
Karl Maximilian Goger steht am Südhang des Kronbergs, umgeben vom nördlichen Steigerwald, weit weg von der Zivilisation. "Die Sander Winzer haben ihre Weinberge gut versteckt", scherzt er. Der 24-Jährige entstammt einer Familie mit reichlich Tradition. Seit mehr als anderthalb Jahrhunderten bewirtschaften die Gogers aus Sand Teile des Kronbergs. Inzwischen bauen sie auch an anderen Orten ihren Wein an und fahren im Spätsommer die Ernte ein. Wie an diesem Dienstagnachmittag im September, denn in Franken hat die Lese begonnen.

"Jetzt ist die schönste Zeit des Jahres. Man bringt die ganze Arbeit, die man in die Reben und Trauben gesteckt hat, in den Keller", sagt der Winzermeister. Irgendwann möchte er in die Fußstapfen seines Vaters Stefan Goger treten, der den Familienbetrieb leitet. "Ich bin die sechste Generation, die Arbeit wurde mir sprichwörtlich in die Wiege gelegt." Im Betrieb ist der 24-Jährige inzwischen unter anderem für den Weinausbau zuständig – also für den Weg der Trauben von der Rebe bis in die Flasche. "Heute ist der Bacchus an der Reihe", sagt Goger.

Die Rebstöcke, zwischen denen Karl Maximilian Goger mit neun anderen Sammlerinnen und Sammlern steht, sind älter als der Jungwinzer selbst. 1978 wurde der Wein gepflanzt. "Der Ertrag sinkt zwar mit der Zeit, aber die Qualität steigt durch die Wurzeln, die der Rebstock aufgebaut hat – und das ist entscheidend", sagt Goger. Er zerdrückt ein kleines Bündel der Beeren in der Hand und träufelt den Saft auf ein sogenanntes Refraktometer.
Winzer bestimmen mit dem Handmessgerät anhand des Zuckergehalts das Mostgewicht und damit den Reifegrad ihrer Trauben. Goger blickt durch das Prisma, eine Strichanzeige verrät ihm den so wichtigen Wert. "Ungefähr 90 Grad Öchsle", sagt er. "Perfekt!" Die Lese kann beginnen.

"Das Wetter ist perfekt", sagt Karl Maximilian Goger, während er mit einer Schere im Akkord Trauben von den Rebstöcken schneidet. Von den relativ kühlen Nächten profitiere die für den Frankenwein so wichtige Säure. Und tagsüber sei es nicht so heiß, dass die Trauben Schaden nehmen. Die Spätsommersonne scheint an diesem Nachmittag milde auf den Kronberg. "Wir lesen 90 Prozent unserer Flächen mit der Hand", erzählt der Winzer, heute gut einen halben Hektar.
Bacchus ist anfällig für Sonnenbrand
Der Bacchus zeigt, warum die Handlese so wichtig ist. "Die Beeren dieser Sorte haben eine sehr dünne Haut", erklärt Goger. Brennt die Sonne über Tage auf den Weinberg, trocknen die Trauben aus. Was übrig bleibt sind Stielgerüste mit dörren Früchten, die mehr an Rosinen erinnern. Mit zwei präzisen Schnitten entfernt Goger die unbrauchbaren Bestandteile.


Die Handlese ermöglicht den Gogers schon am Weinberg eine Selektion, die Maschinen bis heute nicht leisten können und die auch im Nachhinein kaum umsetzbar ist: Nichtverwertbares fällt auf den Boden. Die gute Lese landet in einer Kiste aus Plastik, die jede Sammlerin und jeder Sammler stets neben sich führt. Ist dieses Gefäß gefüllt, kippen sie das gepflückte Gut schließlich in einen Hebebehälter am Heck eines Kleintraktors, der sich auch zwischen den eng an eng stehenden Rebstöcken bewegen kann.

