Wer nach besonderen Fußballplätzen in der Region sucht, wird schnell beim SV Sylbach landen. Das beginnt schon mit der Lage: Der Rasen am Rainweg, auf dem das Team von Spielertrainer Peter Hertel seine Heimspiele in der Fußball-Kreisliga Schweinfurt 2 austrägt, ist zu drei Seiten stark eingegrenzt: Hinter der Geraden geht's eine steile Böschung hoch, auf der sich auch die Auswechselbänke befinden. Der steile Anstieg gleich nach dem Seitenaus hat den wohl geringsten Platz zum Ausführen eines Eckstoßes im ganzen Landkreis Haßberge zur Folge.
Gegenüber, nur wenige Meter hinter der Seitenlinie, fließt die Nassach entlang. An den Bäumen davor lehnen stets ein, zwei Kescher, um ins Seitenaus gespielte Bälle wieder aus dem Wasser zu fischen. Und hinter dem Tor, natürlich geschützt durch ein Gitter, befindet sich ein Hühnerstall, dessen Bewohner sich gerade während der Spiele ins hinterste Eck verziehen. Doch es gibt noch eine weitere Besonderheit in Sylbach. Die ist nicht direkt am Rasen, sondern auf der anderen Seite des Rainwegs, im ersten Stock des Gemeindehauses zu finden – und heißt Herbert Graser.
Herbert Graser ist seit den Neunzigern beim SV Sylbach aktiv
Herbert Graser ist Stadionsprecher beim SV Sylbach. Wobei die Bezeichnung "Stadionsprecher" fast zu kurz greift, denn der gebürtige Dankenfelder, der Anfang der Neunziger Jahre der Liebe wegen in den Haßfurter Stadtteil gezogen ist, liefert dem Publikum nicht nur das schnöde Durchsagen des jeweiligen Torschützen. Zumindest nicht bei denen der Heimmannschaft: Jeder Sylbacher Spieler hat seinen eigenen Jingle, sozusagen sein eigenes Torlied. Gleich ist nur immer das Intro: Norbert Dickels Torschrei beim Dortmunder Heimsieg gegen Malaga im Viertelfinale der Champions League 2013.
Graser hat in seinem Sprecherzimmer ein Display vor sich, auf dem die Sylbacher Spieler namentlich hinterlegt sind. Schießt einer ein Tor, braucht er nur auf die jeweilige Kachel zu klicken – und der passende Jingle mit der Tormusik des jeweiligen Schützen beginnt. Doch so einfach ist es nicht immer: "Manchmal erkennen wir von hier oben nicht, wer das Tor geschossen hat. Dann rufen wir schnell über die Straße, wer es denn war", meint Graser. Schöner funktioniere das bei Freistößen oder gar Elfmetern, dann ertönt das passende Lied in Sekundenschnelle.
Seit rund acht Jahren gibt es die spezielle, individuelle Torschützen-Playlist. Fast 20 Lieder stehen heuer auf selbiger. "Wenn jemand einen anderen Musikwunsch hat, muss er das nur sagen. Der Herbert managed das dann, dass beim nächsten Tor das jeweilige Wunschlied läuft", sagt Hertel. Während in der Bundesliga jeder Klub seine Vereinshymne hat oder immer ein spezielles Lied nach einem Treffer spielt, "gibt es bei uns eben viel mehr Abwechslung", sagt Hertel.
Sylbachs Trainer Peter Hertel feiert zu "Schürzenjäger-Zeit"
Hertel selbst ist großer Fan der Zillertaler Schürzenjäger. Klar also, was nach einem Hertel-Tor am Sportplatz erklingt: "Schürzenjäger-Zeit". "Das passt einfach, weil es auch ein gutes Stimmungslied ist. Da lässt sich ein Tor schön feiern", meint der Spielertrainer grinsend. Viel zu lachen hatten die Sylbacher in dieser Saison freilich nicht. Magere 34 Treffer hat der aktuelle Tabellendreizehnte in bisher 23 Partien erst erzielt. Party-Mucke am Platz ist also eher die Ausnahme denn die Regel. Für den einen oder anderen sei es übrigens auch eine Zusatzmotivation, sein Lied am Platz gespielt zu bekommen, verrät der Coach. "Es gibt sogar einige Kinder, die dann sagen: 'Papa, sie spielen dein Lied!'"
Musik ist am Sylbacher Sportplatz schon viel länger Thema, als es die Torschützen-Playlist gibt. Graser, der in Sachen Mikrofon und Party schon in der Eltmanner Diskothek "Octagon" Ende der Achtziger Jahre Erfahrung gesammelt hat, unterstützte bereits vor der Jahrtausendwende Gerhard Fischer mit der Stadionmusik. "Da lief das alles noch über Kasetten", sagt er schmunzelnd. Als Fischer als Betreuer raus aus der Sprecherkabine und ran an den Rasen musste, machte Graser auch noch den Job des Stadionsprechers.
Herbert Graser: "Ich bin kein Rock-Fan"
Heute unterstützt ihn an Spieltagen sein Sohn Niko mit der Musik. Ergeben sich daraus Streitereien bei der Musikauswahl? "Black, House oder Deutschrap spielen wir nicht so häufig", meint Graser. "Es gibt aber auch ein paar Ausnahmen, die kann man anhören. Abwechslung ist ja was Gutes." Privat geht der Musikgeschmack der beiden jedoch auseinander. "Ich bin für alles offen. Ich kann Blasmusik hören, aber auch House und R'n'B", meint Graser. "Ich bin kein Rock-Fan. Niko ist da anders, der steht auf Heavy Metal. Damit kann ich nichts anfangen." Der Kompromiss: Zumindest manchmal schallen über den Sylbacher Rasen Songs von Metallica oder Rammstein.