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Karfreitag: Eine Prozession entsteht
Diese Karfreitagsprozession ist einzigartig in Deutschland. Seit über 363 Jahren gedenken Lohrer auf diese Weise der Leiden Jesu. Wir haben hinter die Kulissen geblickt.
Ein paar tausend Besucher verfolgen am Freitag (25.03.16) die Karfreitagsprozession in der Lohrer Innenstadt. Traditionell tragen an Karfreitag Männer in schwarzen Anzügen aus Holhz gearbeitete und lebensgrosse Darstellungen des Leidensweg Christi durch die Altstadt.
Foto: Daniel Peter | Ein paar tausend Besucher verfolgen am Freitag (25.03.16) die Karfreitagsprozession in der Lohrer Innenstadt. Traditionell tragen an Karfreitag Männer in schwarzen Anzügen aus Holhz gearbeitete und lebensgrosse ...
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:59 Uhr

Donnerstag, 11. April, 19.30 Uhr, Küferstube:Im Nebenzimmer der Gaststätte am Rande der Altstadt treffen sich 19 Männer und fünf Frauen vom Förderkreis Lohrer Karfreitagsprozession zu ihrer Jahresversammlung. Vorsitzender Joachim Salzmann hat einen Packen Infoblätter mitgebracht mit der wegen einer Baustelle geänderten Route der Prozession und der Prozessionsordnung. Sie liegen auch in der Tourist-Info aus, erläutert der ehemalige Finanzbeamte und Stadtrat, der sich im Ruhestand in der Flüchtlingshilfe und beim Roten Kreuz engagiert. Die Versammlung bestätigt den 61-Jährigen als Vorsitzende. Er geht in seine fünfte Amtsperiode.

Der 2002 gegründete Förderkreis zählt 130 Mitglieder und setzt seine Mittel vor allem für den Erhalt der Figuren und der Tradition ein, kümmert sich aber auch um die Kapuzinerkirche, in der die Figuren gelagert werden. Zur Versammlung gekommen sind diesmal zwei Dutzend Mitglieder - etwas weniger als gewohnt. 

Jahresversammlung des Förderkreises Lohrer Karfreitagsprozession: Zwei Dutzend der rund 130 Mitglieder sind in die Küferstube gekommen.
Foto: Roland Pleier | Jahresversammlung des Förderkreises Lohrer Karfreitagsprozession: Zwei Dutzend der rund 130 Mitglieder sind in die Küferstube gekommen.

Bürgermeister Mario Paul, evangelischer Christ, würdigt den Erhalt der Tradition, die "aus einer losen Gruppe von Menschen Kultur" mache. Tradition im allerbesten Sinne bedeute nicht die Wiederholung des immer Gleichen, sondern die Aktualisierung des Vergangenen. Für Stadtpfarrer Sven Johannsen, der qua Amt zu den Mitgliedern des Förderkreises zählt, ist das eine Steilvorlage. Denn eine der Figuren, "Das Heilige Grab", bereitet Sorgen. Zwar ist die Holzfigur selbst bei der Prozession mit einem feinem Gazetuch zugedeckt. Doch sei sie "keine Schönheit", nimmt der Pfarrer kein Blatt vor den Mund. Die Leichenblässe gehe langsam in den Verwesungszustand über, spitzt er zu. Das Vermögen des Förderkreises würde wohl ausreichen, eine neue Figur zu finanzieren.

Doch Johannsen präsentiert einen Lösungsvorschlag, an dem viele Gefallen finden: Die aktuelle Figur könnte von einem Werk ersetzt werden, das der Würzburger Bildhauers Josef Gerngras 1926 geschaffen hat. Diese fast lebensgroße hölzerne Statue Christi, der im Grab liegt, zu seinen Füßen ein Engel, ruht das ganze Jahr hinter  der Holzverkleidung des Kreuzaltars in der Stadtpfarrkirche. Geöffnet wird diese nur am Karfreitag und Karsamstag. Die Versammlung ist angetan, "die Idee ist faszinierend", so Salzmann. Die Frage ist nur: Ist diese Figur auch zu stemmen? "Wir gucken's uns an", sagt Salzmann. Der Vorschlag sei eine Option fürs nächste Jahr.

Nur am Karfreitag und Karsamstag zu sehen: die fast lebensgroße hölzerne Statue Christi, der im Grab liegt, und zu seinen Füßen ein Engel. Geschaffen hat sie der Würzburger Bildhauer Josef Gerngras 1926. Den Rest des Jahres ist sie unterm Kreuzaltar in der Lohrer Stadtpfarrkirche verborgen. 
Foto: Roland Pleier | Nur am Karfreitag und Karsamstag zu sehen: die fast lebensgroße hölzerne Statue Christi, der im Grab liegt, und zu seinen Füßen ein Engel. Geschaffen hat sie der Würzburger Bildhauer Josef Gerngras 1926.

