Mit den Freunden treffen, Richtung Bolzplatz stapfen, kicken. Von morgens bis abends. Dreckige Trikots, offene Knie. Insbesondere Jungen, die vor 2000 geboren sind, verbinden freie Sommertage vor allem damit. Mit dem Fußball. Doch der Fußball hat Konkurrenz bekommen. Es gibt ihn schon lange als virtuelle Variante seiner selbst, doch wird er in dieser eben immer besser, und auch für Kinder immer interessanter. Dazu Instagram und Tiktok – die Liste der Ablenkungen ist längst länger als die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder.
Umso schwieriger wird es allem Anschein nach, Kinder in Fußballvereine zu locken. Oder doch nicht? In Haßfurt jedenfalls gibt es zwei sehr unterschiedliche Fälle. Die Stadien keine zwei Kilometer weit auseinander liegen zwischen den Jugendkonzepten des TV Haßfurt und des 1. FC Haßfurt sprichwörtlich Welten.
Fehlendes Personal ist ein großes Problem im Jugendfußball
Der TV ausgestattet mit gleich 16 Kinder- und Jugendmannschaften, davon drei Mädchenmannschaften, der 1. FC mit null. Woran liegt das?
"Jeder weiß, wie das damals gelaufen ist", sagt Markus Wlacil, Sportvorstand des 1. FC Haßfurt. Er meint damit die JFG Haßfurter Maintal, in der der 1. FC fünf Jahre lang organisiert war. Von 2013 bis 2018 – dann löste sich die JFG wieder auf. Seitdem tut sich der FC in der Nachwuchsarbeit schwer. Der Verein habe große Probleme, Personal zu finden, das sich um Kinder kümmern könnte, beschreibt Wlacil die Situation. Insbesondere durch die Corona-Pandemie habe sich die Lage nochmal verschärft.
Thomas Krug ist Kreis-Jugendleiter in Schweinfurt. Er betont im Gespräch, wie wichtig Jugendleiter und -trainer für gute Jugendarbeit in einem Verein sind. Sie seien das "A und O", sagt er. "Es gibt Vereine, die Probleme bekommen, wenn zehn Kinder vorbeikommen, weil sie keine Trainer finden."
Bis vor drei Jahren habe er noch gesagt, es fehlen die Kinder. Inzwischen aber seien es die Trainer, die Ehrenamtlichen. "Kinder sind genügend da", sagt er. "Ich glaube, viele Vereine versuchen gar nicht mehr aktiv, die Kinder in die Vereine zu holen, weil sie keine Trainer mehr haben." Zwar gebe es viele Vereine, die gute Arbeit leisten. Aber: "Manche sagen, sie kriegen ihre Spieler später im Herrenbereich schon zusammen. Zur Not holen sie halt ein paar Auswärtige. Aber einer muss sich auch die Mühe machen und sich um die Jugendarbeit kümmern."
Jugendleiter Michael Tully vom TV Haßfurt ist für Krug einer, der sich eben diese Mühe macht. "Der TV Haßfurt hat mit Michael Tully einen überdurchschnittlich guten Jugendleiter", lobt der Kreis-Jugendleiter. Anders die Situation wenige Kilometer weiter: "Es hat beim 1. FC Haßfurt, seit ich im Amt bin, nie jemand gesagt, 'wir setzen den Fokus jetzt auf gute Jugendarbeit'." Zwar habe es in den vergangenen Jahren gute Herrenspielleiter, Betreuer sowie einen guten Trainer gegeben und der FC habe noch von seinem Namen und den Spielern von früher gelebt. Aber: "Da der 1. FC Haßfurt nicht mehr in der Bayernliga spielt, zieht es nicht mehr so viele Fußballer wegen der Spielklasse an die Flutbrücke wie in der Vergangenheit."
Der TV Haßfurt profitiert derweil davon, dass es ihm mehr oder weniger egal ist, in welcher Liga seine Mannschaften spielen. So jedenfalls kann man es den Aussagen von Michael Tully entnehmen. Er sieht es als einen großen Vorteil des TV, "dass jeder spielen darf. Dass wir versuchen, alle mit einzubinden und nicht sagen, 'du bist besser, du bist schlechter, dich können wir nicht gebrauchen'."
Die Organisation als Breitensportverein hilft enorm
Die Organisation als Breitensportverein hilft dem TV Haßfurt enorm bei der Jugendarbeit. "Der TV Haßfurt fängt mit Kinderturnen an. Die wissen ganz genau, wenn sie Kinderturnen anbieten, haben sie schon mal 50 Kinder", erklärt Kreis-Jugendleiter Krug. Zwar entscheide sich nicht jedes Kind für Fußball, aber eben doch einige. Und so fällt es dem TV leichter, schon früh Fußballmannschaften aufzubauen.
Tully weiß um die Vorteile eines Breitensportvereins, kennt aber auch die Nachteile. "Es ist Fluch und Segen", sagt er. Bis sich die Kinder entschieden haben, auf welchen Sport sie sich spezialisieren wollen, könnten andere Vereine sie abwerben. Und wenn das ein oder andere Kind doch höhere Ambitionen hat, wechselt es vielleicht in einen leistungsorientierteren Verein, sodass erst wieder Kinder aus der zweiten Reihe nachrücken und Verantwortung übernehmen müssen.
Corona sorgt für Verschiebung der Prioritäten
Insbesondere in der Vergangenheit sei es derweil "ein großes Plus" des TV gewesen, wie sehr sich Eltern im Verein engagiert haben. "Es war in der Vergangenheit wirklich gut, dass es pro Jahrgang drei, vier Papas gab, die sich organisiert und das Training gemanagt haben", sagt Tully.
Aber auch er kennt die Problematik der fehlenden Papas und Mamas, die sich die Zeit nehmen, mit den Kindern zu trainieren. Auch er sagt, dass es immer schwieriger werde, Ehrenamtliche zu finden, weil die Aufgabe zeitlich umfangreicher werde. "Da ist nicht jeder bereit, wieder mitzuhelfen", sagt Tully. Dazu komme Corona, wie es auch Wlacil beschreibt. "Die Eltern haben gemerkt, dass es auch ohne Fußball geht, haben sich umorientiert und die Motivation hat nachgelassen."