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Retzbach
Retzbachs Weg zurück auf den Fußballplatz
Nach 196-tägiger Zwangspause rollt in der Winzergemeinde wieder der Ball bei einem Bezirksligaspiel. Das allerdings unter speziellen Bedingungen.
Mit Maske auf den Sportplatz: Retzbachs Spieler Maximilian Köstler vor dem Spiel gegen den TV Wasserlos.
Foto: Yvonne Vogeltanz | Mit Maske auf den Sportplatz: Retzbachs Spieler Maximilian Köstler vor dem Spiel gegen den TV Wasserlos.
Uli Sommerkorn
 |  aktualisiert: 18.02.2024 11:32 Uhr

Als am Sonntag, 8. März 2020, Schiedsrichter Rene Kohl das Kellerduell der Bezirksliga West zwischen dem TSV Retzbach und dem FC Südring Aschaffenburg auf dem Sportplatz in der Paradiesstraße kurz vor 17 Uhr abpfiff, herrschte bei den Gastgebern nach einer 1:2-Niederlage ob des kaum noch abwendbaren Abstiegs Niedergeschlagenheit. Doch nur fünf Tage später wurde den Retzbachern klar, dass die Frage, ob sie in der darauffolgenden Saison in der Kreis- oder Bezirksliga spielen würden, nicht mehr die vordringlichste sein würde.

Denn an jenem Freitag, den 13. März, unterbrach der Bayerische Fußball-Verband (BFV) die Saison wegen der Ausbreitung des Coronavirus. Für einen damals im März nicht vorhersehbaren Zeitraum hatte der Wettkampfsport Zwangspause. Diese Pause ging allerdings an diesem Wochenende für die Retzbacher und viele andere Fußballer im Bezirk zu Ende.

"Es wurde erst langsam klar, wie lange die Pause dauern würde", erinnert sich Retzbachs Sportleiter Stefan Zull an das Frühjahr. Zunächst durften sich seine Fußballer wegen der Ausgangsbeschränkungen nicht sehen und nur individuell zum Joggen gehen, Wochen später dann unter Anleitung von Interimstrainer Thomas Hehrlein, der im Winter nach der Trennung von Benedikt Strohmenger das Team übernommen hatte, in Fünfergruppen ohne Körperkontakt üben.

Schließlich musste sich Hehrlein einer Fußoperation unterziehen und übergab das Team an seinen designierten Nachfolger Carsten Lanik, der zunächst einige körperlose Kennlern-Einheiten absolvierte und unter dessen Regie die Retzbacher am 19. Juli das Mannschaftstraining wiederaufnehmen durften.

"Die Spieler waren zwar fit, mussten sich aber erst wieder an den Ball gewöhnen. Das war irgendwie komisch", erinnert sich der Würzburger Lanik, der in der Vergangenheit schon Trainerstationen in Rimpar, Sendelbach und beim SSV Kitzingen gehabt hatte und in dessen neuem Team es in der Sommerpause nur geringe personelle Veränderungen gab. Acht Testspiele absolvierten die Retzbacher unter speziellen Hygienebedingungen, etwa mit Halbzeitbesprechungen auf dem Rasen und einer Art der Kabinenbelegung, die nicht zuließ, dass beide Teams gleichzeitig ihre Umkleiden benutzten.

Zwischen Vorfreude und Skepsis

In der zweimonatigen Vorbereitungsphase auf die Rundenfortsetzung seien seine Spieler zwischen Vorfreude und Skepsis geschwankt, ob es denn im September wirklich wieder losgehe, berichtet der neue TSV-Trainer. Die Skepsis wurde durch den Umstand genährt, dass die Bayerische Staatsregierung zum vom Fußballverband anvisierten Termin am 1. September die Wiederaufnahme des Wettkampfsports noch nicht gestattet hatte.

Erst am 8. September verkündete Ministerpräsident Markus Söder, dass die Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs mit Zuschauern wieder erlaubt sei. "Letztlich hat die Freude überwogen, dass wieder um Punkte gespielt werden darf", erklärt Lanik, dass er bei seinen Spielern keine Bitterkeit wegen der Zwangspause und der langen Zeit der Ungewissheit aufgekommen sei.

Desinfektionsmittel an der Kasse, an der die Sportplatzbesucher ihre Kontaktdaten hinterlassen.
Foto: Yvonne Vogeltanz | Desinfektionsmittel an der Kasse, an der die Sportplatzbesucher ihre Kontaktdaten hinterlassen.

Genau zwölf Tage nach Aufhebung des Wettspielverbots, wurde der Retzbacher Wiedereinstieg terminiert. Wie im März genoss der TSV Heimrecht, wie damals war mit dem TV Wasserlos ein Gegner aus dem Raum Aschaffenburg zu Gast. Drei Tage vor der Partie hatten Lanik und die sportliche Führung des Vereins die Spieler versammelt, um ihnen die Hygieneregeln einzuschärfen. Das heißt: Bei Besprechungen in der Kabine müssen die Fußballer Masken anlegen, sie sollen auf dem Spielfeld nicht spucken oder einander abklatschen. Außerdem mussten die beiden Teams die Duschen nacheinander benutzen. "Das ist ungewohnt, aber ich hoffe, wir müssen das nicht ewig machen", betont der Trainer.

Auch neben dem Spielfeld herrschten spezielle Corona-Bedingungen: Für die Umsetzung der Hygieneregeln zeichnete Michael Zull, Vater des Sportleiters und Vorsitzender des Hauptvereins, verantwortlich. Bereits am Tag vor der Partie gegen Wasserlos hatte er mit Helfern Markierungen angebracht, die halfen, die Abstandsregeln einzuhalten. "Die Regeln gelten auch für Zuschauer am Spielfeldrand", machte Michael Zull klar.

Eine Spitze gegen die Großen der Zunft: Schild auf dem Retzbacher Sportplatz.
Foto: Yvonne Vogeltanz | Eine Spitze gegen die Großen der Zunft: Schild auf dem Retzbacher Sportplatz.

Das heißt: Zuschauer müssen 1,5 Meter Abstand halten, wenn sie nicht im selben Haushalt leben. Dazu lagen am Einlass Listen aus, in der jeder Anwesende seine Kontaktdaten eintragen musste, um gegebenenfalls Infektionsfälle nachverfolgen zu können.

So konnte Schiedsrichter Björn Söllner am Sonntag, 20. September 2020, nach 196 Tagen Pause wieder ein Fußballspiel in dem Winzerort im Landkreis Main-Spessart anpfeifen. Übrigens: Retzbach spielte am Ende 2:2-Unentschieden. Doch das Wichtige war an diesem sonnigen Sonntagnachmittag, dass der Ball überhaupt wieder rollte.

 
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