Auch Unerfreuliches wird angesprochen: Die Drittklässler einer Lohrer Grundschule wissen zwar alle von der Prozession, selbst erlebt aber hat sie nur ein einziges Mädchen, bedauert der Geistliche. Ein Café in der Hauptstraße habe vergangenes Jahr schon während der Prozession auch draußen bedient, kritisiert er.

Abstruser Wunsch der Zuschauer: Fotografier-Pausen

Salzmann erzählt von einem abstrusen Wunsch, der an ihn herangetragen worden sei: Die Prozession möge doch bitte öfter anhalten, "damit wir besser fotografieren können". Ein Alteingesessener Lohrer sei mit diesem Anliegen auf ihn zugekommen, erzählt er und schüttelt den Kopf. "Bitte respektieren Sie den religiösen Charakter der Prozession", steht als Appell auf dem Flyer.

Vor 200 Jahren war das etwas anders. Damals, als der Karfreitag noch kein Feiertag war, waren es wirtschaftliche Argumente, mit denen Stadtpfarrer Joseph Anton Schmitt für den Erhalt der Prozession argumentierte. Bäcker, Schuhmacher, Metzger und Wirte hätten durch das herbeiströmende Volk einen guten Absatz, die Abschaffung würde "unangenehme Auftritte bei dem Volk verursachen". Heute lockt die Prozession zwar viele Auswärtige an. Doch soll mit ihr nicht geworben, soll sie nicht vermarktet werden und "nicht zu einem Event verkommen", schließt Salzmann die Versammlung.  

 Mittwoch, 17. April, 15 Uhr, Kapuzinerkirche: Joachim Salzmann weist Sabina Geis in ihre neue Aufgabe ein. Der hölzerne Leichnam Jesu liegt aufgebahrt auf einem Holzgestell im Oratorium, hinter dem Hochaltar, dem ältesten Teil der ehemaligen Klosterkirche. Sechs Wochen nach ihrer erfolgreichen Gesellenprüfung übernimmt die 22-jährige Juniorchefin der Kleinen Konditorei in der Altstadt die Verantwortung für diese Figur, "Das heilige Grab". Es ist die einzige Einweisung, da der einzige Zuständigkeitswechsel in diesem Jahr. Um all die anderen Berufsgruppen muss sich Salzmann nicht kümmern. "Das machen alle unter sich aus, das ist ein Selbstläufer", erläutert er. Kein Wunder: Die Lohrer haben ja über 360 Jahre Erfahrung.

Joachim Salzmann ist Vorsitzende des Förderkreises Lohrer Karfreitagsprozession.
Foto: Roland Pleier | Joachim Salzmann ist Vorsitzende des Förderkreises Lohrer Karfreitagsprozession.

Salzmann ist so etwas wie der Kümmerer der Prozession. Cheforganisator wäre fast übertrieben. Seine Eltern betrieben einst das Café Salzmann in der Hauptstraße, jetzt eine Bankfiliale. Er rechnet sich deshalb den Bäckern und Konditoren zu, die "Das Heilige Grab" tragen. Das Gewicht dieser Station kennt er nur zu gut. Er gliederte sich auch schon mit "Jesus am Ölberg" bei den Glasern, Drechslern und Schreinern ein - "Mein Onkel war Schreiner" - und sprang auch schon mal ein bei den Uhrmachern, die mit Elektrikern, Seilern, Häfnern und Vertretern medizinischer Berufe die "Verspottung Jesu" schleppen.  

So ganz genau nimmt das keiner. Hauptsache,  es sind genügend Träger da mit einer zumindest geistigen Verbindung zur jeweiligen Berufsgruppe oder dem Leidensgeschehen. Dass sich zunehmend auch Frauen unter die Träger mischen, die traditionell nur die "Pieta" schultern, wird stillschweigend akzeptiert. Warum nicht? Sabina Geis ist ein Musterbeispiel dafür.

Obwohl erst 22 Jahre alt und keineswegs streng katholisch begleitete Sabina Geis (hinter der Frau mit Sonnenbrille) bisher die von Frauen getragene 'Pieta'. 
Foto: Roland Pleier | Obwohl erst 22 Jahre alt und keineswegs streng katholisch begleitete Sabina Geis (hinter der Frau mit Sonnenbrille) bisher die von Frauen getragene "Pieta". 

