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Würzburg
Zurückgelassene Kinder in verwahrloster Wohnung: Eltern müssen sich vor Gericht verantworten
Zwei Kleinkinder fand die Polizei Ochsenfurt unter katastrophalen Wohnbedingungen vor. Nun begann der Prozess gegen die Eltern wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht.
Für den Vorwurf, ihre Fürsorgepflicht verletzt zu haben, musste sich ein Elternpaar vor dem Würzburger Amtsgericht verantworten.
Foto: Thomas Obermeier | Für den Vorwurf, ihre Fürsorgepflicht verletzt zu haben, musste sich ein Elternpaar vor dem Würzburger Amtsgericht verantworten.
Daniel Thierauf
 |  aktualisiert: 03.04.2025 02:39 Uhr

Leere Bierflaschen, Aschenbecher und eine Wohnung in verwüstetem Zustand. In diesem Umfeld hat die Polizei Ochsenfurt im August 2021 einen damals sieben Monate alten Säugling und seinen fast zweijährigen Bruder in einer Gemeinde im südlichen Landkreis Würzburg vorgefunden. Laut Staatsanwaltschaft herrschten katastrophale hygienische Zustände und eines der Kinder sei unterernährt gewesen. Wer für den Zustand der Wohnung verantwortlich war und ob die Eltern ihre Fürsorgepflicht verletzt haben, war nun Gegenstand vor Gericht.

Vorausgegangen ist dem Vorfall ein geplanter Urlaub der Eltern in Kroatien. Eine Freundin der Familie habe ihnen angeboten, während des Urlaubs für ihre Kinder zu sorgen, erzählt die Mutter. Sie kannte die Frau bereits seit elf Jahren. Nachdem sie schon öfter auf die Kinder aufgepasst hatte und alles zu funktionieren schien, entschlossen sich die Eltern dazu, den einwöchigen Urlaub ohne Kinder anzutreten. Für die Betreuung der Kinder holte sich die Freundin Unterstützung bei einer weiteren Bekannten. Diese und die Familie kannten sich nur flüchtig. 

Zwei verschiedene Darstellungen der Situation

Die Mutter und ihre Freundin geben im Zeugenstand an, sie hätten vor der Abreise die Wohnung geputzt. Der Vater sagt aus, er habe Essen besorgt und Geld dagelassen. Die weitere Bekannte schildert die Situation vor Gericht anders. Ihrer Meinung nach war die Wohnung in keinem kindgerechten Zustand und es sei nichts zum Essen da gewesen. "Wir müssen da etwas machen", habe sie zu ihrer Bekannten gesagt. Am nächsten Tag informierte sie die Polizei.

Nach nicht einmal 24 Stunden reisten die Eltern aus dem Urlaub zurück, nachdem die Freundin sie angerufen und darüber informiert hatte, dass ihre Tante gestorben sei und sie deshalb dringend verreisen müsse. Vor Gericht entpuppte sich diese Aussage als Lüge. Aus Angst vor Konsequenzen habe sie sich der Situation entziehen wollen, sagt die Freundin aus.

Als die Eltern in ihrer Wohnung ankamen, war diese bereits von der Polizei abgesperrt. Die Kinder waren in einer Pflegefamilie untergebracht. Die Wohnung war nach Aussage der Eltern nicht in dem Zustand, in dem sie diese verlassen hatten. "Wir haben beide unseren Augen nicht getraut, es sah furchtbar aus", sagt die Mutter vor Gericht aus. "Ich wäre nie darauf gekommen, dass sowas passieren kann", schildert der Vater die Situation. Die Freundin gibt an, dass ihre Bekannte die Wohnung verwüstet habe. Diese wiederum beharrte darauf, dass die Wohnung bereits bei ihrem Eintreffen am Vorabend so ausgesehen habe. Die Mutter vermutet vor Gericht, es könnte ein Racheakt der Bekannten gewesen sein, deren Kinder in einer Pflegefamilie untergebracht waren. 

