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BOBFAHREN
Wie der Mainbernheimer Christian Rasp ein Weltklasse-Bobfahrer wurde
Christian Rasp: Aus einem guten Sprinter wurde ein Weltklasse-Anschieber. Der 29-jährige Unterfranke über seine Freundschaft zu Pilot Johannes Lochner, die Risiken des Bobsports und das Hobby Fotografie.
Nicht nur eine Zweckgemeinschaft: Pilot Johannes Lochner (links) und Anschieber Christian Rasp nach dem Weltcup-Sieg und dem parallelen Gewinn der Viererbob-Europameisterschaft am Königssee.HANS STRAUSS
Foto: Foto: | Nicht nur eine Zweckgemeinschaft: Pilot Johannes Lochner (links) und Anschieber Christian Rasp nach dem Weltcup-Sieg und dem parallelen Gewinn der Viererbob-Europameisterschaft am Königssee.HANS STRAUSS
Hans Strauß
Hans Strauß
 |  aktualisiert: 07.11.2019 16:08 Uhr

Früher war er ein guter Sprinter, jetzt ist er ein Weltklasse-Anschieber. Christian Rasp ist einer jener Quereinsteiger, die im Bobsport an der Tagesordnung sind. Der 29-Jährige aus Mainbernheim im Landkreis Kitzingen, der jetzt in Berchtesgaden wohnt, hat in den letzten Jahren im Team von Pilot Johannes Lochner viele Erfolge errungen, darunter im Viererbob die Weltmeisterschaft 2017 und den Weltcup-Gesamtsieg im vergangenen Winter. „Er ist unerreichbar mit der Geschwindigkeit, die er laufen kann. Zudem ist er klein und aerodynamisch und damit ideal für die Position vier“, sagt Lochner über Rasp, der hin und wieder auch im Zweierbob einspringt.

So geschehen am letzten Weltcup-Wochenende, das dem Team auf der heimischen Bahn am Königssee großen Erfolg brachte: Rang drei und EM-Rang zwei für Lochner/Rasp im Zweierbob, Tagessieg und der dritte EM-Erfolg hintereinander in der Königsklasse für Lochner, Florian Bauer, Marc Rademacher und Rasp. Am Tag danach hat Rasp Zeit für ein Gespräch. Zwischendurch werden die beiden Bobs an Lochners Elternhaus in Schönau, nur fünf Autominuten von der Kunsteisbahn entfernt, und in der Zentrale des Bob- und Schlittensport-Verbandes (BSD) zur Fahrt nach Innsbruck-Igls, der nächsten Weltcup-Station, verladen. Das machen die Bobfahrer selbst, wie vieles andere auch. „Lewis Hamilton würde seine Reifen nie selbst wechseln, Johannes Lochner schraubt die Kufen eigenhändig an den Schlitten“, sagt Rasp.

Frage: Sie haben sich nach Ihrer Zeit als Sprinter eine zweite Sportkarriere aufgebaut, von der Sie vor ein paar Jahren bestimmt noch nicht geträumt haben.

Rasp: Bobfahren habe ich mir im Fernsehen immer gerne angesehen und ich wusste auch, dass es als Leichtathlet die Möglichkeit gibt, Anschieber zu werden. Aber größer darüber nachgedacht habe ich lange nicht. In der Leichtathletik ist es irgendwann nicht mehr so gelaufen. Ich habe in München trainiert, am Olympiastützpunkt läuft man dem einen oder anderen Wintersportler über den Weg. So ist der Kontakt zum Bobfahren entstanden. Dass aus jedem guten Leichtathlet ein guter Anschieber wird, kann man pauschal nicht sagen. Man muss es ausprobieren, und das habe ich 2015 getan.

Und es war erfolgreich. Dass es so gut gelaufen ist, liegt auch daran, dass Sie mit Johannes Lochner zusammengekommen sind.

Rasp: Das war auch ein bisschen Glück. Hansi war damals ein junger, aufstrebender Pilot, der froh war, wenn er gute Leute bekommen hat. Da musst du entweder viel Geld in die Hand nehmen. Oder du nimmst jemanden, aus dem noch was werden kann. So war das bei uns.

Also eine Win-Win-Situation für Euch beide?

Rasp: Auf jeden Fall.

Der Pilot ist der Boss im Team, die Anschieber sind austauschbar. Täuscht es, oder ist die Beziehung zwischen Johannes und Ihnen anders, freundschaftlich?