Der Vater Bernhard Burk, bis 2001 Kreisbrandinspektor, war jahrelang dabei bei den Feuerwehrleuten, die das "Zeichen des Jona" tragen - die einzige Darstellung aus dem Alten Testament, als letzte Station präsentiert als "Zeichen der Auferstehung". Katholisch sei sie "nur auf dem Papier", sagt Sabina Geis. Die Tradition aber finde sie schön. "Ich steh' zu meiner Stadt."  

"Ich steh' zu meiner Stadt."
Sabina Geis, Konditorengesellin, engagiert sich aus Tradition, obwohl sie nur auf dem Papier katholisch ist.

Einen Kehrbesen und einen feuchten Lappen hat sie mitgebracht, um die Figur vom Staub zu befreien. Salzmann erklärt, wie das durchsichtige Gazetuch befestigt wird, dass Floristen des örtlichen Blumenhauses am Freitagmorgen für den Blumenschmuck sorgen werden. Und wie er die Figur selbst erklärt, hat er zunächst einen kleinen hölzernen Finger und dann den ganzen Unterarm in der Hand. Den Arm steckt er wieder zurück. Der kleine Finger war geklebt, den nimmt er mit. "Kunsthandwerk ist etwas anderes", murmelt er. Die Figur müsse "dringend" saniert werden - oder aber ersetzt.

Ob Geis heuer beim Heiligen Grab anpacken wird, ist allerdings noch offen. Zwar hat sie fünf Jahre lang schon die "Pieta" begleitet, die einzige Station, die von Frauen getragen wird. Auch sieht sie kein Problem im Gewicht. "Ich trag' Mehlsäcke von 30 bis 35 Kilo," Schließlich ist sie mit 1,73 Metern nicht besonders klein - doch kommt es beim Tragen zu viert auf die Länge der Partner an. "Wenn da nur Große mitlaufen, hab' ich da nix verloren."

Wieder zurück aus Oberbayern: die Zunftstange der Fischer
Foto: Roland Pleier | Wieder zurück aus Oberbayern: die Zunftstange der Fischer

Das Hin und Her einer Zunftstange

Um die Zunftstange der Fischer gab's ein mehrfaches Hin und Her. Sie stand in der Pfarrkirche bis Bayerns Fischer sie für eine Veranstaltung entliehen. Dann war sie mal da, dann wieder weg. Vor drei Wochen schließlich kehrte sie wieder aus dem Oberbayerischen zurück, freut sich Salzmann. Jetzt hat er sie in die Reihe der anderen Zunftstangen - darunter drei jüngeren Datums - eingereiht. "Sie stammt wohl aus dem 16./17. Jahrhundert und zählt damit zu den ältesten Stücken", erläutert er seinen Enkeltöchtern, die ihn begleiten.   

Auf dem Weg vom Oratorium durchs Kirchenschiff zum Ausgang erklärt er Geis, dass demnächst weitere Kirchenbänke ausgeräumt werden. Einige haben schon Platz gemacht für die Hälfte der Stationen, die das ganze Jahr über dort zu sehen sind. Gottesdienste finden in der Kapuzinerkirche, direkt neben der Pfarrkirche, nicht mehr statt. Der Vorstand des Förderkreises habe beschlossen, so Salzmann, noch mehr Figuren im Chor zu präsentieren.

Gründonnerstag, 18. April, 20.30 Uhr, Bayersturm: Ein Dutzend Bläser der Stadtkapelle schleppen ihre Instrumente die 140 Stufen in die Türmerstube des Bayersturms hinauf. Einen Steinwurf nur entfernt zelebriert Stadtpfarrer Sven Johannsen die Abendmahlsfeier. "Bayerstürmer" Heinz Müller hat Schnaps mitgebracht, etwas anderes aber vergessen: den Vierkantschlüssel zum Öffnen der Fenster. Der betagte Wächter des Stadtturms eilt nochmal nach unten, Werkzeug holen. Die Musiker werden leicht nervös. Hinter geschlossenen Fenstern spielen wäre unsinnig. Als sie dann doch geöffnet sind, heißt es weiter warten. Es dunkelt, geht auf 21 Uhr zu.

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Endlich kommt vom Kirchplatz das Signal: Die Abendmahlsfeier ist beendet. Man sieht ein paar Gläubige vom Kirchplatz gespannt nach oben blicken. Wolfgang Riedmann gibt den Einsatz.  "Düster sank der Abend nieder" und "Am Ölberg in nächtlicher Stille". Viermal das Ganze. Einmal aus jeder der vier Türmerstuben. Erst nach Norden, dann nach Westen, Süden und Osten. 

