Zehn Jahre nach ihrem schweren Achslagerschaden könnte die mächtige Dampflok 52 7409 des Würzburger Eisenbahnmuseums wieder unter Volldampf stehen. Wenn es endlich wieder Sonderfahrten gäbe – und die nötigen 120 000 Euro für letzte Reparaturen da wären. Verstärkung und Spender dringend gesucht! Ein Besuch bei den Tüftlern in der historischen Wagenhalle.
Fünf Jahre lang nur sollte sie in Betrieb sein und Güter durchs Deutsche Reich transportieren, so stellten die Herrschenden sich das damals vor. Dann wäre der Endsieg geschafft und die „Kriegslokomotive“, die 1943 in der Wiener Lokfabrik Floridsdorf für die Deutsche Reichsbahn gebaut wurde, sollte ausgedient haben. Sie war extra auf Effektivität und Zweckmäßigkeit hin konstruiert. Kein unnötiger Schnickschnack, keine Verzierungen, mehrere tausend Einzelteile weniger als übliche Dampfloks zu damaliger Zeit.
Die Geschichte verlief bekanntlich anders. Und die Güterzuglokomotive 52 7409 dampfte nach fünf Jahren noch voll funktionstüchtig vor sich hin und tat ihren Dienst fortan bei der Österreichischen Bundesbahn. 1975 erst kam die ehemalige Kriegslokomotive doch aufs Abstellgleis. Und rostete als „strategische Reserve“ noch ein paar Jahre vor sich hin.
Dass knapp 80 Jahre nach ihrem Bau die 52 7409 mit frischem Lack in aller Pracht in Würzburg auf den Gleisen stehen und in einer ehemaligen Wagenwerkstatt von einem Trupp von Enthusiasten gehegt und gepflegt werden würde? Dass sie noch immer mit einer Ladung Kohle und einem Tank voller Wasser angetrieben werden könnte? Es war anno 1943 nicht vorgesehen und noch bei ihrer endgültigen Ausmusterung als rollender Schrotthaufen kaum vorstellbar.
Eigentlich auch 1984 nicht, als die Stadt Würzburg nach einer für Franken typischen Dampflok suchte, in Österreich fündig wurde, die ausrangierte 52 7409 erwarb und von Linz an den Main holen ließ. Die Lok sollte als Denkmal im Eisenbahner-Stadtteil Grombühl auf einen Sockel. Bloß – in Würzburg angekommen, war die wuchtige Maschine mit einem Treibraddurchmesser von 1,4 Metern, fast 23 Metern Länge und einem Dienstgewicht von 143 Tonnen samt Tender schlicht zu groß.
Die Würzburger Eisenbahnbegeisterten hatten bald eine neue, viel bessere Idee: Würde der Koloss nicht zu reaktivieren sein? Und restauriert wieder in Fahrt gehen können? So kam die Dampflokomotive als Leihgabe an die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG). Und in jahrelanger Aufarbeitung und über 20 000 Arbeitsstunden brachten ein paar Unermüdliche – aktive und ehemalige Bahnmitarbeiter des Betriebswerks Würzburg – die 52 7409 auf Vordermann: Einmal komplett zerlegt, baute der Trupp sie wieder betriebsfähig zusammen.
1998 ging die Lok mit Schriftzug „Stadt Würzburg“ und Rennfähnlein auf den Windleitblechen, Volldampf und Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h das erste Mal wieder auf Tour – und danach regelmäßig auf viele Sonderfahrten, die die Vereinsmitglieder organisieren.
Bis – tja, bis sie die Lok – gerade mit neuen Bremsen, frischer Federung und neuem Zugfunk versehen – im Herbst 2011 verliehen. Und sie in Plochingen am Neckar einen schweren Achslagerschaden erlitt. Die schwäbischen Kollegen hatten vergessen, rechtzeitig Öl nachzufüllen. Überhitzt, in Brand geraten – so stand die Lok erst einmal lange bewegungsunfähig und schwer reparaturbedürftig am Plochinger Bahnhof auf dem Abstellgleis.
