
Auf die Frage, ob auf Vorbereitungslehrgängen im Umkreis ihrer Geburtsstadt Aschaffenburg ein Fluch liege, antwortet Mia Zschocke mit einem Lachen. Wobei das mit dem Fluch eigentlich nicht so abwegig ist. Denn als sich die aus Lohr (Lkr. Main-Spessart) stammende Handballspielerin vor einem Jahr in Frankfurt mit dem Nationalteam auf die folgende Europameisterschaft in Dänemark vorbereitete, erlitt sie im Training ein Anriss des Syndesmosebandes. Die Folge: eine verpasste EM und eine mehrmonatige Verletzungspause. Ein Jahr später bezogen Mia Zschocke und die deutsche Auswahl wieder Quartier im Rhein-Main-Raum: diesmal im Sportpark in Großwallstadt und zur Einstimmung auf die Weltmeisterschaft in Spanien. Und erneut verletzte sie sich.
Dass sie der Frage mit dem Fluch dennoch mit einem Lachen begegnen kann, liegt daran, dass die 23-Jährige diesmal das große internationale Turnier, anders als vor der Jahresfrist, nicht verpassen dürfte. Trotz muskulärer Probleme an der Hüfte nach einer am letzten Lehrgangstag erlittenen Blessur, wegen der sie ein Vorbereitungsturnier am vergangenen Wochenende in Madrid verpasste. Dennoch ist sie zuversichtlich, dass es im Dezember 2021 für sie etwas werden wird mit einem WM-Einsatz. "Es geht in die richtige Richtung", antwortet die 23-Jährige auf die Frage, ob sie beim ersten deutschen Vorrundenspiel an diesem Donnerstag, 2. Dezember, gegen Tschechien dabei sein wird.
Quartier und Vorrundenspiele in der Nähe von Valencia
Sonntagnacht haben die Lohrerin und das vom Niederländer Henk Groener trainierte deutsche Team ihr WM-Quartier bezogen. In Llíria, einer Kleinstadt mit 25 000 Einwohnern im Hinterland der Mittelmeer-Metropole Valencia. In der "Poliesportiu Pla de L'Arc" genannten Halle von Llíria absolviert Groeners Mannschaft auch die Vorrundenspiele gegen Tschechien (Donnerstag, 18 Uhr), die Slowakei (Samstag, 4. Dezember, 18 Uhr) und Ungarn (Montag, 6. Dezember, 20.30 Uhr). Die drei Erstplatzierten erreichen die Zwischenrunde, die für das deutsche Team in Granollers bei Barcelona stattfinden würde.
In Llíria leben die deutschen Spielerinnen und ihre Vorrunden-Gegnerinnen alle im selben Hotel, die Kontrahentinnen begegnen sich zum Beispiel im Speisesaal. Viele Kontakte gibt es aber dennoch nicht. "Natürlich grüßt man sich, wenn man sich kennt. Aber auf Zimmern finden keine Begegnungen statt. Schließlich will man sich ja vor einer Corona-Infektion schützen und vermeidet deshalb möglichst Kontakte", betont Zschocke.

Unvermeidlich sind indes Mia Zschockes Kontakte mit den Physiotherapeuten des Nationalteams. Schließlich will sie möglichst schnell wieder fit werden. Ob es schon für Donnerstag reicht, ist indes noch offen. Weil sich Mia Zschocke und Spielmacherin Alina Grijseels in Großwallstadt verletzt hatten, hat der Bundestrainer mit Lena Degenhardt und Mareike Thomaier zwei Spielerinnen nachnominiert, die ebenfalls mit nach Spanien gereist und Teil des 18-köpfigen Aufgebots sind. Allerdings dürfen nur 16 Spielerinnen pro Partie gemeldet werden. "Es ist aber möglich, während des Turniers Spielerinnen zu tauschen", erklärt Zschocke.
Für die Lohrerin spricht, dass sie seit dieser Saison für ein nationales Topteam spielt. Von Bayer Leverkusen, wohin sie als B-Jugendliche ins Handball-Internat gezogen war, ist sie vor der Saison zum deutschen Meister Borussia Dortmund gewechselt. Das heißt: hohe Qualität der Mitspielerinnen im Training, durch Einsätze in der Champions League eine hohe Zahl an Pflichtspielen. "Natürlich", gibt Mia Zschocke zu bedenken, "das ist schon noch einmal ein ganzes Stück professioneller als in Leverkusen, wo einige Spielerinnen nebenher noch einen Beruf hatten. In Dortmund ist das anders, da liegt der Fokus voll auf Handball."
Und noch einen Vorteil hatte der Wechsel zum BVB: Dort spielt Mia Zschocke an der Seite von Regisseurin Alina Grijseels, die auch Spielmacherin der Nationalmannschaft ist. "Deshalb klappt das auch mit der Abstimmung untereinander gut, weil wir jeden Tag im Verein zusammen trainieren", sagt sie. Deshalb ist die Lohrerin zuversichtlich, dass beide nun auch bei der WM in Spanien gut miteinander harmonieren können.
Dankbar nach den Erlebnissen des Vorjahres
Die Vorfreude aufs Turnier bei ihr ist jedenfalls groß. "Besonders nach den Erlebnissen im letzten Jahr bin ich wirklich dankbar, dass ich jetzt dabei sein kann", erklärt die 23-Jährige. Deshalb und wegen der zahlreichen Pflichtspiele mit dem BVB galt in den vergangenen Wochen die volle Konzentration dem Sport, auch wenn Mia Zschockes letzter Instagram-Beitrag – ein Bild vom abendlichen Canal Grande – eher Urlaubsgefühle vermittelt. Doch das Bild aus Venedig stammt vom Urlaub aus dem vergangenen Sommer. Jetzt, im Spätherbst dieses Jahres, drehen sich im Urlaubslands Spanien Mia Zschockes Gedanken darum, schnell wieder fit zu werden und mit dem deutschen Team bei der WM möglichst weit zu kommen.