Er war einst der jüngste Tourismus-Chef in Deutschland. Jetzt geht Tourismusdirektor Peter Oettinger, Geschäftsleiter des städtischen Eigenbetriebs Congress Tourismus Würzburg (CTW), in Ruhestand. Im Sommerinterview spricht der 65-jährige über seine Lust am Reisen, über Heimatliebe, darüber, wie man Gäste in die Stadt lockt und weshalb beim Fremdenverkehr noch Geld liegengelassen wird.
Peter Oettinger: Jetzt geht’s erst mal ein paar Tage in die Berge, um etwas Abstand zu gewinnen. Ziel ist ein schönes Familienhotel in Österreich. Ansonsten bin ich ein Freund des Mittelmeerraumes geworden. Ich reise gerne mit meiner Lebensgefährtin nach Italien oder Spanien.
Oettinger: Mich reizt es, wie viele andere, Land und Leute kennenzulernen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die Gastronomie auszuprobieren. Auch wenn man nicht die Landessprache spricht, kann man sich irgendwie verständigen. Ich reise nie unvorbereitet, sondern lese vorher viel über mein Ziel und was mich erwartet.
Oettinger: Das ging los, als ich Wirtschaftsgeographie studierte. Zuerst war ich hobbymäßig unterwegs, dann häufig als Reiseleiter. Als ich mal mit jungen Leuten nach Ungarn fuhr, hatte der Reiseleiter nicht viel Ahnung und ich bot an, etwas über Land und Leute zu erzählen. Das hat ganz gut funktioniert und ich hab dann häufig als qualifizierter Reiseleiter Studienreisen betreut, Fahrten nach Berlin, Paris, aber auch größere Reisen wie eine Nordkap-Tour oder eine ausgiebige Russlandfahrt. Reisen wurde meine Leidenschaft. Weniger studiert, mehr verreist. Das ging damals noch.
Oettinger: Das fällt einem Touristiker schon schwer. Wenn ich zum Beispiel im Exkursionsbus sehe, dass Busfahrer und Reiseleiter nicht so richtig zusammenkommen. Da muss ich dann grinsen. Man weiß ja, wie so etwas ablaufen muss. Das hat man selber zigtausende von Kilometern gemacht. Und ich gehe immer in die Tourist-Information, egal in welchem Land, und schau einfach mal, wie die das so machen und wie sie sich präsentieren. Häufig stelle ich fest: Im Vergleich stehen wir in Würzburg ganz gut da. Das ist dann sehr beruhigend.
Oettinger: Da kommen mehrere Faktoren zusammen. So hat der Städtetourismus in den vergangenen Jahren generell stark zugenommen. Und wir vom CTW haben auch unseren Teil dazu beigetragen. Hinter dem Erfolg stehen ein Team mit 30 Experten sowie 140 Gästeführern. Allein sechs Leute kümmern sich um 500 Tagungsveranstaltungen im Jahr – von der einfachen Vermietung bis zur Organisation großer Kongresse. Dass wir dieses Team haben, geht auf mein Konzept zurück, wie etliche andere Innovationen: Zum Beispiel der Einsatz von Personaltrainern. Als ich anfing, hatten wir gerade mal eine Touristik-Fachkraft. Und Marketing war noch ein Fremdwort.
Oettinger: War es auch. Aber in meinen sieben Jahren zuvor als Marketingchef der Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg hatte ich gelernt, wie man Leute in die Stadt bekommt: Vor allem mit Tagungen und Sonderveranstaltungen. Diese hatten wir mit den großen Ausstellungen zu Tiepolo, zu Ägypten, zum Stadtjubiläum 2004 oder mit der Landesausstellung Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, die alle mit Besucherrekorden glänzten. Und von Anfang an war mein Ziel, dass wir ins Tagungsgeschäft kräftig investieren. Das haben wir zuletzt mit der Erweiterung des Congress Centrums getan. Zudem setzte ich immer auf Kooperationen statt Kirchturmpolitik: Die Fränkische Weinland Tourismus GmbH, die Arbeitsgemeinschaft Romantische Straße oder die Marketing-Gemeinschaft Historic Highlights of Germany sind im Wettbewerb um neue Gäste wichtige Partner.