Genau zehn Jahre ist das jetzt her – und die Würzburger Eisenbahnfreunde schütteln heute noch darüber den Kopf. Nachdem die Achse aufwendig repariert und im Dampflokwerk Meiningen dann noch der Kessel ausgebessert wurde, steht die 52 7409 jetzt wieder auf dem Gelände des Güterbahnhofs Würzburg-Zell. Dort kann der Verein die dreigleisige, alte Halle mit Hebeanlage, Bockkran und Achssenke nutzen. Noch heute mehr lebendige Wagenwerkstatt als nur Eisenbahnmuseum. Hier hat der Verein seine verschiedenen Lokomotiven untergebracht: wie die ehemalige „V 100 1200“, eine Diesellok, die gerade erst dringend eine Motor-Reparatur brauchte. Oder Kleinloks vom Typ „Köf“, mit denen die Eisenbahner auf dem 2500 Quadratmeter großen Gelände – 1357 Meter Gleis, vier Weichen – hin und her rangieren.
Vor dem Backsteinbau: die stattliche Personen- und Güterwagensammlung. Der Museumszug besteht aus „Donnerbüchsen“ der späten 1920er Jahre, in denen der Fahrgast der ersten Klasse in weichem Plüsch versinkt. Aus Umbauwagen aus den 1950er Jahren und Nahverkehrswagen aus den 60ern und 70ern, an die sich mancher noch erinnern mag. Alle sorgsam aufbereitet, restauriert, in Schuss gebracht – und bereit zur Fahrt.
Wenn sie denn endlich wieder auf Sonderfahrt gehen könnten! Corona hat dem Verein jetzt zwei Jahre lang einen Strich durch die Fahrpläne gemacht. Und so fehlt in der Kasse das Geld, bei der alten Dampflok zehn Jahre nach dem Lagerschaden an Kuppelachse fünf endgültig alle Defekte zu beheben, auch den verrosteten Aschkasten auszutauschen und wieder den TÜV zu machen. 120 000 Euro sind dafür noch nötig, schätzen Einrichtungsleiter Christian Krodel und Stefan Gärditz, Geschäftsführer der zur Abwicklung des Sonderfahrtenbetriebs gegründeten DGEG Bahnen & Reisen Würzburg GmbH.
Spenden? Immer willkommen! Verstärkung? Immer gebraucht. „Wir suchen dringend weitere Unterstützer“, sagt Stefan Gärditz, der seit 1999 dabei ist. „Firmen und Helfer aller Fachrichtungen: Metaller, Schreiner, Lokführer, Heizer und Zugbegleiter, und viele andere, die handwerkliches oder bahnbetriebliches Talent haben. Auch Jugendliche gern!“
Damit der Koloss wieder Eisenbahnnostalgiker an Bord nehmen kann, fertigen die Aktiven Samstag für Samstag in der Metallwerkstatt all jene Ersatzteile, die es nicht mehr zu kaufen gibt. Schrauben große Bauteile an. Tauschen durchgerostete Kesselrohre. Tüfteln. Lösen technische Probleme, auch wenn es keine Baupläne mehr gibt. Sägen Bretter zurecht für den zerlegten Waggon aus dem späten 19. Jahrhundert – dem ältesten Stück in der Sammlung. Sie grundieren Fensterheber. Fetten Getriebe, zerlegen Bremsen, polieren und lackieren Wagenteile. Warten Weichen.
Damit das Museum bald wieder fährt. Gezogen von jener Lok, die nur fünf Jahre dampfen sollte.
Das Würzburger Eisenbahnmuseum ist eine Einrichtung der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG). Die sammelt seit 1967 alles, was zum historischen Bahnbetrieb gehört. Das Museum befindet sich in der Veitshöchheimer Straße 107 b, zwischen Rangierbahnhof Würzburg und Bahnhof Zell. Es ist kein Museum mit Ausstellungsstücken und regulären Öffnungszeiten, sondern mit Museumszug und Werkstatt. Wer den Eisenbahnern über die Schulter schauen oder mitarbeiten will: Vorbeikommen! Die Ehrenamtlichen treffen sich dienstags ab 18 Uhr und samstags von 13 bis 17 Uhr. Infos und Anfahrtsweg: www.eisenbahnmuseum-wuerzburg.de. Oder auf Facebook unter Eisenbahnmuseum Würzburg.