Das "Atlas Mountain Race" in Marokko gilt als eines der härtesten Radrennen der Welt. Von den 200 Teilnehmenden, die am 3. Februar in Marrakesch gestartet waren, erreichten nur 117 das Ziel. Die 28-jährige Luisa Werner aus Karlstadt gehörte zu den Finishern. Viel mehr noch: Sie hat die Frauenwertung gewonnen. In der Gesamtwertung erreichte sie Platz 22. Die nächste Frau folgte auf Platz 51.
Luisa Werner: Ich habe tatsächlich auch schon im April vergangenen Jahres die "Italy Divide" über 1200 Kilometer von Neapel zum Gardasee bei den Frauen gewonnen. Beim "Badlands" im September über 750 Kilometer in der Gegend von Granada wurde ich Dritte. Bei solchen Rennen geht es mir aber eigentlich weniger ums Gewinnen, sondern eher um die Herausforderung. Gewinnen ist ein Ziel, das von vielen Faktoren abhängt. Ich orientiere mich lieber an mir selbst. Unterwegs kann so viel schief gehen, dass das Ankommen an sich schon eine Herausforderung ist. Zwar schaue ich unterwegs schon manchmal auf den Tracker, aber erst nach einigen Tagen. Sonst macht man sich nur verrückt. Manche fahren eine andere Strategie und sind dann zunächst vorne. Aber das gleicht sich dann wieder an.
Werner: Die war nur mit dem Mountainbike zu machen. Es ging durch Orte, die waren nur über Eselspfade zu erreichen; dahin hätte kein Auto fahren können. Es war toll, das mit dem Fahrrad zu erkunden. Gleich der erste Anstieg nach Marrakesch führte über einen 2600 Meter hohen Pass mit Schnee bei sieben Grad minus. Das ging am Ende nur mit Schieben. Auch auf der Hochebene waren es vor Sonnenaufgang nur minus fünf Grad. Ich hatte eine Daunenjacke dabei und eine Regenjacke. Und tagsüber wurde es bis zu 20 Grad warm. Eine Passage führte zehn Kilometer nur durch Sand.
Werner: Das lag sicher an der Kälte. Etliche bekamen Husten. Bei mir lief es super bis Kilometer 900. Doch dann bin ich gestürzt, und der Auflieger am Lenker ist abgebrochen, ebenso die Helmhalterung für die Kopflampe. Die habe ich dann mit Kabelbindern festgemacht.
Werner: Schlimm war aber vor allem, dass das Schaltwerk dabei kaputtging und ich nur noch fünf Gänge hatte. Ich habe dann an den Anstiegen das Schaltwerk manuell nachgespannt. Das hat viel Zeit und Nerven gekostet.
Werner: Nein, es war eine festgelegte Route. Aber es gab wieder drei Checkpoints, an denen die bestätigt wurde, dass man dort vorbeigekommen ist. Anders als zwischen Wien und Nizza konnten wir an diesen Punkten auch essen und schlafen. Einmal gab es auch ein Hotel, das man im Dreistundentakt buchen konnte. Insgesamt habe ich während der Tour 17 Stunden geschlafen.
Werner: Das war – neben der Verpflegung an den Checkpoints – diesmal auch der Fall. Aber ich bekam nur Omelette und Brot und leider keine Nudeln. Es gibt dort noch Dörfer ohne Strom.
Werner: Im Vorfeld war gewarnt worden, dass es in den Vorjahren Fälle von sexueller Belästigung gegeben habe. Ich trug immer eine lange Hose und ein langes Trikot und habe nur positive Erfahrungen gemacht. Sobald wir aus Marrakesch raus waren, gab es keine aufdringlichen Menschen mehr. Einmal hatte ich mein Fahrrad kurz abgestellt und die Handschuhe auf den Boden gelegt. Kurz danach fehlte einer, und ich bekam Panik. In einem Café verkaufte mir ein Marokkaner ein paar sehr gute Handschuhe und sagte großzügig: "Du kannst zahlen, was du willst." Später stellte sich heraus, dass ein Straßenhund meinen Handschuh geschnappt hatte.
Werner: Ich bin vom Rudern aufs Radfahren umgestiegen, habe mich aber nicht speziell auf das Rennen in Marokko vorbereitet. Ich fahre Rennrad. In letzter Zeit habe ich Skitouren und Skilanglauf gemacht.
Werner: Ich hatte riesigen Hunger, denn ich hatte kein Essen mehr und war froh, dass ich angekommen war. Der Zieleinlauf ist immer emotional, weil man durch so viele Höhen und Tiefen gegangen ist und es auch Momente gab, wo ich ans Aufgeben dachte, was ich aber dann doch überwunden habe. Oft erschien das Ziel so weit weg. Gleichzeitig bin ich aber auch immer ein bisschen traurig, wenn so ein Rennen zu Ende geht. Auf dem Rad unterwegs zu sein und sonst keine Aufgaben zu haben, als sich um sich selbst zu kümmern und zu fahren, ist auch ein tolles Gefühl.
Solche Strapazen durchzustehen ist Wahnsinn und verdient den höchsten Respekt.