zurück
Würzburg
Zwiebelkirchweih: Geht eine alte Tradition verloren?
Immer weniger Gastronomen in der Semmelstraße richten das besondere Fest zur Ankunft der Kreuzberg-Wallfahrer aus. Aber eine Stadträtin will etwas dagegen tun.
Blick in die Semmelstraße in Würzburg. Dort wird jedes Jahr am 24.August die Rückkunft der Kreuzberg-Wallfahrer mit der Zwiebelkirchweih gefeiert. Doch für die Wirte rechnet sich der zusätzliche Aufwand nicht mehr. Foto: Thomas Obermeier
| Blick in die Semmelstraße in Würzburg. Dort wird jedes Jahr am 24.August die Rückkunft der Kreuzberg-Wallfahrer mit der Zwiebelkirchweih gefeiert. Doch für die Wirte rechnet sich der zusätzliche Aufwand nicht mehr.
Ernst Jerg
Ernst Jerg
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:57 Uhr

Seit dem Jahr 2017 sind die beiden Eigentümerinnen der Stadt Mainz nicht mehr beim Fest in der Semmelstraße dabei. Anneliese und Margarete Schwarzmann können den Aufwand mit dem Backen der vielen Zwiebelkuchen für die Würzburger Kreuzberg-Wallfahrer gesundheitlich nicht mehr stemmen. Damit brach schon eine jahrzehntelange Tradition weg. Das machte sich nach den Aussagen einiger Besucher der Zwiebelkirchweih schon im vergangenen Jahr bemerkbar.

Stadt sperrt Semmelstraße

Doch wie sieht das denn am Freitag aus, wenn die Wallfahrer nach 173 schweißtreibenden Kilometern offiziell in der Semmelstraßeeinlaufen und dort von ihren Verwandten und Freunden begrüßt werden? Die Stadt sperrt die gesamte Semmelstraße für den Verkehr zwischen 10 und 24 Uhr, bestätigt Stadtsprecher Christian Weiß. Erwartet werden Wallfahrer ab 14 Uhr. Nach seinen Informationen hat neben der SPD noch die Sportbar "Hohlstange" eine Genehmigung für eine Außengastronomie beantragt. Und einige Bürger wollen wohl Bänke und Tische rausstellen.

"Der Aufwand rechnet sich nicht mehr"
Andreas Rausch, Wirt im Semmelbrösel

Nach den Recherchen dieser Redaktion betreiben die meisten Gastronomen keinen zusätzlichen Aufwand mehr für die Pilger und ihre Angehörigen. Sie bieten einfach ihre Außengastronomie an. Andreas Rausch ist Wirt im Semmelbrösel. In den Jahren zuvor hatte er zusätzliche Außenplätze bei der Stadt beantragt. Nun ist das vorbei, genauso wie im benachbarten Pub "Red Lion". Der Gastronom wird ein paar Stehtische zusätzlich zu seinen Sitzplätzen im Freien aufstellen. "Wir mussten zusätzliche Außenplätze bei der Stadt beantragen und extra dafür zahlen. Dann konnten wir ab 15.15 Uhr Getränke ausschenken. Und um 22 Uhr war wieder Schluss. Der Aufwand rechnet sich nicht mehr."

Konkurrenz von der Weinparade

Rausch spricht einigen Wirten der Semmelstraße aus der Seele, wenn er in dem Zusammenhang darauf hinweist, dass 2017, just am Tag der traditionellen Zwiebelkirchweih, auch die Weinparade eröffnet wurde. Und da die Pilger nach einem kurzen Durchlauf in der Semmelstraße erst noch einen Gottesdienst mit Schlusssegen im Neumünster absolvierten, war seiner Ansicht nach der Weg zur Parade am Marktplatz nicht weit. In diesem Jahr findet der Abschlusssegen im Dom statt. Und die Weinparade läuft seit Donnerstag.

Bäckerei Rösner backt Zwiebelkuchen

Wie machen das in dem Jahr andere Anwohner wie zum Beispiel das Weingut Bürgerspital mit seinem Weingarten? "Wir bieten den Pilgern und ihren Verwandten unsere Außenbestuhlung an und verkaufen Wein, Zwiebelkuchen und Bratwurstbrötchen", sagt Weinhausleiter Giovanni Bellanti. In der Bäckerei Rösner ist der Laden auf und es wird den klassischen Zwiebelkuchen in ausreichender Menge geben, war aus der Back-Zentrale zu erfahren. Doch auch hier keine zusätzlichen Tische und Stühle im Freien, wie das seit Anfang der 70er Jahre üblich ist.