Ist auch dieser Behälter voll, bringt der Kleintraktor die Ladung – stets rund 300 Kilo Trauben – zu einem großen Anhänger, der am Rande des Weinbergs steht. Ein Helfer kippt die Bacchus-Ernte mit Hilfe einer hydraulisch betriebenen Hebemaschine schließlich in den riesigen Sammelbehälter.
Rebstöcke haben nach 44 Jahren ausgedient
"Es ist der letzte Jahrgang an dieser Anlage", sagt Karl Maximilian Goger, während die restlichen Beerenbündel in den Anhänger rutschen und ein Schwall Traubensaft hinterherschießt. Nach 44 Jahren haben die Bacchus-Rebstöcke ausgedient. "Sie haben ihren Soll erfüllt", sagt der 24-Jährige und schiebt hinterher: "Das ist schon auch etwas traurig." Im kommenden Jahr wollen die Winzer hier Weinstöcke mit Grauburgunder pflanzen. Eine Sorte, die resistenter ist gegen große Hitze – und Sonnenbrand.


Ein großer Traktor bringt den Anhänger nun zur weiteren Verarbeitung in den Betrieb der Gogers nach Sand, rund zweieinhalb Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Kronbergs. "Ziel ist es immer, die Ernte so schnell wie möglich in den Keller zu bekommen", erklärt Karl Maximilian Goger. "Dann kann kein äußerer Faktor die Trauben mehr beeinflussen, außer der Winzer."
Auf dem Werksgelände der Gogers ist die Weiterverarbeitung der Bacchus-Lese inzwischen im vollen Gange. "Wir entfernen jetzt die Rappen von den Reben", sagt der 24-Jährige. Dazu befördert eine Pumpe die Ernte aus dem Hänger über einen Schlauch in eine sogenannte Abbeermaschine. Diese befreit die Weintrauben von ihrem Stielgerüst. Unliebsame Gerbstoffe, die Geschmack und Qualität negativ beeinflussen könnten, werden auf diese Weise vom Wein ferngehalten. Im Anschluss durchlaufen die Beeren eine sogenannte Quetschwalze – und verlassen die Maschine als Maische.


Das Gemisch aus Most, Fruchtfleisch, Beerenschalen und Kernen – inzwischen versetzt mit Enzymen – gelangt schließlich über einen Schlauch in die Weinpresse: Der Edelstahltank fasst rund 3200 Liter, erklärt Winzer Karl Maximilian Goger. Doch so viel haben die Sammlerinnen und Sammler an diesem Tag nicht geerntet, heute fließen rund 1500 Liter Maische in den Behälter.
Weniger Saft, aber höhere Qualität
Beklagen möchte sich Goger über die Weinernte nicht: "Die Trauben haben zwar weniger Saft in den einzelnen Beeren", sagt der Winzer. Ein Umstand, der auch der großen Trockenheit zuzuschreiben sei. "Dafür ist die Qualität sehr gut." Derweil sammelt ein Helfer die Stielgerüste der Trauben in einer großen Kiste. Sie werden weiterverwertet und dienen den Rebstöcken in den Weinhängen der Gogers als Dünger.


In der Produktion wird inzwischen nichts mehr dem Zufall überlassen. Während die Maische weiter in den Tank fließt, untersucht Goger erste Proben – etwa auf den PH-Wert. "3,26 – das passt", sagt der 24-Jährige und notiert alle wichtigen Zahlen auf einem Zettel. Säuren spielen eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel der Hefen während der Gärung. Wären zu wenige vorhanden, müsste Goger nachbessern. Nicht heute.

Inzwischen ist die gesamte Bacchus-Ernte des Tages im Edelstahltank der Weinpresse angekommen, der Behälter luftdicht verschlossen. Um den Kontakt mit Sauerstoff weiter zu minimieren, leitet Goger Kohlendioxid in den Tank ein. "Dieses Gas verdrängt den Sauerstoff und unterbindet die unkontrollierte Oxidation", sagt er. Dadurch werden die Aromen erhalten.

Gepresst wird die Bacchus-Ernte an diesem Tag aber noch nicht. 24 Stunden lagert die Maische nun in dem Edelstahltank, um so Aromen aus der Schale und dem Fruchtfleisch zu gewinnen. Erst nach dieser Pause geht es für den Wein weiter. Nach der Presse gelangt der Most schließlich in einen anderen Edelbehälter, wo er auf die Gärung vorbereitet wird. Wenn alles nach Plan läuft, werden dann aus der Ernte knapp 1000 Flaschen des letzten Bacchus-Jahrgangs vom Kronberg.
Der Ursprung der Geschichte
