Mit "Locker & ungeübt" trommelt er Cream-Klassiker wie "Sunshine of your love", mit den Mammut Bones "Fool for your stockings" von ZZ Top, mit Rollin' Deepa "Dani California" von den Red Hot Chili Peppers, mit Babao Boogie "Oh Baby Love" von Mother's Finest, bei Art of Emotion ist er "so was wie ein Dauergast" an der Kistentrommel, für die Lohrer Stadtkapelle legt er den Rhythmusteppich für "Pirates of the Caribbean".
Der Platz hinterm Schlagwerk ist quasi das zweite Zuhause für Frank Nätscher. Dabei sitzt er meist im Hintergrund. Am Karfreitag aber spielt er eine der Hauptrollen bei der traditionellen Prozession durch die Stadt. "Bumm ... bumm ... bumm ..." - das lange Haar zu einem ordentlichen Zopf gebündelt, im bordeauxroten Frack der Stadtkapelle, schlägt Nätscher die Pauke. So einfach es klingt: Für den 50-jährigen Wombacher ist das eine Herausforderung. Denn alle anderen schweigen, murmeln allenfalls, flüstern. Er aber gibt den Takt an für den Gleichschritt der Prozession. Alle hören auf sein "Bumm ... bumm ...".
Die Prozession ist eigen
"Ich weiß, es sind viel Leut' da und ich weiß, ich muss mich konzentrier'", verrät Nätscher. Zwar hat er mit der Kultband Jukebox (1981-2002) das mit Tausenden von Besuchern prall gefüllte Festzelt schon zum Kochen gebracht. Doch die Prozession, das ist ein Kapitel für sich.
Hier ein filmischer Eindruck von der Prozession aus dem Jahr 2016 ohne Kommentierung.
Den Takt halten auf dem Kopfsteinpflaster der Fischergasse, seitliche Windböen abfangen und kontinuierlich weiterschlagen, wenn einer der beiden Choräle im Dreivierteltakt beendet ist. "Wenn ich alles richtig gemacht hab, sind wir danach wieder auf links".
Frank Nätscher ist musikalisch vorbelastet. Sein Vater Walter Nätscher war Ende der 1960er und in den 1970ern Schlagzeuger der damals angesagten Tanzband Tornados. Der kleine Frank bekam als Zweikäsehoch die erste Trommel, mit vier ein Kinderschlagzeug – bis der Vater eines Tages sagte: "Jetzt hab ich Dich angemeld't, damit's mal nach Schlagzeug klingt."
Ohne Noten geht nichts – die Prozession ausgenommen
Peter "Bädo" Wirth war sein Lehrer an der städtischen Sing- und Musikschule. Bei ihm lernte er in drei Jahren auch grundlegende Notenkenntnisse. "In der Stadtkapelle geht nix ohne Noten", zeigt sich der Wombacher in gewisser Weise dankbar – "außer Karfreitag", relativiert er. Ob Wolfgang Riedmann "Deutsches Gebet", "Welch ein Trauern" oder "In jener letzten der Nächte" dirigiert – "für mich heißt jedes Lied Bumm ...", vereinfacht Nätscher.
Auf sein kleines, persönliches Highlight muss er heuer verzichten. "In der Grabengasse, da hau ich ein bissle fester rein." Da vibrieren nämlich die Schaufenster. "Bumm ... drrr ... Bumm ... drrr ..." Doch wegen der Baustelle in der Alfred-Stumpf-Straße geht die Prozession heuer andersrum: Von der Kirche aus nicht rechts die Lohrtorstraße, sondern links die Turmstraße runter und dann links um den Kirchberg herum, die Haaggasse hoch.
Zwar hat der Fliesenleger-Meister, der mit seinem Bruder Christian den elterlichen Betrieb für Grabmale, Natursteine und Fliesen übernommen hat, beruflich des öfteren auf Friedhöfen zu tun. Einen treuen Kirchgänger aber nennt er sich nicht. Die Prozession sei für ihn "so was wie die Absolution, weil ich nicht so oft in die Kirche geh", sagt er. "Das ist ja anstrengend. Das ist mein Kreuzweg."
Die Stadtkapelle führt die Prozession an. Seit über 30 Jahren schon, nur selten abgelöst, schlägt Nätscher die Pauke. Ebenso gut hätte sich er, der Wombacher, auch bei der Wombacher Blasmusik am Ende des Zuges einreihen können. Doch dies verhinderte der Zufall. Denn Peter Häring, damals Dirigent der Stadtkapelle, war es, der sich bei Peter Wirth nach einem Schlagzeug-Schüler erkundigte. "Der war halt schneller als die Wombacher Blasmusik", lächelt Nätscher verschmitzt. Heute ist er mit Härings Schwester Barbara verheiratet und hat mit ihr zwei Töchter.
Mehr als nur "Bumm ... bumm ..."
Wer mehr von dem Schlagzeuger hören will als das "Bumm ... bumm ..." der Karfreitagsprozession, begleitet vom Tripp-Trapp der Absätze und Schuhsohlen, der muss nicht lange warten: Wenn die Pfarrgemeinde am Ostersonntag um 10.15 Uhr in der Stadtpfarrkirche St. Michael ihr Hochamt feiert, begleitet Nätscher den Chor und das Kammerorchester von Dekanatskantor Alfons Meusert auf den Kesselpauken. Dann muss sich der Schlagzeuger auf Johann David Heinichens Missa Nr. 11 einstellen. "Das macht immer total Spaß, weil es doch etwas ganz anderes ist."
Dann aber ist vorerst wieder Schluss mit "Bumm ... bumm ..." und Kesselpauken. Am 30. April spielt er dann mit seiner jüngsten Formation, Babao Boogie, im Lohrer Café Bajazzo auf. Dann stehen funky angehauchte Rockklassiker auf der Playlist, zupft und schlägt sein Bruder Christian den Bass, triumphiert sein Cousin Luca Nätscher auf der Sologitarre. "Mein Hauptdings", so sagt Frank Nätscher über sich, "ist eigentlich Rockmusik."