Joachim Salzmann erspart sich das diesmal: Er entspannt zuhause auf dem Sofa.

Karfreitag, 19. April, 7.30 Uhr, Kapuzinerkirche: Salzmann schließt die Tür zur Kirche des ehemaligen Kapuzinerklosters, direkt neben der Pfarrkirche, auf. Noch drei Stunden bis zu Prozessionsbeginn. Ein halbes Dutzend Männer schleppen die Figuren hinaus in den sonnenbeschienenen Hof der ehemaligen Mädchenschule. Die Gestelle mit Mannequins müssen gekippt werden, dass die stehenden Figuren durch die Türe passen.

Frauen mit Tüten und Körben voller Efeu und Blumen kommen, fangen an zu schmücken. Alles geschieht ruhig, ohne Hektik. Es wirkt wie ein eingespieltes Räderwerk. Michael Schecher gibt ein Interview. Joachim Salzmann muss nirgendwo eingreifen: Alles klappt wie am Schnürchen.  

Karfreitag in Lohr: Freiwillige Helfer tragen die Figuren aus der Kapuzinerkirche und bereiten sie auf die Prozession vor.
Foto: Roland Pleier | Karfreitag in Lohr: Freiwillige Helfer tragen die Figuren aus der Kapuzinerkirche und bereiten sie auf die Prozession vor.

"Ich geh jetzt heim, trink Kaffee und zieh mich um", verabschiedet er sich nach einer Stunde. Davor telefoniert er nochmals mit der Feuerwehr, damit die Straßensperrung auf der geänderten Route ja klappt. Es wird ruhiger am Kirchplatz. Die Figuren warten auf ihre Träger und die Fotografen.

Prüfende Blicke auf dem Heimweg: Haben die Gastronomen auch alle ihre Außenbestuhlung zurückgerückt? Einer nicht. Doch eine eifrige alte Dame kümmert sich, heilt das Versäumnis anderer, leise schimpfend. 

Gelebte Ökumene

Ab zehn Uhr füllt sich die Stadt. Die Sonnenplätze der Gaststätten am Marktplatz sind besetzt. Einige wenige Zuschauer haben sich Campinghocker mitgebracht. Lohr ist überwiegend katholisch, die Prozession ursprünglich katholisch. Salzmann ist Katholik, einer von gut 9600 in Lohr. Die gute 1700 evangelischen Christen sind in der Minderheit. Doch Religionszugehörigkeit spielt nicht mehr die Rolle wie früher, heute wird Ökumene gelebt. Seit 25 Jahren reiht sich auch der evangelische Dekan Michael Wehrwein bei den Geistlichen ein, wie auch sein Nachfolger Till Roth. 

Alle tragen sie schwarz an diesem Tag, Männer wie Frauen, auch die Feuerwehrleute. Nur die katholischen Geistlichen kommen im Priestergewand, die Pfadfinder in ihrer Kluft, die Stadtkapelle in Bordeauxrot, die Wombacher Blasmusik in Jägergrün, die fünf Kommunionmädchen in Weiß.

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Karfreitag, 19. April, 10.30 Uhr, Kirchplatz: Die Kirchturmuhr schlägt zweimal hell. Das Gemurmel verstummt. Frank Nätscher, der Rockmusiker an der Pauke der Stadtkapelle,wiegt sich in den Schrittrhythmus eines Trauermarsches ein. Dann die ersten dumpfen Schläge. Der Zug setzt sich in Bewegung. 

Sabina Geis, die Konditorin, hat sich für "Das Heilige Grab" entschieden, hat sogar zweimal getragen. Salzmann hat sich der Feuerwehr angeschlossen, als letzter im Glied, wie alle anderen mit ernster Miene. Als Träger der letzten Station drängt er sich nicht vor ("die Hüfte ") - er trägt Verantwortung.

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Als die Feuerwehrleute den Wal mit Jona im Maul schultern, ist die Spitze des Zuges schon 15 Minuten unterwegs, hat sie schon ein Drittel des Wegs hinter sich. Die Träger - pro Station sind es drei, vier Vierertrupps - wechseln sich ab. Am schwersten sind die Vollholz-Schnitzereien, am leichtesten die Mannequins, bei denen das Gewand über ein Gestell gezogen wird und nur Kopf sowie Hände als Holz geschnitzt sind. 

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Auf 10 000 schätzt die Lohrer Polizei die Zahl der Zuschauer, die in der Innenstadt in dicht gedrängten Reihen stehen. Salzmann ist vorsichtiger: "Meistens sind's doch weniger." Der Eindruck entstehe, weil doch viele den Standort wechseln und sich den Zug zweimal anschauen. Aber 6000 bis 8000 waren es schon, meint er später. Größere Lücken tun sich nur am Ende der Haaggasse auf, der Umleitungsstrecke. Der "Rempel" zwischen Krankenhaus  und Schloss hoch, vor dem viele Träger Respekt hatten, erweist sich als nicht so anspruchsvoll, wie erwartet. Da atmet manch ein Träger auf. 

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"Die Trägergruppen sind wieder größer geworden", so sein Eindruck.  Salzmann freut sich. Nach der Schlussandacht ist er ein viel gefragter Mann. Hier ist was zu klären, dort ein Hinweis zu geben. Die Figuren werden wieder weggeräumt. Der Blumenschmuck kommt in die Stadtpfarrkirche nebenan. Die Polizeimeldung ist kurz: "Keine besonderen Vorkommnisse". Salzmann schließt sich dem an, schaut bei den Bäckern vorbei, die noch im Weinhaus Mehling zusammensitzen, und stattet dem Keiler Brauhaus einen Besuch ab, wo sich Feuerwehrler und Vertreter der Stadt treffen. Am Nachmittag ist Salzmann schon wieder Opa für seine beiden Enkelinnen. Und in den Straßen der Stadt wünschen sich viele schon "frohe Ostern".

Überprüfen Sie Ihr Wissen über die Lohrer Karfreitagsprozession bei folgendem Quiz:

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Reporter Roland Pleier und die Karfreitagsprozession
Karfreitag: Eine Prozession entsteht
Foto: Theresa Müller
Eine Tradition, die so lange Bestand hat, verdient Respekt. Das ist das Mindeste, was man der Karfreitagsprozession abgewinnen sollte. Gleichwohl es bedenklich stimmt, dass viele Einheimische sie allenfalls registrieren, aber weder aktiv noch passiv als Zuschauer teilnehmen. Ein Zuschauermagnet ist sie allemal - vor allem für Auswärtige - an einem Tag, der in ganz Deutschland mit zu den ruhigsten zählt. Hat es die Prozession ihr Überleben wohl der Überzeugungskraft eines Pfarrers zu verdanken, der vor 200 Jahren wirtschaftliche Argumente anführte, so ist genau dies heute verpönt. Heute ist der Karfreitag - anders als damals - ein Feiertag, an dem keine Geschäfte zu machen sind.
Die Prozession ist einzigartig in Deutschland. Beeindrucken, wie die Zahnräder verschiedener Gruppen ineinander greifen, ohne dass es ein Organisationskomitee gibt. Bewundernswert, wie sich verschiedene Gremien und Grüppchen um einzelne Figuren kümmern.
Das Faszinierendste aber ist die Prozession selbst. Sie kommt mit wenigen Worten auf Täfelchen auf. Teilnehmer wie Zuschauer erleben schweigend Momente des Innehaltens, der Nachdenklichkeit, der Trauer. Die Stimmung erfasst nicht nur religiöse Menschen. Der Glaube, die Konfession, spielt keine Rolle mehr. Die akustische Kulisse ergreift jeden: Die Paukenschläge auf jeden vierten Schritt im Gleichtakt, die Choräle zwischendurch - eindrucksvoll wie sonst selten. Kein Gesang, kein Gebet. Weniger ist mehr. In manchen Augen sind Tränen der Rührung zu sehen, in vielen Gesichtern stille, ernsthafte Traurigkeit und Ergriffenheit.
Das Leiden Jesu ist knapp 2000 Jahre her. Was mich bewegt: Bis heute werden Menschen gefoltert, getötet wegen ihres Glaubens oder ihrer Meinung. Grausam war das damals und grausam ist das auch heute noch. Darin sehe ich den Sinn der Prozession heute. Was mich dann im Inneren erfüllt, ist die Sehnsucht nach Frieden.
Mehr Fotos
Roland Pleier hat am Kirchplatz fotografiert. Hier finden Sie eine Fotostrecke vom Abmarsch und von der Ankunft.
Wolfgang Dehm war in der Fischergasse und in der Hauptstraße zugange. Seine Fotos finden Sie hier.
Silvia Gralla schließlich hat die Prozession in der Haaggasse begleitet.
Auch von den Vorbereitungen am Freitagmorgen gibt es einige Impressionen.

Wie denken Sie über diese Traditionspflege? Welchen Sinn ergibt sie heutzutage noch? Wenn Sie etwas zu sagen haben: Teilen Sie Ihre Gedanken gerne in einem Kommentar.

 
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