Oettinger: Auch wenn der Tagestourismus mehr Geld in die Stadt bringt, sind beide Würzburg-Besucher wichtig. Nicht zuletzt wegen der Auslastung der rund 4500 Gästebetten. Diese liegt mittlerweile bei 55 Prozent. Ein Top-Wert. Damit liegen wir auf Rang vier unter den deutschen Großstädten. Der Gesamtumsatz beim Würzburger Städtetourismus liegt bei rund 700 Millionen Euro jährlich.
Oettinger: Oh doch, das könnte es. Wir müssen jedes Jahr zig Millionen Euro an dieser Stadt vorbeifließen lassen, weil wir zu wenig Übernachtungsangebote haben. Wir brauchen weitere Hotels. Und die in allen Kategorien. Es schreit danach, diese Entwicklung voranzutreiben, bei der kein bestehendes Hotel Gäste verlieren wird. Statt einer Million könnten wir bis zu 1,4 Millionen Gästeübernachtungen jedes Jahr haben. Nahezu jede zweite Gruppe können wir derzeit nicht unterbringen. Wenn heute jemand plant, im Juni nächsten Jahres mit zehn Freunden zu einem Würzburg-Wochenende zu kommen, keine Chance. Höchstens 2020. Und wenn Reiseveranstalter zigmal erfolglos anfragen, fragen sie irgendwann mal nicht mehr an. Trotz der zentralen Lage und vielen Vorzüge, die Würzburg hat.
Oettinger: Nicht wirklich, denn es gibt Lichtblicke. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren bestimmt mit über 150 Investoren gesprochen. Und jetzt scheint der Knoten endlich geplatzt. Es kommt ein Hotel am Bahnhof, es zeichnen sich zwei auf dem Posthallen-Areal ab und höchstwahrscheinlich zwei weitere in der Schweinfurter Straße. Zum Vergleich. In Regensburg werden derzeit zehn Hotels gebaut.
Oettinger: Ja. Ursprünglich sollte ich als Schreiner im väterlichen Betrieb in meinem Heimatort Rüdenau im Landkreis Miltenberg arbeiten. Ich wollte dann lieber Gymnasiallehrer werden. Doch schon in meinem Studium der Wirtschaftsgeographie in den siebziger Jahren stand ich vor dem Falkenhaus, wo der damalige Verkehrsdirektor residierte. Und ich träumte davon, einmal Tourismusdirektor von Würzburg zu werden.
Oettinger: Neben Fachwissen, Kreativität und Kontaktfreude vor allem eines: Leidenschaft.
Oettinger: Nein. Es gab schon Angebote von anderen Städten, aber das hat mich nicht gereizt. Ich bin gerne Franke, konnte immer das machen, was ich glaubte, machen zu sollen und hatte ein sehr gutes Mitarbeiterteam, in dem es auch menschlich passt. Ich habe von Kollegen in anderen Städten mitgekriegt, wie sie unbedingt ein Vorwort ihres Oberbürgermeisters in den Werbeprospekt basteln oder Bilder abstimmen mussten. Solche Vorgaben hatte ich nie. Ich habe auch ganz bewusst kein Parteibuch. So etwas erleichtert die Arbeit unwahrscheinlich. Ich kann jedenfalls zufrieden auf die vergangenen 30 Jahre zurückblicken.
Oettinger: Vielleicht spiele ich wieder etwas mehr Musik, wie ich das jetzt beim Abschied von meinen Mitarbeitern nach vielen Jahren wieder mal gemacht habe. Musizieren ist eine große Leidenschaft von mir. Ich spielte einst als Alleinunterhalter sowie in der Rüdenauer Blaskapelle und habe mehrere Instrumente. Und außerdem will ich Kontakte zu alten Schulfreunden wieder auffrischen.
Oettinger: Nein, ich will mich da nicht mehr als Berater engagieren. Höchstens, dass ich meinem Nachfolger Björn Rudek bei Bedarf ein paar wichtige Kontakte vermittle. Ansonsten pflege ich den Tourismus, indem ich verreise.