Anneliese (von links) und Wilhelmine Schwarzmann von der 'Stadt Mainz' bei der Zwiebelkirchweih 1967. Foto: Galvagni
| Anneliese (von links) und Wilhelmine Schwarzmann von der "Stadt Mainz" bei der Zwiebelkirchweih 1967. Foto: Galvagni

Wird es dann überhaupt noch das Flair der Semmelstraße geben mit seiner traditionellen Zwiebelkirchweih? Und wo kommt der Brauch her, ausgerechnet Zwiebelkuchen in Massen anzubieten? Nach den Geschichtsbüchern wallten die Würzburger 1647 zum ersten Mal zum heiligen Berg der Franken. Und damals hatten noch viele Bäcker ihre Backstuben in der bekannten Würzburger Straße. Außerdem war der August die Zeit, als die Zwiebeln reif waren und geerntet wurden.

Stärkung für die Pilger

In diesen harten Zeiten wollte man dennoch den erschöpften Pilgern eine Stärkung reichen. Und so rührten die Bäcker aus Wasser und Mehl einen Teig an, gaben die Zwiebeln obendrauf und schoben das Ganze in den Backofen. Natürlich wurde das Rezept im Laufe der Jahrhunderte immer weiter verfeinert. "Die Leute, die zu uns kamen, sagten, ihr habt den besten Zwiebelkuchen", erinnert sich Anneliese Schwarzmann, die viele Jahre lang gemeinsam mit Mutter Wilhelmine und Schwester Margarete Massen von Zwiebeln für die Wallfahrer geschält hat.     

Vor dem Hotel Stadt Mainz wird es aber dennoch wieder eine Verweilmöglichkeit geben. CSU-Stadträtin Sabine Wolfinger wird drei Biertischgarnituren aufstellen für die christlich-sozialen Wallfahrer, sprich Parteifreunde und deren Angehörige. "Und dazu gibt es selbstgebackenen Kuchen". Ein Ausschank ist nicht geplant. Als sie hört, dass sich immer weniger Gastronome mit Sonderaktionen an der Zwiebelkirchweih beteiligen, ist sie betroffen. "Da müssen wir als CSU etwas tun", ist ihr spontaner Gedenke. Schließlich soll diese alte Tradition gewahrt bleiben. Die CSU-Stadträtin ist auf jeden Fall ab 11 Uhr vor Ort. 

Polit-Fest bei der SPD

Eine weitere Partei hält die Tradition der Kirchweih hoch: Seit Jahren lädt die Würzburger SPD zu ihrem Fest in den Hof des Hannsheinz Bauer-Hauses in die Straßennummer 46 ein. Ab 14 Uhr gibt es Getränke, Zwiebelkuchen und Musik. Das politische Gespräch soll dabei auch nicht zu kurz kommen, ist der Wunsch von Stadträtin Jutta Henzler. Daher stehen Politiker aller Ebenen zur Verfügung. Anwesend sind  die Landtagsabgeordneten Georg Rosenthal und Volkmar Halbleib, Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake und Stadtrat Alexander Kolbow.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Ernst Jerg
Alexander Kolbow
CSU
Gastronominnen und Gastronomen
Georg Rosenthal
Marion Schäfer-Blake
Pilger
SPD
Sabine Wolfinger
Traditionen
Volkmar Halbleib
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Ja, so ist das mit den Traditionen. Während man früher kaum den Weg durch die Feiernden fand, gibt es Lücken, je näher man der Kroatengasse kommt, wird es schon seit ein paar Jahren trostlos. Dass man für diese Tradition auch Geld von den Wirten verlangt ist sicher ein Grund. Die Menschen verbindet einfach nicht mehr allzu viel mit dem Glauben und schon gar nichts mit dem Grund der Wallfahrt. Viele stellen sich als Gaffer bei Unfällen, Bränden hin oder fahren in ein Dorf wegen eines Drachenlords. Die Ereignisse sind für manche scheinbar egal. Der Einlauf der Wallfahrer bietet keinen Nervenkitzel.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 1958kosb
    Tja, mit immer mehr Vorschriften bekommt man jede Tradition weg. Bezahlt die SPD eigentlich auch für ihre Außenplätze? kommt evtl. auch das Gewerbeaufsichtsamt zur Kontrolle? und warum darf da schon an 14:oo bewirtet werden? usw.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Timoudo1969
    Alte Tradition???? 😎
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Natürlich ist es eine jahrezehntelange Tradition.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten