Spielgemeinschaften, Jugendfördergemeinschaften, 9 gegen 9 - im Nachwuchsfußball ist seit etlichen Jahren ein eklatanter Rückgang an Spielern zu beobachten. Die Ligen schrumpfen, Vereine arbeiten gezwungenermaßen zusammen. Besonders gravierend ist dies in ländlichen Regionen der Fall - auch im Landkreis Haßberge. Doch es gibt einige wenige Vereine, die es schaffen, sich dem allgemeinen Abwärtstrend entgegenzustellen. Zum Beispiel der 1. FC Sand und der TV Haßfurt.
Da sitzen sie sich gegenüber, Jürgen Stumpf und der Michael Tully. Die beiden Juniorenleiter aus Sand (Stumpf) und Haßfurt (Tully) verfolgen das gleiche Ziel: Den Kindern und Jugendlichen mit dem Fußball einen Sport zu bieten, der auch Werte vermittelt. Dass dabei unterschiedliche Methoden angewendet werden und nicht immer eitel Sonnenschein herrscht, liegt an den sportlichen Zielen der beiden Vereine und den kaum zu vergleichenden Möglichkeiten, die dem jeweiligen Konzept zu Grunde liegen.
Was dem TV Haßfurt die aufgelöste JFG Haßfurter Maintal, ist dem FC Sand der DFB-Stützpunkt - könnte man meinen. Doch weder die "Turner" noch die Sander profitieren unmittelbar von dem "mehr-Angebot" an jungen Fußballern. "Die JFGler sind nicht zu uns gewechselt", weiß Tully, dessen Verein nur von der U 11 bis zur U 15 mit FC Augsfeld zusammenarbeitet. Kinder aus anderen, ehemaligen JFG-Mitgliedsvereinen hat der TV Haßfurt kaum aufgenommen. Tully glaubt aber, den Grund für das Scheitern der JFG zu kennen: "Da hat jeder gedacht, es läuft von allein."
Genau das sei beim TV anders: "Wir haben genügend engagierte Leute, das ist unser großes Plus." Die etwa 170 Kinder und Jugendliche am Haßfurter Eichelsee verteilen sich auf 13 Mannschaften. 30 Betreuer und Trainer kümmern sich um den Vereinsnachwuchs. Aber: "Viele, die beim TV Leichtathletik betreiben, kommen aus den umliegenden Ortschaften. Die würden aber niemals bei uns Fußball spielen. Beim TV ist halt nicht nur Fußball im Programm, da hat es ein reiner Fußballverein in manchen Dingen schon einfacher."
Kunstrasen als Pfund
Sand hingegen, so heißt es immer wieder, profitiert vom Stützpunkt im Seestadion. "Das ist völlig falsch", betont Jürgen Stumpf. "Klar ist das kein Nachteil, aber unser Einzugsgebiet umfasst ohnehin den gesamten Landkreis." Da ist es kein Wunder, dass jeder Jahrgang eigenständig besetzt ist. "Natürlich können wir - wie jeder andere auch - Stützpunktspieler beobachten, Datenbanken anlegen. Das war's dann aber auch schon. Wir haben vor vier Jahren einen eigenen, anderen Ansatz verfolgt, uns überlegt, was wir tun, was wir ändern müssen, damit die Spieler auch bei uns bleiben. Und das, ohne viel Geld in die Hand zu nehmen."
Ein unbestrittenes Plus für den FC Sand ist hingegen der Kunstrasenplatz. Das sieht auch Jürgen Stumpf so: "Der Platz ist ein Segen." Das sieht auch Michael Tully so: "Ich hätte gerne optimale Spiel- und Trainingsbedingungen, daher wünsche ich mir einen Kunstrasenplatz." Die Haßfurter haben auch auf ihrem dritten Platz hingegen noch nicht einmal genügend Licht für den Trainingsbetrieb. "Da stehen provisorisch zwei Flutlichtmasten. Da hängt praktisch eine Kerze dran, und die soll den Platz ausleuchten. Und das müssen wir dann jemandem außerhalb des Fußballs erklären," betont Tully, eventuelle Investitionen immer mit dem Hauptverein absprechen zu müssen.
Im Jugendbereich taucht ja immer wieder das Thema ,Eltern als Trainer' auf, Konflikte sind da beinahe Standard. "Wir haben 14 eigenständige Mannschaften, mit aktuell 211 Spielern und 38 Trainern/Betreuern. Ab der U13-I ist kein Elternteil als Trainer aktiv", ist Stumpf wichtig zu betonen. Das übernehmen dann andere, lizensierte Trainer, die allerdings ausschließlich Traineraufgaben haben. "Das ist für uns entscheidend, dass sich der Trainer nicht auch noch um die Trikots kümmern muss. Ob wir das Konzept aber auf Dauer finanzieren können, ist aber eine andere Frage."
Gewaltige Nachbarschaft
"Genau deshalb stellen wir uns anders dar. Unsere Jungs spielen dank eines Ausrüstervertrages alle in den gleichen Trikots, Hosen, Jacken. Die Ausrüstung wird nicht verschenkt, aber von uns subventioniert, pro Spieler bringt der Verein da rund 150 Euro auf. "Du musst den Spielern schon was bieten, sonst kommen die nicht. Wir werden uns da aber nie so viel leisten können wie Eintracht Bamberg, Würzburger Kickers oder Schweinfurt 05. Aber mit denen wollen wir uns sportlich okmessen. Wir werden aber nie jemanden weg schicken, weil er es vielleicht nicht ganz nach vorne schafft. Wir wissen schon, wo wir herkommen. Wir sind ein Dorf mit 3000 Einwohnern, das vergessen wir nicht."
