschen Tischtennis sei der TSV Bad Königshofen, verbreitete der übertragende Streamingdienst nach dem Sieg des Klubs in der Bundesliga der Männer (TTBL) beim Champions-League-Sieger 1. FC Saarbrücken und vor dem bei Werder Bremen. Da war noch nicht einmal bekannt, dass sein Leitwolf Bastian Steger wegen eines Fingerbruchs in diesem Jahr gar nicht mehr würde eingreifen können. Dann folgte der bemerkenswerte Auftritt gegen Düsseldorf in Würzburg.
Und eine Steigerung gab es noch einmal am Samstag beim 3:1-Heimsieg gegen Schwalbe Bergneustadt, den unmittelbaren Konkurrenten um einen Play-off-Platz. Was war das denn für eine Spannung, was für ein Kampf in 320 Ballwechseln? Ein passendes Weihnachtsgeschenk an die 540 Fans in der Halle und sich selbst, ein gelungener Abschluss des erfolgreichsten Jahres in der Vereinsgeschichte, ein weiterer Schritt Richtung Play-off-Halbfinale – oder doch nur weitere zwei Punkte für den Klassenerhalt?
Die zur Shakehands-Arena herausgeputzte Schulturnhalle war exakt drei Stunden lang Schauplatz einer hochklassigen Partie. Die in vielen Momenten, mit Emotionen pur, nahe dran war, einen anderen Sieger zu finden. Bei der wenig vorherzusagen war und vieles sich anders entwickelte als angenommen.
Jin Ueda ist mit zwei Siegen der Mann des Abends beim TSV Bad Königshofen
Vielleicht war auch die veränderte Aufstellung beim TSV, dem Steger ebenso fehlte wie Bergneustadt Kanak Jha, ein ausschlaggebender Volltreffer. Endlich durfte Jin Ueda, zurzeit in Topverfassung und mit der besten Bilanz (7:4) der TSV-Spieler, an Position eins ran. Womit er zwar für ein mögliches Entscheidungsdoppel ausfiel, dieses sogar selbst mit zwei Einzelsiegen, gegen Romain Ruiz und Vize-Europameister Benedikt Duda, verhinderte. Und damit die Frage beantwortete, wer von den beiden Einsern mit zwei Punkten Mann des Abends würde: Jin Ueda.
Der Bad Königshöfer Japaner sorgte eingangs für die Führung durch seinen Pflichtsieg gegen den Franzosen Ruiz. Dass Martin Allegro nach seinen Siegen in Bremen gegen Andrei Putuntica und in Würzburg gegen Timo Boll auch Benedikt Duda schlagen würde, erwartete eigentlich niemand von ihm. Nach vergebenem Satzball im ersten Durchgang wurde es auch eine klare Sache – 1:1 zur Pause.

Nun stand das Schlüsselspiel an. Würde Filip Zeljko den Schlüssel finden, um gegen den Belgier Adrien Rassenfosse die Tür zum Erfolg zu öffnen? Was folgte, war kein Spiel, sondern ein Offensiv-Spektakel mit offenem Visier beiderseits. Nach Zeljkos 11:6 im ersten Satz wurde die Arena mit dem Queen-Klassiker "We will rock you" beschallt, von den Fans allerdings umgedichtet in "Filip, Filip Zeljko". Doch der Kroate rockte nicht, sondern verzockte die nächsten zwei Sätze (11:13, 8:11).
Das Match von Filip Zeljko dauert über eine Stunde
Seine Vorhand, vor allem beim Aufschlag, ist ja eine Waffe für die Offensive, seine tiefe, offene Vorhand-Ecke in der Defensive dagegen die reinste Fallgrube. Doch dann mutierte Zeljko zum Mentalitäts-Monster, riss die Sätze vier und fünf mit dem Rekord-Satzergebnis in dieser Halle (19:17) nach Abwehr eines Matchballs und acht eigenen Satzbällen sowie 14:12 nach fünf weiteren Matchbällen im fünften nach exakt 61 Minuten an sich. Es hieß 2:1 für den TSV.
Womit die Tür zum vierten TSV-Sieg hintereinander gegen Bergneustadt aber nicht einmal gefühlt offen stand, weil Benedikt Duda noch im Weg stand und Jin Ueda den Durchlass verwehren wollte. Womit der Tischtennis-Wahnsinn seine Fortsetzung nahm. Gleich im ersten Satz sogar, den Duda mit 12:10 an Land zog, den zweiten sogar mit 11:7. Dabei schien Ueda bis hierher schon sein Maximum an Qualität angeboten zu haben, eine Steigerung nicht möglich zu sein.
Doch der Japaner arbeitete beharrlich an seinem zugleich Weihnachts- und Abschiedsgeschenk an Bad Königshofen. Er holte den dritten Satz mit seinem vierten Satzball zum 12:10, den vierten mit 11:5 und den fünften mit 11:8 – ein Sport-Spektakel. Dieser Jin Ueda (32), den nicht einmal der Vize-Europameister aufhalten konnte, den dem Vernehmen nach das Heimweh zurück in seine Heimat zieht: Muss man den denn nicht davon abhalten, seine aktive Karriere so frühzeitig zu beenden und in Japan in eine Trainerkarriere zu wechseln? Oder schaffen es die Fans, die am Samstag vom Gewinn der deutschen Meisterschaft träumten und sangen?
Tischtennis: Bundesliga, Männer
TSV Bad Königshofen – TTC Schwalbe Bergneustadt 3:1
Jin Ueda – Romain Ruiz 3:0 (12:10, 11:1, 11:7)
Martin Allegro – Benedikt Duda 0:3 (10:12, 1:11, 4:11)
Filip Zeljko – Adrien Rassenfosse 3:2 (11:6, 11:13, 8:11, 19:17, 14:12)
Ueda – Duda 3:2 (10:12, 7:11, 12:10, 11:5, 11:8)