Letztlich konnte vom Gericht nicht abschließend geklärt werden, wer für den Zustand der Wohnung verantwortlich war. Den Eltern wurde jedoch zur Last gelegt, dass sie ihre Kinder einer Freundin anvertrauten, die mit der Situation überfordert schien. Nachdem es laut dem Jugendamt zu keinen weiteren Auffälligkeiten in der Kindererziehung gekommen war, sah das Gericht von einer Strafe ab. Dabei berücksichtigte der Richter auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die Vorfall für die Eltern hatte. 

 
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  • Ute Schlichting
    im August 2021 einen damals sieben Monate alten Säugling und seinen fast zweijährigen Bruder in einer Gemeinde im südlichen Landkreis Würzburg vorgefunden. Wow und jetzt ist erst die Verhandlung. Tolle Leistung.Drei Jahre und 7 Monate. Ich hoffe den Kindern geht es gut.
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  • Dietmar Eberth
    "Die Arbeitsbelastung in der Justiz und vor allem der Staatsanwaltschaften in Bayern hat in den letzten Jahren zugenommen und ist insbesondere wegen der gestiegenen Zahl an Ermittlungsverfahren hoch", teilte das bayerische Justizministerium auf Anfrage mit. "Insbesondere die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie, Cybercrime, Fake Shops, Geldwäsche und Jugendgewalt erfordert weitere Kapazitäten."

    https://www.br.de/nachrichten/bayern/staatsanwaltschaft-warum-in-bayern-immer-mehr-unerledigt-bleibt,UBD5zSZ

    Nichts Neues aus dem Land zur Vorstufe zum Paradies 🤣🤣 🤣
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  • Steffen Cyran
    Zunächst mal ist die deutsche Justiz beschäftigt mit abertausenden Asylverfahren.
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  • Barbara Fersch
    unfassbar, das ist typisch Behörden.....die greifen anscheinend erst ein, wenn ein Kind zu tote gekommen ist.
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  • Stefan Krug
    Ich glaube manchmal wäre es besser
    'Eltern' würden keine Kinder in die Welt setzen...
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  • margarete wuestner
    Ich fass' es nicht wie das Gericht hier entschieden hat!!
    "Nachdem es laut dem Jugendamt zu keinen weiteren Auffälligkeiten in der KErziehung gekommen war, sah das Gericht von einer Strafe ab"
    Nach nicht einmal von 24 Std, ist ein Kind unterernährt, eine Babyflasche mit Inhalt verschimmelt u die Wohnung verwahrlost!!!
    Wer um Himmels willen lässt seine Kinder, sieben Monate u fast zweijährig, wegen einer Urlaubsreise, bei Bekannten zuhause??
    Ich fass'es nicht!!
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  • E. Böhrer
    "... Nach nicht einmal 24 Stunden reisten die Eltern zurück..." Wie kann denn da in der kurzen Zeit ein Kind unterernährt sein...? Wo sind die Kinder jetzt? Und wie geht es der Familie...?
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  • Eva-Maria Stöcklein
    Zumindest ein Kind war unterernährt, eine Babyflasche verschimmelt und was man den Kindern mit der Fremdunterbringung antut…
    Aber keine Strafe für die Eltern. Elternrechte sind wieder mal um ein vielfaches größer als Kinderrechte. Die Eltern haben dafür zu sorgen, dass es den Kindern gut geht! Hier haben die Eltern versagt. Ohne Konsequenzen.
    Hoffentlich geht es für die Kinder gut aus! Aber das sieht man wohl erst in 20 Jahren…
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  • Steffen Cyran
    Und irgendwann ist z.B. eines oder beide Kinder schwer geschädigt oder gar tot......und in der Zeitung steht, daß es schon vor Jahren (=heute) Beanstandungen und Probleme gab, daß aber nichts unternommen wurde.
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