Alles eine Nummer kleiner
Alles eine Nummer kleiner gestaltet sich die Jugendarbeit beim TV Haßfurt. Der kommt ohne digitale Datenbank aus. "Wir reden natürlich mit den Trainern über das Potenzial der Kinder. Man muss allerdings sehen, dass wir ein Breitensportverein mit vielen Abteilungen sind", schränkt Michael Tully ein. "Deshalb ist es bei uns sicherlich ein wenig anders. Natürlich wollen wir auch erfolgreich sein, und das sind wir ja zum Teil auch. Aber wir werden nicht massiv nach oben streben können. Hauptziel ist es, Spieler und auch Funktionäre in die Erste Mannschaft zu bringen und möglichst etwas erfolgreicher zu werden. In erster Linie wollen wir die Jungs aber beim Fußball und im Verein halten."
Und lizensierte Trainer? "Natürlich ist es ein Ziel, lizensierte Trainer zu haben, aber die Eltern, die mit ihren Jahrgängen nach oben wandern, opfern ohnehin schon seit vielen Jahren sehr viel Zeit. Die für Lehrgänge zu begeistern, ist fast nicht möglich", weiß Tully. Dafür kümmern sich beim TV die Trainer auch um das meiste selbst - natürlich mit Unterstützung eines Betreuers und Co-Trainers.
Angebote abseits vom Fußball
Neben dem Fußball gibt es sowohl in Haßfurt als auch in Sand andere Angebote, um die Kinder "bei der Stange zu halten. Bei vielen unserer Jugendlichen steht Fußball halt nicht an erster Stelle", weiß Tully, dass man am Eichelsee den Bogen mit "Fußball first" lieber nicht überspannen will.
In Sand übernehmen die Mannschaften ihre "Freizeitgestaltung" selbst. "Dabei geht es in erster Linie um das Zusammengehörigkeitsgefühl. "Dazu zählen in Sand unter anderem auch der Faschingszug, das Weinfest oder der Vereinstag, bei dem alle Mannschaften im Stadion zusammen kommen. "Aber grundsätzlich ist dieses ,Wir müssen da was machen' für uns nicht mehr so dringend. Ich glaube nicht, dass man damit heute noch jemanden abholt - anders als zu unserer Zeit."
Zur Freizeit der Jugendlichen gehören auch die sozialen Netzwerke, der eigene "Online-Status". Aber: "Handys sind mittlerweile natürlich ein riesen Thema", weiß Jürgen Stumpf um den Stellenwert der Internet-Präsenz bei Jugendlichen. "Aber auch da haben wir unsere Richtlinien. Wenn wir auf einem Hallenturnier sind, gibt es kein Handy", zeigt sich der FC Sand da rigoros.
"Die Jungs werden erwachsen, wollen etwas austesten, da steht Fußball nicht immer an vorderster Stelle", sieht auch Tully schon die Grundprobleme bei den Jugendlichen und speziell bei den 17-Jährigen, die zudem zu eher ungünstigen Zeiten (sonntags, 10 Uhr) auf den Platz müssen. "Bei euch in Sand habt ihr es da ein wenig leichter. Da wollen die Jungs Fußball spielen. Bei uns wollen sie Spaß haben", macht der Haßfurter Unterschiede zwischen Seestadion und Eichelsee deutlich.
Kann das Niveau gehalten werden?
Die größte Sorge, die sowohl Jürgen Stumpf als auch Michael Tully umtreibt, ist, das Ganze nicht auf dem aktuellen Niveau halten zu können. "Man sieht, wo was gemacht wird, kommt auch was dabei raus. Aber genügend Leute zu finden, die dazu bereit sind, ist nicht einfach."
"Ich wünsche mir, dass mehr Vereine sich im Jugendbereich besser aufstellen. Dass mehr Vereine über den Tellerrand hinausschauen und die Aufgabe annehmen, selbst mehr zu tun. Dann gehen ihre Spieler auch nicht weg. Sonst sind wir im Landkreis bald nur noch der FC Sand und der TV Haßfurt und vielleicht noch eine JFG. Aber das ist zu wenig, das macht keinen Sinn."
Ähnlich ist es in Haßfurt: "Alle Leute bei der Stange zu halten, dazu zu bringen, dass sie von unten nach oben mitgehen, ist schwierig. Pro Jahrgang könnten vielleicht zehn Mann was machen, aber es ist nur einer oder zwei bereit dazu," muss Tully immer wieder um Betreuer "kämpfen".
Ein teures Vergnügen
Damit in beiden Vereinen das jeweilige Konzept greift, braucht es Geld. "Eine Bezirksoberliga-Mannschaft fährt pro Saison gut 2500 Kilometer, da kommen wir auf rund 2000 Euro Benzinkosten - pro Mannschaft," rechnet Stumpf vor. Und ein Bus, den der FC Sand ab und an mietet, wenn es an den Untermain geht, "kostet uns so rund 400 Euro" Da ist es immens wichtig, die Spielpläne so zu koordinieren, dass möglichst zwei Mannschaften in einem Bus sitzen, erklärt der 43-Jährige, der aber auch bei den Fahrtkosten immer wieder mal auf Sponsoren zurückgreifen kann. Beim TV Haßfurt kutschieren die Trainer und Eltern die Spieler zu den Auswärtspartien, einen Bus leisten sich die "Turner" nur in absoluten Ausnahmefällen - auch das ist ein Punkt, der den Unterschied zwischen den beiden Vereinen verdeutlicht.