Rasp: Ja, wir sind Freunde. Ich bin der Einzige im Team, der nach Berchtesgaden gezogen ist. Wir verbringen auch privat viel Zeit miteinander, weil wir ziemlich auf der gleichen Wellenlänge sind. Generell ist es aber so, dass Johannes ein enges Verhältnis zu allen seinen Teammitgliedern wichtig ist. Jetzt vor dem Heimweltcup in Königssee haben wir alle zusammen in einer Ferienwohnung gewohnt, die Mama von Johannes hat für uns gekocht. Im Unterschied dazu gibt es auch Fälle, da bilden Pilot und Anschieber eine reine Zweckgemeinschaft. Aber das funktioniert auch.

Ein 100-Meter-Sprint ist ein ritualisierter Vorgang über gut zehn Sekunden, durchaus vergleichbar der Startphase auf der Bobbahn, die ungefähr halb so lang dauert. So gesehen, ist der Umstieg von der Kunststoffbahn in den Bob gar nicht so gewaltig gewesen.

Rasp: Es stimmt, dass sich meine beiden Sportarten in dieser Hinsicht total ähnlich sind. Das beginnt bei den festen Startzeiten, die beim Bobfahren nur noch genauer getaktet sind. Eingeübte Rituale haben den Vorteil, dass man im Wettkampf nicht groß nachdenken muss.

Vielleicht lag es daran, dass Sie am Königssee im ersten Durchgang des Zweierbobs den nur im Vierer vorhandenen Anschiebern auf Position zwei und drei lautstark das Kommando „Ab“ zum Hinsetzen gegeben haben?

Rasp (lacht): Ich habe die Fußrasten so schön getroffen, wie ich sie im Vierer immer treffe, das hat dieses Signal in mir ausgelöst. In dem Moment ist mir schon klar geworden: Du Idiot, du hättest doch eigentlich gar nichts sagen müssen. Aber ich fahre einfach so selten Zweierbob.

Und Lochner hat Sie im Ziel wahrscheinlich veräppelt?

Rasp: Klar, er hat gefragt, ob ich mich verletzt habe, weil ich irgendwas gerufen hätte.

Sie haben im Zweier Ihren Teamkollegen Christopher Weber vertreten, der mit Lochner in Altenberg schwer gestürzt war und sich einer Hauttransplantation an der Schulter unterziehen musste. Haben Sie auch schon Stürze hinter sich?

Rasp: Einen Sturz im Zweierbob. Dort ist das unangenehmer als im Viererbob. Das hängt mit der Sitzposition zusammen. Im Vierer würde mir wahrscheinlich wenig passieren, wenn der Bob umkippt. Ich bin da so fest eingekeilt hinten, dass ich wahrscheinlich gar nicht aufs Eis komme. Im Zweier hält sich der Anschieber so weit vorne fest, dass bei einem Umkippen fast immer die Schulter aufs Eis kommt. Das ist ziemlich unangenehm, weil man sich wie im Fall von Christopher eben auch am Eis verbrennen kann.

Wie ging Ihr Sturz aus?

Rasp: Das war vor zwei Jahren bei einem Trainingslauf in St. Moritz. Er hat sich im oberen Teil der Bahn zugetragen, so dass wir 800 Meter nach unten gerutscht sind – noch weiter als die beiden in Altenberg. Irgendwann war es an der Schulter so heiß, dass ich sie runtergezogen habe. Dafür lag dann das Knie auf dem Eis und die 200 Kilo vom Bob noch oben drauf. Und dann mit Druck durch die Kurve. Ich dachte, mein Knie ist kaputt. Im Ziel bist du völlig erschöpft vom Festhalten. Dann hast du den obligatorischen Check beim Rennarzt. Ich habe mich auf mein Bein gestellt und gemerkt: Es tut zwar weh, aber es hält.

Wie lange hing Ihnen der Sturz nach?

Rasp: Die Schürfwunde hat sechs Wochen gebraucht, bis sie wieder zuheilte. Du bist ja ständig in Sportkleidung und schwitzt. Mein Kopf hat den Sturz schnell wieder ausgeblendet. Ich bin am nächsten Tag bewusst gleich Vierer gefahren. Um Stärke zu zeigen. Vier Tage nach dem Unfall haben wir in St. Moritz das Zweier-Weltcuprennen gewonnen. Dabei hatte es Johannes schlimmer erwischt als mich. Er hatte sich die Dornfortsatzbänder am Halswirbel gerissen.

Muss man so hartgesotten sein in diesem Sport?

Rasp: Entweder man blendet es aus, oder man stellt sich. Wenn man Angst hat, dann sollte man nicht fahren. Wenn du Angst hast, bist du nicht zu 100 Prozent leistungsfähig. Ansonsten ist gegenseitiges Vertrauen ganz, ganz wichtig bei uns. Der Anschieber muss seinem Piloten signalisieren, dass man gemeinsam nicht nur durch Höhen, sondern auch durch solche Tiefen geht.

Johannes Lochner bezeichnet sich als Adrenalinjunkie. Auch deswegen fahre er Bob. Gilt das für Sie auch?

Rasp: Nein, gar nicht. Ich habe auch kein Interesse an Extremsportarten, wie man sie hier im Berchtesgadener Land vielfältig ausüben kann. Wenn Leute ungesichert Wände mit einem hohen Schwierigkeitsgrad hochklettern, dann schüttele ich echt den Kopf. Bobfahren bietet ein gesundes Verhältnis zwischen Kontrolle und Risiko, finde ich. Natürlich passiert mal was, aber man trägt keine bleibenden körperlichen Schäden davon.

Das Wochenende am Königssee war sehr erfolgreich für das Bobteam Lochner. Aber Sie sagen, Sie bestreiten die Rennen zurzeit aus dem Training für die Weltmeisterschaft Anfang März in Whistler Mountain heraus. Dort treten Sie gemeinsam mit dem vor zwei Jahren zeitgleichen Francesco Friedrich als Titelverteidiger im Vierer an.

Rasp: Momentan mache ich trotz des Weltcups sehr viel Athletiktraining. Zum Saisonhöhepunkt sollte man dann ausgeruht sein. Seit den Olympischen Spielen versuche ich, viele eigene Ideen umzusetzen und arbeite dabei auch mit meinem früheren Leichtathletik-Trainer zusammen. Vor der Weltmeisterschaft bestreiten wir noch zwei Weltcups in Nordamerika. Dann kommt die WM in Wistler Mountain, woran wir gute Erinnerungen haben. Einmal ist es ein schöner Ort, zum anderen sind wir bei unserem allerersten Weltcup-Rennen dort gleich Dritter geworden.

Eine WM-Medaille wäre für Euch wichtig, um in der Maximalförderung zu bleiben. Vor zwei Jahren Weltmeister, letzte Saison Weltcup-Gesamtsieger im Vierer und nun in Gefahr der Abstufung – ganz schön hart.

Rasp: Unser Sportfördersystem ist sehr erfolgsabhängig. Ich bin nach unserem achten Platz mit dem Vierer bei den Olympischen Spielen von der Sporthilfe schon zurückgestuft worden. Mich trifft das nicht so hart, weil ich mein Grundgehalt bei der Polizei habe. Aber Johannes ist noch Student und dabei, im Sommer sein Masterstudium abzuschließen. Wenn du nicht wie ich bei einer Behörde angestellt bist, kannst du überleben, aber richtig leben kannst du von dem Sport nicht. Manchmal fragst du dich deshalb schon: Warum machst du das überhaupt?

Johannes Lochner war am letzten Sonntag zu Gast bei „Blickpunkt Sport“ im Bayerischen Fernsehen. Zum Ende des Gesprächs war ein Foto von ihm zu sehen – bei einem ungewöhnlichen Golf-Abschlag auf einem Steg am See, mit einem intensiven, offenbar digital bearbeiteten Sonnenuntergang im Hintergrund. Wenn man Ihren Instagram-Account verfolgt, könnte das Bild glatt von Ihnen gemacht sein.

Christian Rasp: Das stimmt tatsächlich. Mit dem Fotografieren habe ich während meiner Schulzeit angefangen, als die Umstellung von analog auf digital für jedermann erschwinglich geworden ist und zusätzlich durch die Bildbearbeitung viel möglich wurde. Porträt- oder Studiofotografie hat mich nie interessiert. Wenn, dann mit natürlichem Licht. Durch den Sport komme ich herum in der Welt, in wunderbare Landschaften und an tolle Orte, die ich privat wahrscheinlich nicht besuchen würde. Das versuche ich, mit meinen Bildern festzuhalten.

Wohin fahren Sie privat in den Urlaub?

Rasp: Grundsätzlich bin ich eher ein Sommertyp. Letztes Jahr war ich auf Madeira, das war landschaftlich sehr schön. Und ich habe natürlich auch Fotos gemacht.

Zur Person

Christian Rasp wurde am 29. September 1989 in Ochsenfurt geboren und kommt aus Mainbernheim im Landkreis Kitzingen. Er ist 1,83 Meter groß und wiegt 98 Kilogramm. 2010 wurde er deutscher Junioren-Meister über 100 und 200 Meter. Seine 100-Meter-Bestzeit von 10,45 Sekunden stammt aus dem Jahr 2015, in dem er zum Bobsport wechselte. Rasp studierte an der Hochschule für den öffentlichen Dienst, Fachbereich Polizei, in Fürstenfeldbruck, und hat mittlerweile den Rang eines Oberkommissars. Derzeit ist er als Spitzensportler freigestellt.
 
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